1 ...7 8 9 11 12 13 ...22 Nur das gemeine Los des Todes können die Götter
Selbst nicht wenden, auch nicht von ihrem Geliebten, wenn jetzo
Ihn die finstere Stunde mit Todesschlummer umschattet.
Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Mentor, rede nicht weiter davon, wie sehr wir auch trauern!
Jener wird nimmermehr heimkehren, sondern es weihten
Ihn die Unsterblichen längst dem schwarzen Todesverhängnis.
Jetzo will ich Nestorn um etwas anderes fragen,
Ihn, der vor allen Menschen Gerechtigkeit kennet und Weisheit.
Denn man saget, er hat drei Menschenalter beherrschet;
Darum scheinet er mir ein Bild der unsterblichen Götter.
Nestor, Neleus' Sohn, verkünde mir lautere Wahrheit!
Wie starb Atreus' Sohn, der große Held Agamemnon?
Wo war denn Menelaos? Und welchen listigen Anschlag
Fand der Meuchler Aigisthos, den stärkeren Mann zu ermorden?
War er etwa noch nicht im achaiischen Argos und irrte
Unter den Menschen umher, daß der sich des Mordes erkühnte?
Ihm antwortete drauf der Rossebändiger Nestor:
Gerne will ich, mein Sohn, dir lautere Wahrheit verkünden.
Siehe, du kannst es dir leicht vorstellen, wie es geschehn ist.
Hätt er Aigisthos noch lebendig im Hause gefunden,
Als er von Ilion kehrte, der Held Menelaos Atreides,
Niemand hätte den Toten mit lockerer Erde beschüttet,
Sondern ihn hätten die Hund' und die Vögel des Himmels gefressen,
Liegend fern von der Stadt auf wüstem Gefild, und es hätte
Keine Achaierin ihn, den Hochverräter, beweinet.
Während wir andern dort viel blutige Schlachten bestanden,
Saß er ruhig im Winkel der rossenährenden Argos
Und liebkoste dem Weib Agamemnons mit süßem Geschwätze.
Anfangs hörte sie zwar den argen Verführer mit Abscheu,
Klytämnestra, die edle, denn sie war gut und verständig.
Auch war ein Sänger bei ihr, dem Agamemnon besonders,
Als er gen Ilion fuhr, sein Weib zu bewahren vertraute.
Aber da sie die Götter in ihr Verderben bestrickten,
Führt' Aigisthos den Sänger auf eine verwilderte Insel,
Wo er ihn zur Beute dem Raubgevögel zurückließ;
Führte dann liebend das liebende Weib zu seinem Palaste,
Opferte Rinder und Schaf' auf der Götter geweihten Altären
Und behängte die Tempel mit Gold und feinem Gewebe,
Weil er das große Werk, das unverhoffte, vollendet.
Jetzo segelten wir zugleich von Ilions Küste,
Menelaos und ich, vereint durch innige Freundschaft.
Aber am attischen Ufer, bei Sunions heiliger Spitze,
Siehe, da ward der Pilot des menelaischen Schiffes
Von den sanften Geschossen Apollons plötzlich getötet,
Haltend in seinen Händen das Steuer des laufenden Schiffes:
Phrontis, Onetors Sohn, der vor allen Erdebewohnern
Durch der Orkane Tumult ein Schiff zu lenken berühmt war.
Also ward Menelaos, wie sehr er auch eilte, verzögert,
Um den Freund zu begraben und Totengeschenke zu opfern.
Aber da nun auch jener, die dunkeln Wogen durchsegelnd,
Seine gerüsteten Schiffe zum hohen Gebirge Maleia
Hatte geführt, da verhängte der Gott weithallender Donner
Ihm die traurigste Fahrt, sandt ihm lautbrausende Stürme,
Und hoch wogten wie Berge die ungeheuren Gewässer.
Plötzlich zerstreut' er die Schiffe, die meisten verschlug er gen Kreta,
Wo der Kydonen Volk des Jardanos Ufer umwohnet.
An der gordynischen Grenz', im dunkelwogenden Meere,
Türmt sich ein glatter Fels den drängenden Fluten entgegen,
Die der gewaltige Süd an das linke Gebirge vor Phaistos
Stürmt; und der kleine Fels hemmt große brandende Fluten.
Dorthin kamen die meisten, und kaum entflohn dem Verderben
Noch die Männer, die Schiffe zerschlug an den Klippen die Brandung.
Aber die übrigen fünfe der blaugeschnäbelten Schiffe
Wurden von Sturm und Woge zum Strom Aigyptos getrieben.
