1 ...6 7 8 10 11 12 ...26 Vors. : Schleinitz gehört zum Militärverbande; wenn Sie gegen Schl. etwas haben, so müssen Sie es der Militärbehörde anzeigen. Geheimer Kommerzienrat Conrad: Er habe zur Unterdrückung von Angriffen gegen die Handelsgesellschaft 1200 Mark an Grünewald gezahlt.
Kaufmann Jaroczynski bekundete noch: Er habe immer mit Angst dem Freitag, an welchem Tage der »Unabhängige« erschien, entgegengesehen; denn obwohl er an Moser Zahlung geleistet hatte, habe dieser immer gesagt: »Heute stehen Sie noch nicht drin, Sie kommen erst nächsten Freitag dran.«
Am dritten Verhandlungstage erschien als Zeuge Generalagent Manfred Lewin . Er bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Eines Tages kam Hauptmann a.D. Frhr. v. Schleinitz zu mir mit der Mitteilung, ich werde nächstens im »Unabhängigen« besprochen werden, da ich zu der bei Dressel verkehrenden Wucher- und Spielergesellschaft gehöre. Als ich erwiderte, daß das eine grobe Lüge sei, bemerkte Schleinitz, das ist ja gleichgültig; es handelt sich ja nur darum, den Leuten des »Unabhängigen« etwas zuzuwenden und blamiert sind Sie dann doch. Ich entgegnete dem Schleinitz: Ich werde mich mit der Redaktion direkt in Verbindung setzen. Schleinitz erwiderte: Ich kann Ihnen nur raten, daß Sie sich vergleichen, sonst sind Sie blamiert. Es hat sich bereits eine sehr große Anzahl hochgestellter Leute losgekauft, zu diesen gehört auch Herr v. Bleichröder. Ich bemerkte dem Schleinitz: Ich werde der Redaktion Inserate in der Höhe von 100 Mark geben und diese 100 Mark im voraus bezahlen. Diese Proposition machte ich auch schriftlich der Redaktion, daraufhin erschien Schleinitz wieder bei mir und sagte mir: Grünewald könne meinen Vorschlag nicht akzeptieren, da von Personen, die besprochen werden sollen, Inserate nicht aufgenommen würden. Ich muß hierbei bemerken, daß ich nicht willens war, im »Unabhängigen« inserieren zu lassen, denn dadurch wäre ich bloß blamiert worden. Was würde also die Unterdrückung der Artikel kosten, fragte ich den Schleinitz. Nun, es kommt darauf an, antwortete dieser. Sie, der Sie ein sehr luxuriöses Leben führen, Champagner trinken usw., dürften unter 1000 Mark nicht davonkommen. 1000 Mark, versetzte ich, das ist sehr viel; 500 Mark würde ich geben. Darauf wird wohl Grünewald nicht eingehen; ich will aber einmal sehen, was sich machen läßt, antwortete Schleinitz. Am folgenden Tage kam Schleinitz wieder zu mir und sagte: Ich habe Sie doch zu niedrig geschätzt; Grünewald verlangt 5000 Mark. Sie irren sich wohl, versetzte ich, Sie meinen wohl 500 Mark. Mein bester Herr Lewin, wenn Sie sich zur Zahlung der 5000 Mark nicht entschließen, dann stehen Sie in der nächsten Nummer des »Unabhängigen«, bemerkte v. Schleinitz. Ich begab mich nunmehr zu Grünewald. Dieser hatte zunächst keine Zeit; er ließ mich sehr lange warten, endlich sagte er zu mir, nachdem ich ihm mein Anliegen vorgetragen: Schleinitz habe von ihm keinen Auftrag. Im übrigen lasse sich die Redaktion des »Unabhängigen« nicht bestechen. (Große allgemeine Heiterkeit, in die selbst die Richter und der Staatsanwalt einstimmten.) Die Artikel werden nicht geschrieben, um Geld zu erhalten, sondern um die Moral in Berlin zu heben. (Große anhaltende Heiterkeit, in die der Gerichtshof, der Staatsanwalt und die Verteidiger einstimmten.)
Vors. : Die Moral hörte auf in dem Moment, wo Geld gezahlt wurde?
Zeuge : Sehr richtig, Herr Präsident; als ich dem G. sagte, daß doch alles, was er gegen mich schreiben wolle, pure Erfindung sei, erwiderte er wiederum: Das wird sich finden, wir wissen ganz genau, daß Sie auch zu der Gesellschaft gehören. Nun sagte ich zu G.: Wenn ich mir nicht anders helfen kann, so werde ich Ihnen die Knochen entzweischlagen. G. erwiderte mir: Er habe mit der Sache eigentlich nichts zu tun, ich solle zu Moser gehen, dieser habe das Material geliefert und auch den bereits im Fahnenabzug fertiggestellten Artikel geschrieben. Ich ging nun zu Moser und dieser sagte mir: Wenn ich 150 Mark zahle, dann sei die Sache tot. Ich zahlte 100 Mark, angeblich behufs Insertion. Bald darauf hörte ich, daß die ganze Angelegenheit zur behördlichen Anzeige gekommen ist. Ich forderte deshalb von Moser die 100 Mark zurück und erhielt sie auch.
