„Warum passiert so etwas immer nur in unserer Familie?“
Diese Stimme, verfolgt mich den ganzen Tag.
Worte, Worte, die ich nicht finde.
Worte, die ich innerlich sehe.
Worte, die nicht über meine Lippen kommen.
Worte, die jede Unterhaltung zerstören.
Diese Träume, diese Stimme, diese fehlenden Worte,
sie alle lassen meinen Tag zum Albtraum werden.
Tränen kommen, Tränen gehen.
Sehnsucht macht sich breit.
Sehnsucht nach Erleichterung.
Am Ende bin ich wieder
- kraftlos & müde -
Dienstag habe ich nun das Vorgespräch in der Klinik.
Stationäre Klinik.
Die Spannung und Nervosität steigt, und steigt.
Irgendwie habe ich schon etwas Bammel davor.
O.K. Es ist meine eigene Entscheidung,
klar, auf Anraten der Therapeutin.
Habe mir extra eine Klinik mit Schwerpunkt
Depression und Burn-Out ausgesucht.
Ist nicht ganz weit entfernt.
Für Besuch schnell erreichbar.
Soweit so gut.
Aber in dem Vorgespräch heißt es mal wieder
sich seelisch komplett auszuziehen,
nackt da zu stehen,
von dem Gegenüber angeglotzt zu werden.
Wieder diese scheiß Gedanken:
- Darf meine Frau da mit rein, oder bin ich alleine?
- Was muss ich denen alles wieder erzählen?
- Halte ich das durch, oder fange ich wieder an zu heulen?
- Die halten mich doch bestimmt nur für einen
Simulanten.
- Wenns klappt, hoffentlich muss ich dann nicht zu lange
warten.
- ist das denn wirklich der richtige Weg?
- ...
Wahrscheinlich wird alles halb so schlimm und klappt bestimmt.
Aber mein Gefühl glaubt das mal wieder nicht.
Typisch, wie immer.
Und nun gehts ins Bett.
Ich bin
- kraftlos & müde -
Himmelhoch jauchzend / zu Tode betrübt
War heute Morgen in der Klinik, zum Vorgespräch.
Alle dort, die wir trafen, waren sehr nett.
Das Gespräch mit der Therapeutin war emotionsgeladen, aber sehr gut.
Ich darf kommen. Yeah.
Wartezeiten sind zurzeit recht kurz,
kann wahrscheinlich schon in zwei bis drei Wochen hin.
Meine Bedenken vorher waren mal wieder völliger Schwachsinn.
Ich freue mich wirklich.
Habe schon alle Fragebögen, Informationsunterlagen, etc. mitbekommen.
Habe mich heute Nachmittag auch schon darüber hergemacht.
Und wieder kamen bei einigen Fragen Erinnerungen und Tränen.
Mittendrin die Nachricht vom Tod eines Onkels meiner Frau.
Boing!
Ey wie passend, hatte gerade die Fragen zum Suizid vor mir.
Gefühl? (warum er und nicht ich?)
Natürlich tut mir das leid, mir tun die Zurückgebliebenen sehr leid.
Aber ein echtes Gefühl der Trauer, des Betroffen seins?
Nichts, gar nichts.
Warum nicht?
Ich verstehe das nicht.
Hass kommt auf, Hass gegen mich!
Und wieder mal bin ich
- kraftlos & müde -
OK.,
ich habe den Platz in der Klinik.
Ich bin sehr froh.
Es keimt ein wenig Hoffnung.
Doch dieses zarte Pflänzchen wird beim Ausfüllen der Formulare schon sehr getreten.
Diese Fragen:
„Wie war Ihre Mutter?“,
„Wie war Ihr Vater“,
„Wie ist Ihr Verhältnis zu Mutter/Vater/Geschwister?“
„Führen Sie ihre Ängste auf“
...
lösen so viel in mir aus.
Wecken so viele Erinnerungen.
Erinnerungen, die ich glaubte, in der Reha im letzten Sommer verarbeitet zu haben.
Erinnerungen, die wieder Träume auslösen.
Erinnerungen, die mich wütend und unheimlich traurig machen.
- kraftlos & müde -
lege ich den Fragebogen wieder beiseite.
