Ich wurde darüber informiert, dass einige Firmen Strafanzeige wegen ungerechtfertigter Kontoabbuchungsversuche gestellt hät ten und dass ich mich dazu nicht äußern brauchte. Das tat ich auch nicht.
Sie filzten jeden Schrank, jede Schublade und nahmen alles mit, was in ihren Augen, nach einer Straftat roch. Es dauerte ganze drei Stunden, bis der Spuk vorbei war.
Ich musste mich erst einmal sortieren.
Sie hatten die Daten aus dem Computer kopiert. Ansonsten hatten sie nur normale Geschäftsunterlagen von PRO MEDIA mit genommen, die mit den Vorgängen überhaupt nicht in Verbin dung standen.
Die Blankobogen, der angeblich geschädigten Firmen von der DBank Aktion, hatten sie in ihrem Eifer gar nicht entdeckt, ob wohl sie offen in einer Mappe auf einem Schrank lagen. Dafür hatten sie die Schecks der D Bank, die Bestätigung über die Kon toverbindung in Luxemburg und die Kopien der gefälschten Per sonalausweise gefunden.
Beate war inzwischen ebenfalls im Büro eingetroffen und völlig aufgelöst. Sie fragte mich, was das alles zu bedeuten hätte und ob es einen Zusammenhang gäbe mit den permanenten Beobach
tungen ihrer Person durch die vier Typen in dem Auto, das noch immer regelmäßig in der Nähe ihrer Wohnung stehen würde. Je des Mal, wenn sie nach Hause käme, ginge das Telefon und es würden Drohungen ausgesprochen, auch in meine Richtung. Sie hätte Angst um die Kinder und um mich. Ob ich in etwas hinein geraten wäre, worüber ich nicht sprechen wolle. Und jetzt die Aktion der Kripo hier.
Ich war wie betäubt und nicht fähig, ein klares Wort heraus zubringen.
Ich hörte mich stammeln, dass ich auch nicht wüsste, was los wäre.
Innerlich war ich dem Zusammenbruch nahe. Wie sollte ich ihr auf die Schnelle erklären, was in den letzten eineinhalb Jahren passiert war?
Wie hätte ich das überhaupt jemandem erklären können?
Man würde mich für verrückt halten. Meine Lage war noch be schissener geworden.
Natürlich blieb die Durchsuchungsaktion der Kripo nicht un bemerkt und ging in der Stadt herum wie ein Lauffeuer. Man blies zur Jagd auf mich. Dann folgte Schlag auf Schlag:
Meine beiden Hausbanken, die angeblich den „Weg freimachen“, kündigten die Kreditvereinbarungen und stellten die Beträge zur sofortigen Rückzahlung fällig. Da mir das natürlich nicht mög lich war, nahm man meinen Vater mit der Bürgschaft über 100.000 DM in Anspruch.
Das Finanzamt betrieb eine Kontopfändung wegen einer geschätz ten Mehrwertsteuernachzahlung.
Am 1. Dezember wurde die Ehe von Doris und mir geschieden. Am 6. Dezember starb plötzlich mein Vater.
Um mich herum war nur noch Nebel. Wie ein ferngesteuerter Roboter spulte ich die Programme ab, ohne wirklich etwas wahrzu nehmen. Mein Körper spielte verrückt. Oftmals fiel ich von einer Sekunde auf die andere einfach um. Es dauerte immer Minuten, bis ich wieder bei mir war. Erinnern konnte ich mich an nichts.
Mein Büro musste ich bis zum 31.12. räumen. Ich war geschäft lich und privat am Ende. Freunde und Bekannte distanzierten sich zunehmend von mir.
Es begann das Jahr 1996. Noch immer stand ich neben mir durch die Ereignisse, die mich überrollt hatten, durch die Trauer um meinen Vater und wegen meiner eigenen aussichtslosen Situ ation. Beate jedoch, war unbeirrbar an meiner Seite und half mir, wo sie nur konnte. Wer weiß, wo ich ohne sie gelandet wäre in meiner Verzweiflung.
Irgendwie musste ich wieder auf die Füße kommen. Mehr aus der Not heraus als mit Überzeugung, versuchte ich mit Ilona und Jürgen, einem befreundeten Ehepaar, eine neue Vertriebsschiene für Kosmetikartikel aufzubauen.
Bei den notwendigen Gängen zu den Behörden, Banken und Finanzamt, stießen beide immer wieder auf Ungereimtheiten be züglich meiner Person. Sobald mein Name fiel, ging die Klappe runter und es folgte Ablehnung auf Ablehnung. Jürgen verlangte eine Erklärung von mir.
