„Dann unterschreiben Sie doch bitte hier in meinem Büchlein.“
Martina nahm, beinahe mit einem professionellen Lächeln das Büchlein in die Hand und kritzelte unleserlich einen Namen in das Buch. Alle Beteiligten lächelten wohlwollend und strahlten sich an.
„Einen schönen Aufenthalt dann noch in unserem Städtchen“, zwitscherte die Dame. Im Hinausgehen drehte sie sich noch einmal um und sagte laut:
„Ach ja und alles Gute mit Ihrem zweiten Baby, Frau Schöneberger!“
Dieses Mal war ich es, die sich am Kaffee verschluckte, aber nur, um ihn nicht über den Tisch zu prusten …. Wie gesagt, in unserem Café ist immer etwas Außergewöhnliches geschehen und nun wusste auch ich wenigstens, an wen Martina mich die ganze Zeit erinnerte ...!
Die Qual der Schlaflosigkeit
In unserem Bekannten, Freundes, und Nachbarschaftskreis gibt es bereits die ersten Rentenanwärter. Generation 60+ eben.
Je nach Berufszweig machte sich in der Vergangenheit der eine oder andere von ihnen gegen sechs Uhr früh mit lautstarkem „Türenschlagen oder Gartentor zuwerfen“ auf den Weg zur Arbeit. Wer dann aus dem morgendlichen Schlaf hochschreckte, wusste auch ohne auf die Uhr zu sehen, dass innerhalb der nächsten Viertelstunde der eigene Wecker schellen würde…
In der Hoffnung, dass dieses „ frühmorgendliche Spektaculum“ nun der Vergangenheit angehören würde, genossen wir die nachfolgenden Wochen und gewöhnten uns an ruhigere Zeiten.
Leider hielt dieser Zustand nicht lange vor. Im Gegenteil, es schien, als würden die „ Neuruheständler “ nach einer persönlichen Planungs- oder Orientierungsphase noch einmal richtig aufdrehen.
Es wurden plötzlich scheinbar all die Dinge erledigt, die in den vergangenen Jahren liegengeblieben waren. Zwischenzeitlich wurden auch schon mal partnerschaftliche Meinungsverschiedenheiten lautstark austragen, die sich aufgrund der neuen – sagen wir mal „ Renten-Hyperaktivität “ zwangsläufig ergaben…
Die gute alte Teppichstange wurde wiederentdeckt.
Fußmatten, Teppichbrücken oder Uralt-Teppiche aus Partykellern, Dachböden oder sonst woher hervorgekramt, ins Freie geschleppt und vom Staub, wie vertrockneten Motten der letzten zehn Jahre befreit. Dachböden, Keller und Vorratskammern wurden entrümpelt, wobei von früh bis spät Mülleimerdeckel zuknallten, dass man vor Schreck beinahe vom Liegestuhl oder aus dem Bett fiel. Das „ Herzinfarktpotential “ der umliegenden Nachbarn stieg drastisch an.
Hämmern, sägen, flexen, oder häxeln waren Tagesprogramm. Elektrogeräte, die in die Jahre gekommen waren und bislang ein Schattendasein im Gartenschuppen, den Garagen oder Kellern geführt hatten, wurden hervorgekramt und selbstverständlich auch eingesetzt! Die Lebensqualität der arbeitenden Nachbarn wurde empfindlich gestört. Der normale Menschenverstand wie das Zeitempfinden schienen im neu erwachten Arbeitseifer auf der Strecke geblieben zu sein.
Im Eifer des Arbeitsgefechts kam es durchaus vor, dass bis zum späten Abend Rasentrimmer surrten oder die Kettensäge lief. Das war jedoch leider noch lange nicht der Höhepunkt neu erwachter Arbeitslust – es kam noch schlimmer:
Samstagmorgens vor halb acht starte einer der „ ruhelosen Nachbarschaftsgeister “ seinen Hochdruckreiniger. Der Arbeitseifer steckte an. Die Geräuschkulisse steigerte sich nach zehn Minuten plötzlich, als der erste Rasenmäher anlief. Der zweite, sagen wir mal „ bettflüchtige Jungrentner “ schlug zu.Verärgert rissen die ersten umliegenden Nachbarn ihre Jalousien hoch und nachzusehen, wer uns freundlicherweise, unsanft wie rücksichtslos zu dieser frühen Stunde weckte. Es waren tatsächlich zwei unserer „Neurentner“…
Freundlich grinsend winkte einer der beiden zu uns rüber - offensichtlich hocherfreut, dass man seinen Arbeitseifer zur Kenntnis nahm.