Hallo Schicksal, hast Du Dich vertan?
Oder ist es wirklich wahr?
Meinst Du es dieses Jahr wirklich gut mit mir,
mit uns?
Ich kann es kaum fassen.
Vor zweieinhalb Wochen erst, hat meine Therapeutin mir einen Klinikaufenthalt angeraten.
Die Ärzte stimmten dem voll und ganz zu.
Ich auch.
Letzte Woche war ich noch voller Zweifel.
Vorgestern dann das Vorgespräch.
Eben gerade ein Anruf von der Klinik.
Montag ist schon Aufnahme!
Ja, richtig, in vier Tagen bin ich schon da.
Ich bin noch total fassungslos.
Ich glaube immer noch, dass ich träume.
Das Pflänzchen „Hoffnung“ rappelt sich gerade wieder auf.
Ist sogar schon wieder ein ganz kleines bisschen gewachsen.
Heute Morgen mal nicht
- kraftlos & müde -
Heute Morgen habe ich endlich mal wieder etwas Glück spüren dürfen.
Glück und Hoffnung.
Ich so: „Yeah, jetzt geht’s endlich bergauf.“
Das Leben so: „Nö“.
Ich: „Doch, möchte ich aber“.
Leben: „Nöhö“.
Die Versprechen mancher Menschen
sind wie Blinker eines Autos:
„ja“ - „nein“ - „ja“ - „nein“.
Verarschen kann ich mich auch alleine.
Und schon bin ich wieder
- kraftlos & müde -
Habe heute mal versucht nen Burnout,
also meinen Burnout austricksen.
Es geht nicht.
Keine Chance.
Jeder Versuch ist strafbar.
Das Ding zahlt es dir heim.
Wollte nur mein Büro in einen anderen Raum umziehen.
Habe mir vorher gesagt,
dass ich nur mit anpacken brauche.
Die Hauptarbeit hat ein Freund gemacht.
Unsere Frauen und meine Tochter
haben die Schränke ausgeräumt etc.
Ich musste echt „nur“ mit anpacken.
Burni, also mein Burnout, war das völlig egal.
Kurz nachdem die Helfer gefahren waren,
ging es los.
Burni gab alles.
Schüttelfrost, Schweißausbrüche,
Sodbrennen, Heulkrampf,
Tinnitus-Lautstärke voll aufgedreht,
gefesselt am Stuhl,
unfähig einen Satz geradeaus zu sprechen,
alles zusammen, alles gleichzeitig.
Gedanken, die ich nicht steuern kann.
Konnte mich nicht bewegen.
Jetzt, ein paar Stunden später,
ich liege im Bett,
Schlafen? Nö.
Schreiben? klappt.
Denken? Ja, alles quer durcheinander.
Vorwürfe? Jau, auch da: „Nix kannste mehr“...
Burni kann man nicht austricksen.
Ein Versuch mach dich:
- kraftlos & müde -
Heute, am 28 Januar 2017 gegen 05:15 Uhr
ist mein Schwiegervater seiner Alzheimer-Krankheit erlegen.
Es ist gut, wie es ist.
Tod oder Erlösung.
Trauer oder Erleichterung.
Erwartet und doch unverhofft.
Ersehnt und doch nicht gewollt.
Still und leise, allein für sich .
In Ruhe und Frieden.
Klaglos eingeschlafen,
ohne künstliches Zurückhalten.
Wir sehen uns wieder,
in Walhalla, im Himmel, im Paradies
Mir wird gerade alles zu viel.
Der Tod, die Klinik,
die Trauer,
die Hoffnung.
Was ist wirklich da?
Wer ist wirklich da?
Was ist Realität?
Was ist Traum?
Was ist Wunsch?
Ich weiß es nicht.
Was ist richtig, was ist falsch?
Wer bin ich?
Ich weiß es nicht.
Trauer, Hoffnung, Hass,
Verzweiflung, abgespannt.
Alles durcheinander.
Wirrwarr im Kopf, Wirrwarr im Herzen.
Soll ich bleiben oder gehen?
Dunkel, alles ist Dunkel.
Tiefschwarz und Dunkel.
Gefühle drehen sich wie im Wirbel.
Schnell, schneller, immer schneller.
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