Kaufmann Jaroczynski : Dr. Vogelsang sagte mir eines Tages, ich sei im »Unabhängigen« angegriffen, ich solle die Exemplare aufkaufen. Ich kaufte eine sehr große Anzahl, am nächsten Dienstag erschien aber eine neue Auflage. Am folgenden Tage kam mein Sohn, der damals Sekundaner des Askanischen Gymnasiums war, aus der Schule und sagte: »Papa, ich muß von diesem Gymnasium weg; meine Mitschüler verhöhnen mich, da du im ›Unabhängigen‹ gestanden hast.« Ich suchte den Knaben zu beruhigen; dieser wiederholte aber am folgenden Tage seine Klagen, denen ich schließlich Gehör gab. Ich meldete meinen Sohn an einem anderen Gymnasium an. Da die Angriffe nicht aufhörten, wurde mir geraten, mich an Moser zu wenden. Dieser sagte, ich solle zu Grünewald gehen, aber Bitten sei bei Grünewald vollständig nutzlos. Grünewald kennt weder Mitleid noch Erbarmen, sondern nur Geld. Ich erwiderte: Ich habe sehr viel Geld an der Börse verloren, ich bin augenblicklich außerstande, etwas zu geben. Moser versetzte: Veranlassen Sie doch Seelig, der in dem Artikel auch angegriffen ist, etwas zu bezahlen. Ich begab mich zu Seelig. Es gelang mir schließlich, Seelig zu bewegen, mit Grünewald eine Zusammenkunft anzubahnen. Die Zusammenkunft fand in der Wohnung des Moser statt.
Bankier Seelig bestätigte diese Bekundungen und äußerte: Als ich zu Moser kam, war Grünewald bereits anwesend. Grünewald begann die Unterhaltung, indem er erzählte: Er habe Beziehungen zum königlichen Hofe und zur Staatsanwaltschaft. Letzterer müsse er alle Artikel vor dem Erscheinen vorlegen. Ich habe von alledem selbstverständlich kein Wort geglaubt. Ich habe mich aber zur Zahlung von 1000 Mark verstanden, als der »Unabhängige« durch erlogene verleumderische Artikel Angriffe gegen mein Privatleben brachte und diese Artikel meiner Frau zuschickte. Ich wunderte mich, daß die Redaktion des »Unabhängigen« alle innersten Geschäftsgeheimnisse von mir kannte. Ich hörte, daß ein Herr Hennig, der bei mir einmal im Geschäft gewesen sein soll, Redaktionsmitglied sei. Dieser Herr Hennig war der Angeklagte Sponholz. Dieser wurde mir eines Tages von dem Kommissionsrat Limann mit dem Bemerken zugeführt: »Hier ist ein junger, unverschuldet ins Unglück geratener Kaufmann, ein Familienvater, den ich einige Zeit mit Abschreiben beschäftigt habe. Vielleicht haben Sie für diesen ordentlichen Menschen eine passende Beschäftigung.« Ich engagierte Sponholz. Einige Zeit darauf kam jedoch Kommissionsrat Limann wieder zu mir mit dem Bemerken: »Ich habe Ihnen einen ganz unwürdigen Menschen empfohlen. Sponholz, dem ich mein volles Vertrauen geschenkt, hat mich schmählich hintergangen, indem er sich eine Abschrift von meinen Kunden machte und diese zu deren Schaden mißbrauchte.« Ich zahlte dem Sponholz sofort sein volles Quartalsgehalt und entließ ihn.
Sponholz bezeichnete die Angaben des Kommissionsrats Limann als unwahr. Auf Befragen des Vorsitzenden, weshalb er sich Hennig genannt habe, erwiderte Sponholz: Grünewald habe ihm lediglich dem Wasinski gegenüber als Hennig vorgestellt, da dieser mit aller Gewalt die Namen des Bureaupersonals vom »Unabhängigen« wissen wollte.
Kriminalkommissar Höft : Nachdem ich im Auftrage des Chefs der Kriminalpolizei, Regierungsrats Grafen Pückler, Grünewald, Moser und Sponholz verhaftet hatte, hielt ich im Redaktionsbureau des »Unabhängigen« Haussuchung und fand einen von Damenhand geschriebenen Brief, welcher lautete: »Ich bitte Sie dringend, lassen Sie genug sein des grausamen Spiels, und machen Sie mich, meinen Mann und meine Kinder nicht noch unglücklicher, als Sie es durch Ihre Schreibereien schon getan haben.« Das Schreiben trug keine Unterschrift. In dem sogenannten geheimen Fach fand ich ein von dritter Hand geschriebenes, von Grünewald unterschriebenes Schriftstück, in welchem G. an Eidesstatt versicherte, daß er für die Unterdrückung der gegen einen hiesigen Bankier jüdischen Glaubens von dem Redakteur der Ostend-Zeitung, Ruppel, ins Werk gesetzten Artikel durch Zahlung von noch weiteren tausend Mark an Ruppel Sorge tragen werde. Als die Verhaftung der Grünewald, Moser, Sponholz durch die Zeitungen bekannt wurde, machte Pflüg in Lübeck Anzeige, in welcher Folge ich den Auftrag erhielt, auch Lodomez, dessen Freundschaft mit dem Hauptmann a.D.v. Schleinitz mir bekannt war und von dem ich wußte, daß er schon seit Jahren kein sicheres Einkommen hat, zu verhaften.
