Xaith unterdrückte ein Schmunzeln, die beiden konnten rumalbern wie Kinder.
»Dann heißt meiner Der Baron «, verkündete er und sah zu Sarsar, dessen weiße Augen freudig funkelten.
»Lord«, rief Riath entschlossen, »meiner soll Lord heißen.«
May entschied: »Fürst.«
Erwartungsvoll blickten die Geschwister zu Vaaks, er durch die ganze Aufmerksamkeit plötzlich zu schrumpfen schien. Zumindest versuchte er es, indem er den Kopf einzog. Hilfesuchend blickte er zu Fenjin, der jedoch nur ratlos mit den Schultern zuckte.
»Wie wäre es denn mit Prinz «, schlug der König vor, »um nicht aus der Reihe zu tanzen.«
Vaaks schien erleichtert, dass der König ihm die Entscheidung leicht machte, er nickte zustimmend. »Prinz ist perfekt.«
Ja, dachte Xaith bei sich, die Hauptsache war, er nannte das Pferd nicht Fenjin oder Jin.
Alles, nur das nicht!
»Dann ist das beschlossen.« Der König nickte zufrieden und wollte sich abwenden, als er mitten in der Bewegung stockte und sich doch noch einmal zu allen umdrehte. »Ach ja, macht euch bis zum Abendessen gut mit ihnen vertraut. Wie ihr wisst, reisen Wexmell und ich morgen nach Elkanasai wegen der Erneuerung des Friedensabkommens, und wir haben entschieden, euch mitzunehmen. Diese Pferde werden in den nächsten Wochen zu unermesslichem Wert für euch werden, also gewinnt ihr Vertrauen.«
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging davon. Wexmell lächelte ihnen allen noch einmal aufmunternd zu, dann folgte er dem König. Seite an Seite verließen sie den Reitplatz durch den Stall.
May ritt hinüber zu Sarsar und freute sich über das Vertrauen des Königs. Endlich durften sie mit ihm auf Reisen gehen. Fenjin starrte Vaaks an, als hätte er ihm offenbart, nicht mehr sein Freund sein zu wollen. Vaaks schien ratlos.
Xaith wusste, dass der König keinen einzigen von ihnen unter anderen Umständen mit in das Kaiserreich der Spitzohren, nach Elkanasai, genommen hätte, wäre nicht dieser … Vorfall geschehen. Nun konnte ihr Vater sie nicht unbeaufsichtigt zurücklassen, er musste sie allesamt mitnehmen. Wegen ihm, wegen Xaith.
Stöhnend kam Riath auf die Beine und klopfte sich Staub und Holzsplitter von den Kleidern. Er trat neben Xaith, seinen Hengst am Strick führend.
»Warum ausgerechnet der Fuchs?«, wollte er wissen. »So wie Ahgi über ihn sprach, reicht er höchstens für ein üppiges Abendmahl.«
»Eben deshalb«, erklärte Xaith und ließ den Hengst den Duft seiner Finger erkunden, »weil ihn sonst niemand will.«
Das hatten sie gemeinsam.
Magie besaß etwas … Wunderschönes.
Cohen konnte nur staunen, als der schwarze Nebel wie dutzende Flussarme auf einer Landkarte aus Bellzazar herausströmte und sich in alle Himmelsrichtungen ausstreckte. Wie ein Baum, aus dem schwarze, knochige Äste wuchsen, saß Zazar vor der Kulisse des silbernen Risses, leicht nach vorne gekrümmt und sein Umhang und Hemd flatternd als wütete ein Sturm unter seiner Kleidung.
Die Magie knisterte so stark in der Luft, dass Cohen sie auf der Haut spüren konnte. Ein heftiges Prickeln, das ihm überall am Körper eine Gänsehaut bescherte. Es war beinahe, wie erregt zu sein, die Haut wurde ganz empfindlich, könnte er fühlen, wäre selbst der sanfte Wind im Wald und die kaum zu spürende Feuchtigkeit aus dem weichen Boden zu viel für ihn gewesen. Sein Bewusstsein hingegen spürte umso mehr, es schien auf einer flauschigen Wolke gebettet zu schweben, während das Kribbeln in seinem Magen anschwoll und sich in seinem gesamten Körper ausbreitete. Ein ganz leichtes Zittern ging durch seinen Leib und erweckte eine altbekannte Unruhe in ihm zum Leben.