Indessen feierte Doris ausgiebig ihre wiedererlangte Freiheit. Bereits am Abend des Scheidungstags, muss es in einer Korbacher Diskothek zu einer regelrechten „Volker BauchBefreiungsParty“ gekommen sein.
An der Beerdigung ihres ExSchwiegervaters nahm sie erst gar nicht teil. Inzwischen hatte sie eine Liaison mit einem Mann, der über zig Jahre zu meinem engsten Freundeskreis gehörte. Bereits vor unserer Ehe hatten beide ein Verhältnis miteinander. Damals kehrte sie reumütig zu mir zurück. Sie war so überzeugend, dass ich ihr glaubte und sie heiratete.
Auch wenn die Sache Jahre zurück lag, wir inzwischen geschie den waren und ich keinerlei Recht mehr hatte, mich in ihr Leben einzumischen, diese erneute Verbindung empfand ich als reinste Provokation und Verhöhnung unserer gemeinsamen Zeit und Ehe.
Und sie genoss ihren Triumph. Sie wusste genau, wie sie mich verletzen konnte. Und es gelang ihr bestens.
Auf einer Veranstaltung, wo beide auftauchten, rastete ich förm lich aus, was ansonsten überhaupt nicht meine Art ist. Der Alko hol hatte alle Lügen und Enttäuschungen von damals wieder her vorgeholt, die ich längst in meiner Seele begraben wähnte. Ich bekam einen regelrechten Blackout.
Das Band zwischen Doris und mir war nun endgültig zerrissen, auch wenn ich mich später für mein Verhalten entschuldigte. Der
KameradschaftsClub, in dem ihr neuer „Alter“ und ich, trotz al lem noch gemeinsam aktiv waren, hatte sich nun auch erledigt. Man wollte mit mir nichts mehr zu tun haben und kündigte mir die Mitgliedschaft.
Die Sache zwischen Doris und dem „Kameraden“ hielt nicht lange.
Anscheinend merkte sie sehr schnell, auf was für einen Typen sie sich da eingelassen hatte. Der Traumprinz war anscheinend nur ein stinkender Frosch.
Dem „Kameraden“ sollten noch viele folgen. Und oftmals waren sie aus meinem ehemaligen Bekannten oder Freundeskreis.
Die Kripo übersandte mir eine Vorladung zur Vernehmung. Von den Erpressern hatte ich nach der Durchsuchungsaktion nichts mehr gehört. Ich vermutete, sie hatten mitbekommen, dass die Sache aufgeflogen und ich, als ihr Werkzeug, unbrauchbar gewor den war. Auch Beate erzählte mir nichts mehr von weiterem Terror oder Bedrohungen. Ich überlegte, reinen Tisch zu machen und auszusagen.
Am Abend vor dem Vernehmungstermin hatte ich noch ein ge schäftliches Treffen mit Ilona und Jürgen, wo Beate ebenfalls mit anwesend war. Die Gerüchte, die über mich liefen und die ableh nende Haltung aller Stellen, sobald es um unsere gemeinsamen geschäftlichen Aktivitäten ging, hatten beide stark verunsichert. Kritisch fragte Jürgen immer wieder nach und verlangte, endlich Klarheit zu bekommen.
Meine Entscheidung war bereits gefallen, am nächsten Tag bei der Kripo auszusagen. Der Druck war nicht mehr auszuhalten. Zu viele Leute hatte ich zu oft mit meinem merkwürdigen Ver halten vor den Kopf stoßen müssen und war immer eine Erklä rung schuldig geblieben. Es reichte. Ich hatte alles verloren, was ich besaß und was mir lieb und teuer war. Geblieben war nur noch ein Häuflein Elend, das verzweifelt ums Überleben kämpfte. Es gab nur noch einen Menschen, der unverdrossen an meiner Seite blieb. Und das war Beate.
Ich wollte und musste jetzt Farbe bekennen und es sprudelte nur so aus mir heraus. Ich erzählte die ganze Geschichte von An
fang an und ließ nichts aus. Die Blicke von Ilona und Jürgen wur den immer ungläubiger. Wie versteinert saßen sie mir gegenüber, während ich unaufhörlich erzählte. Schweigend verfolgte Beate meine Schilderung der Ereignisse. Als ich am Ende war, standen Ilona und Jürgen auf und verließen wortlos den Raum.
Beate und ich fuhren in ihre Wohnung und wir redeten die gan ze Nacht.
Sie verstand nun und konnte sich manche Vorkommnisse erklä ren. Sie begriff, dass ich nicht anders handeln konnte aus Angst um sie, die Kinder und andere. Wenn es nur um mich allein ge gangen wäre, hätte ich mit Sicherheit anders reagiert. Es war eine Nacht voller Tränen.
Читать дальше