Der folgende Erpressungsfall war gegen einen Freiherrn v. Prittwitz gerichtet. Letzterer bekundete als Zeuge. Ich wurde eines Tages von dem mir bekannten Hauptmann a.D. Freiherrn v. Schleinitz darauf aufmerksam gemacht, daß ich nächstens im »Unabhängigen« besprochen werden solle. Da mein Gewissen rein war, sagte ich dem Schleinitz: Das ist mir sehr gleichgültig; Schlechtes können die Leute nicht über mich schreiben. Schleinitz erwiderte: Auf Wahrheit komme es den Redakteuren des »Unabhängigen« wenig an. Wenn ich nicht blamiert werden wolle, so solle ich mich loskaufen. Ich lehnte ein solches Ansinnen entschieden ab, und nun erschien eine Reihe von Schmähartikeln mit dem steten Vermerk »Fortsetzung folgt« gegen mich. Ich wurde des unerlaubten Glücksspiels und aller möglichen Untaten beschuldigt. Die betreffenden Zeitungsexemplare wurden mir, blau angestrichen, per Kreuzband, aber auch in gleicher Weise allen meinen Verwandten, Bekannten usw. zugeschickt. Ich hatte zur Zeit bei dem Amtsgericht zu Breslau einen Zivilprozeß. Anläßlich dessen schickte man die betreffenden Zeitungsexemplare an die Rechtsanwälte meiner Gegner. Da die Angriffe nicht aufhörten, so begab ich mich in die Redaktion des »Unabhängigen«; dort traf ich bloß Moser an. Dieser sagte mir, er habe mit der Sache nichts zu tun, das sei Sache Grünewalds, aber das könne er mir sagen, wenn ich die Artikel unterdrücken wolle, dann gebe es nur ein Mittel, das sei: Zahlen. Ich fragte, wieviel ich denn zahlen solle? Mit 1000 Mark würde sich wohl Grünewald begnügen, antwortete Moser. Aber sagen Sie einmal, wie komme ich denn dazu, 1000 Mark zu zahlen? Die gegen mich erhobenen Beschuldigungen sind ja doch die pure Erfindung. Ja, das ist vollständig gleichgültig, versetzte Moser; da hilft Ihnen auch kein Klagen; Grünewald steht mit der Polizei, Staatsanwaltschaft, ja selbst mit den höchsten Regierungskreisen in Verbindung. Dann bleibt nichts weiter übrig, als solch einem Kerl die Knochen entzweizuschlagen, erwiderte ich. Sie werden sich doch nicht an einer lebenden Leiche vergreifen, sagte Moser, und was haben Sie davon? Sie werden wegen schwerer Körperverletzung bestraft, die Artikel erscheinen weiter und die Sache kommt immer mehr in die Öffentlichkeit. Nach noch längeren Verhandlungen verstand ich mich schließlich zur Ausstellung eines Wechsels von 1400 Mark, den ich jedoch nicht sogleich einlöste. Einige Zeit darauf traf mich Moser in einer Konditorei. Er kam zu mir heran und sagte mir, er habe mit G. den größten Ärger; wenn ich den Wechsel nicht bald einlöse, dann erscheinen die Artikel weiter. Ich versprach, sehr bald zu zahlen. Einige Tage darauf wurde Grünewald und Genossen verhaftet, und ich erhielt meinen Wechsel zurück. Bemerken will ich noch, daß ich gleich nach dem Erscheinen des ersten Artikels zu dem Kriminalkommissar Höft ging. Dieser sagte mir jedoch: Er sei in der Sache bereits tätig gewesen; vorläufig lasse sich aber von Amts wegen noch gar nichts tun.
Hoftraiteur Olbrich : Mir wurde eines Tages von Sawatzki Mitteilung gemacht, daß nach einer Notiz im »Unabhängigen« mein und das Dresselsche Lokal nächstens besprochen werden sollen. Sawatzki riet mir, mich behufs Unterdrückung des Artikels mit Schleinitz in Verbindung zu setzen. Ich tat dies. Sch. verlangte für die Unterdrückung 1000 Mark. Nach längerer Verhandlung zahlte ich diese und erhielt auch eine von Sponholz geschriebene Quittung über die 1000 Mark. Auch erfolgte im »Unabhängigen« ein Widerruf. Ich bin überzeugt, daß Sawatzki nur aus freundschaftlichem Interesse mir den erwähnten Rat gegeben hat.
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