Allda fuhr Menelaos bei unverständlichen Völkern
Mit den Schiffen umher, viel Gold und Schätze gewinnend.
Unterdessen verübte zu Haus Aigisthos die Schandtat,
Bracht Agamemnon um und zwang das Volk zum Gehorsam.
Sieben Jahre beherrscht' er die schätzereiche Mykene,
Aber im achten kam zum Verderben der edle Orestes
Von Athenai zurück und nahm von dem Meuchler Aigisthos
Blutige Rache, der ihm den herrlichen Vater ermordet;
Brachte dann mit dem Volk ein Opfer bei dem Begräbnis
Seiner abscheulichen Mutter und ihres feigen Aigisthos.
Eben den Tag kam auch der Rufer im Streit Menelaos
Mit unendlichen Schätzen, so viel die Schiffe nur trugen.
Auch du, Lieber, irre nicht lange fern von der Heimat,
Da du alle dein Gut und so unbändige Männer
In dem Palaste verließest, damit sie nicht alles verschlingen,
Deine Güter sich teilend, und fruchtlos ende die Reise!
Aber ich rate dir doch, zu Atreus' Sohn Menelaos
Hinzugehn, der neulich aus fernen Landen zurückkam,
Von entlegenen Völkern, woher kein Sterblicher jemals
Hoffen dürfte zu kommen, den Sturm und Woge so weithin
Über das Meer verschlugen, woher auch selbst nicht die Vögel
Fliegen können im Jahre, so furchtbar und weit ist die Reise!
Eil und gehe sogleich im Schiffe mit deinen Gefährten!
Oder willst du zu Lande, so fordere Wagen und Rosse,
Meine Söhne dazu; sie werden dich sicher gen Sparta
Führen, der prächtigen Stadt Menelaos' des bräunlichgelockten.
Aber du mußt ihm flehn, daß er die Wahrheit verkünde.
Lügen wird er nicht reden, denn er ist viel zu verständig!
Also sprach er. Da sank die Sonn und Dunkel erhob sich.
Drauf antwortete Zeus' blauäugichte Tochter Athene:
Wahrlich, o Greis, du hast mit vieler Weisheit geredet.
Aber schneidet jetzo die Zungen und mischet des Weines,
Daß wir Poseidaon und allen unsterblichen Göttern
Opfern und schlafen gehn; die Stunde gebeut uns zu ruhen;
Denn schon sinket das Licht in Dämmerung. Länger geziemt sich's
Nicht, am Mahle der Götter zu sitzen, sondern zu gehen.
Also die Tochter Zeus', und jene gehorchten der Rede.
Herolde gossen ihnen das Wasser über die Hände,
Jünglinge füllten die Kelche bis oben mit dem Getränke,
Teilten dann rechts herum die vollgegossenen Becher.
Und sie verbrannten die Zungen und opferten stehend des Weines.
Als sie ihr Opfer vollbracht und nach Verlangen getrunken,
Machte Athene sich auf und Telemachos, göttlich von Bildung,
Wieder von dannen zu gehn zu ihrem geräumigen Schiffe.
Aber Nestor verbot es mit diesen strafenden Worten:
Zeus verhüte doch dieses und alle unsterblichen Götter,
Daß ihr jetzo von mir zum schnellen Schiffe hinabgeht,
Gleich als wär ich ein Mann in Lumpen oder ein Bettler,
Der nicht viele Mäntel und weiche Decken besäße,
Für sich selber zum Lager und für besuchende Freunde!
Aber ich habe genug der Mäntel und prächtigen Decken!
Wahrlich nimmer gestatt ich des großen Mannes Odysseus
Sohne, auf dem Verdeck des Schiffes zu ruhen, solang ich
Lebe! Und dann auch werden noch Kinder bleiben im Hause,
Einen Gast zu bewirten, der meine Wohnung besuchet!
Drauf antwortete Zeus' blauäugichte Tochter Athene:
Edler Greis, du hast sehr wohl geredet, und gerne
Wird Telemachos dir gehorchen, denn es gebührt sich!
Dieser gehe denn jetzo mit dir zu deinem Palaste,
Dort zu ruhn. Allein ich muß zum schwärzlichen Schiffe
Gehen, unsere Freunde zu stärken und alles zu ordnen.
Denn von allen im Schiffe bin ich der einzige Alte;
Jünglinge sind die andern, die uns aus Liebe begleiten,
Allesamt von des edlen Telemachos blühendem Alter.
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