Rentier Seemann (Hannover) erzählte ebenfalls den gegen ihn verübten Erpressungsfall. Moser habe absolut keine Forderung an ihn gehabt.
Moser behauptete, der Zeuge habe große Glücksspiele in seiner Wohnung entriert und unsaubere Wechselgeschäfte mit jungen Offizieren in Hannover gemacht.
Der Zeuge bezeichnete diese Behauptung als Erfindung.
Angekl. : Seemann ist Anfang der 1870er Jahre der Spielerangelegenheit wegen verhaftet gewesen und nur gegen hohe Kaution entlassen worden.
Seemann : Das ist eine grobe Lüge.
Vors. : Verlangen Sie, daß ich die Sache vertage, Moser, und die Akten mir aus Hannover kommen lassen soll?
Seemann : Wenn Sie das täten, Herr Präsident, dann würden Sie sehen, daß Moser gänzlich die Unwahrheit sagt.
Moser : Die Verhaftung vermute ich bloß, aber die Sache mit der Kaution weiß ich positiv. (Heiterkeit im Zuhörerraum.)
Vors. : Es ist frech von Ihnen, daß Sie sich erlauben, eine bloße Vermutung hier als positive Behauptung aufzustellen.
Bei dem nunmehr folgenden Erpressungsfall Eccardt bemerkte Grünewald: Er kenne den Eccardt gar nicht und habe in keiner Weise einen Erpressungsversuch gegen diesen unternommen. Sawatzki erklärte sich ebenfalls für nichtschuldig; er sei selbst um 500 Mark von dem Freiherrn v. Schleinitz geprellt worden. Er wollte dem Eccardt nur aus persönlicher Freundschaft raten, sich mit Schleinitz behufs Unterdrückung der Angriffe im »Unabhängigen« in Verbindung zu setzen.
Kaufmann Eccardt bestätigte das.
Alsdann gelangte der Erpressungsfall gegen den Grafen v. Grabowski zur Verhandlung. Die Angeklagten Grünewald und Moser bestritten, sich hierbei strafbar gemacht zu haben. Als sie einsahen, daß der angegriffene Graf Grabowski nicht mit dem Grafen v. Götzendorf-Grabowski, sondern mit einem anderen Grafen v. Grabowski in Wien identisch sei, haben sie eine vom ersteren gewünschte Berichtigung aufgenommen.
Graf Grabowski, so erzählte Moser, habe ihm ohne weiteres dafür 500 Mark gegeben; er habe dies Geld, das er an Grünewald abgeführt, nicht von dem Grafen gefordert.
Grünewald : Ich habe die 500 M. von Moser nicht erhalten.
Moser blieb bei seiner Behauptung.
Dr. Vogelsang bestritt, sich in dieser Angelegenheit einer Erpressung schuldig gemacht zu haben.
Graf v. Götzendorf-Grabowski: Er habe lange Zeit die Schmähartikel unbeachtet gelassen, ganz besonders, weil er nicht ganz bestimmt darin bezeichnet war. Als letzteres jedoch geschah, sei er in die Redaktion des »Unabhängigen« gegangen und habe dort Moser gebeten, von weiteren Artikeln Abstand zu nehmen. Er habe 300 Mark geboten, Moser habe ihm jedoch bemerkt, Grünewald verlange 1000 Mark. Als er (Zeuge) antwortete, daß er höchstens 500 Mark geben werde, sei M. zu G. gegangen, um diesen zu befragen. M. kehrte bald darauf zurück mit dem Bemerken, daß G. sich mit den 500 Mark einverstanden erkläre.
Kaufmann Fränkel, der ehemalige Kompagnon des Freiherrn v. Schleinitz, bemerkte: Schleinitz habe ihm nachträglich durch seine Tochter einen eingeschriebenen Brief gesandt, in welchem er ihn aufforderte, ihm 500 Mark zu geben, widrigenfalls er ihn denunzieren würde. Er glaube, dies dem Gerichtshofe mitteilen zu müssen.
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