Jeder Mann kannte das Gefühl, den steigenden Druck im Unterleib, das Prickeln in den Lenden. Nein, noch keine Hitze, nur das kleine Flämmchen, das auflodert, wenn man zum Beispiel an etwas Sinnliches dachte oder einem Menschen begegnete, den man anziehend fand. Noch lange kein Inferno, aber doch war die Flamme da und brannte immer heller, wenn man sich nicht schnell mit etwas anderem ablenkte. Diese Art von Unruhe, die einen auf dem Stuhl herumrutschen ließ und die Fantasie anregte. Ganz gleich wo man sich befand und ob man gerade Zeit hatte, sich dem Problem anzunehmen.
Dies war dunkle Magie, dämonische Macht, die die Luft verdickte und wie kurz vor dem Ausbrechen eines Sturms knisterte. Die einen Mann unruhig und kopflos werden lassen konnte.
Und doch, obwohl Cohen wusste, dass diese Macht dämonischen Ursprungs war, musste er sich selbst eingestehen, dass der schwarze Nebel, der sich vor seinem Auge wie ein selbstständiges Lebewesen durch den Wald schlängelte und in den Riss fuhr, eine gewisse Faszination ausübte.
Das überraschte ihn jedoch nicht, er kannte Bellzazar schließlich schon etwas länger, und es war nicht nur seine Magie, die faszinieren konnte, sondern auch er selbst. Der Mann – das Wesen, das er war. Geboren als Kind einer Göttin und eines Dämonenfürsten, mächtig genug, Götter zu vernichten, immer mit einem Fuß auf der Seite des Bösen, und am Ende doch ein Märtyrer, der sich opferte, um die Seele seines Bruders zu befreien. Ja, Bellzazar war auf seine undurchschaubare Art ebenso faszinierend wie es die dunkle Macht war, die er besaß.
Als die Äste aus schwarzem Nebel den Riss ausfüllten und sich um ihn geschlungen hatten, setzte plötzlich ein Sog im Wald ein, der alles in das Portal ziehen wollte. Nur Cohen nicht.
Ein lauter Knall ließ ihn zusammenzucken, dann wurde er von einem grellen Licht geblendet und er hob die Arme, um sein Auge abzuschirmen.
Es rauschte laut in seinen Ohren, doch er glaubte, über das Tosen des Sogs hinweg Bellzazar brüllen zu hören.
»Zazar!«, rief er und stemmte sich gegen das Licht, als wäre er in einen Schneesturm geraten. Das Rauschen in seinen Ohren nahm zu und er konnte noch immer nicht sehen.
Was, bei den verdammten Göttern, geschah hier bloß?
Und dann wurde er zurückgestoßen, als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Er taumelte einige Schritte rückwärts und schüttelte benommen den Kopf. Urplötzlich war es grabesstill im Wald, das Rauschen war verschwunden, nicht einmal ein Vogel zwitscherte, noch rasselte ein Blatt.
Zögerlich nahm Cohen den Arm runter und blinzelte. Das grelle, weiße Licht hätte ihn beinahe auf seinem zweiten Auge blind werden lassen.
Der Riss war verschwunden, nichts erinnerte mehr an ihn, außer die Krater, die sich durch das Beben im Wald aufgetan hatten.
Und Bellzazar hatte sich in Nichts aufgelöst.
Furcht erfasste Cohens Herz mit eiskalter Faust. Mit aufgeklapptem Mund rannte er los, zu der Stelle, wo Bellzazar eben noch gesessen hatte. Ihm war danach, den verdammten Unterweltfürst zu verfluchen. Das hatte er sich ja mal wieder großartig ausgedacht, Cohen so zu verarschen und sich heimlich mit großem Tamtam aus dem Staub zu machen …
Beinahe wäre er wegen seines Fluchens über das Fellknäuel gestolpert, das im plattgedrückten Moos lag.
Cohen legte den Kopf schief und ging in die Hocke. Ein Lichtspeer fiel auf das schwarze, struppige Fell des Wolfes. Er war ganz klein, nur ein Jungtier, und hatte sich zu einem Kringel zusammengerollt. Seine Rute bedeckte sein Gesicht, seine Ohren waren beigelegt, er schlief und seine Brust hob und senkte sich unter schnellen, kurzen Atemzügen, als hätte er einen Alptraum.
Cohen wusste, wer vor ihm lag. Er hatte Bellzazar Unrecht getan, denn dieser hatte ihn gar nicht zurückgelassen.
Seufzend hob er den Welpen im Nackenfell hoch und nahm ihn auf den Arm. »Na komm, suchen wir uns einen Unterschlupf, Zazar.«
»Wie geht es ihm?«
Der Druide sah auf, die schwarze Kapuze seines dünnen Umhangs war groß genug, um sein Gesicht zu verhüllen, doch die großen kreisrunden Augen schimmerten aus dem Schatten unter dem Stoff hervor.
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