In diesem Augenblick traf uns der Blitz der Erkenntnis:
Es gibt ihn wirklich, „den Mythos der senilen Bettflucht“
und die bange Frage, werden wir auch mal so...???
Das konnte einfach nicht wahr sein. Kaum war ich einen Tag nicht da, tobte das Chaos in Gestalt von Ehemann, einer fast erwachsenen Tochter sowie zwei pubertierenden Söhnen durchs Hause und stellte alles auf den Kopf.
Als ich dann quasi nebenbei erfuhr, dass Schwiegermutter meine Kaffeemaschine „geschafft“ hatte, und eines unserer Sohn Kinder zwei der selbstverständlich nicht mehr nachzukaufenden Weingläser beim Ausräumen der Spülmaschine zerdeppert hatte, war ich angesäuert. Das Argument, ich solle mich lieber freuen, dass er die Spülmaschine ausgeräumt habe, konnte ich in diesem Fall nicht wirklich akzeptieren.
Nachdem ich das „männliche Haushaltschaos“ beseitigt, sich meine Nerven nicht mehr ganz so „strapaziert“ anfühlten, suchte ich im Katalog nach einer neuen Kaffeemaschine. Selbstverständlich klingelte das Telefon, als ich mir gerade einen von Hand gefilterten Kaffee eingegossen hatte.
Seufzend ging ich zum Telefon und hörte ein melodisches Tuten. Unsere Tochter hatte in der oberen Etage den Anruf angenommen. Gewiss war das Gespräch ohnehin für sie oder einen ihrer Brüder, die trotz Handys regelmäßig Dauergespräche um die Wette führten. Zwanzig Sekunden später klingelte es erneut. Dieses Mal jedoch hausintern.
Kalli, ein Kollege meines Herzallerliebsten, wollte selbigen sprechen. Da mein „ehemaliger Verlobter“, wie Kalli ihn spaßeshalber nannte, sich auf Baumarkttour befand und ich die Dauer seiner Tour nicht abschätzen konnte, bat ich ihn zwei Stunden später erneut anzurufen. Befreit atmete ich auf und wandte mich erneut dem Katalog wie meinem Kaffee zu.
Eine Stunde später stand mein Göttergatte mit einer neuen Kaffeemaschine vor mir. Er erzählte mir, dass dies nicht nur ein Superschnäppchen sei, sondern Andrea, eine frühere gemeinsame Freundin ihm dazu geraten habe, als er sie unterwegs traf. Die Betonung lag auf „frühere Freundin …“.
Hellhörig wurde ich erst, als die Sprache auf das am Freitagabend stattfindende Europameisterschaftsspiel kam. So erfuhr ich beiläufig, dass in unserem Garten eine Art Puplic Viewing geplant war.
In der bangen Erwartung, wer alles auflaufen würde, zog ich scharf die Luft ein. Andrea mit Ehemann plus ihrer drei Kinder. Es würde sicherlich nett werden, begeisterte sich mein Mann, wo man sich doch so selten sähe...!
Nett – für wen? Die Männer saßen im Garten, Andrea dazwischen. Ihre Kinder waren so erzogen, dass sie kein nein kannten, geschweige denn auf eine Ermahnung reagierten (daher die Betonung frühere Freunde).
Wir hatten bereits diverse böse Überraschungen mit diesen Kindern erlebt. Bislang waren jedes Mal wir die Dummen, die irgendwelche Schäden begrenzten, besser gesagt, die Kosten trugen. Jedes Mal ging etwas zu Bruch oder es herrschte Katastrophenalarm mit Ausnahmezustand in unserem Haus oder Garten. Ich war also alles andere als ehrlich begeistert! Ehe ich meinem Unmut über bereits ausgesprochene Einladungen Luft machen konnte, meldete sich Kalli erneut.
Es kam, wie es kommen musste: Kalli nebst Bruder würden ebenfalls zum Fußballfeeling am Freitag kommen… Mein Mann war in einer, sagen wir mal, euphorisch-großzügigen Stimmung. Es wurde Zeit, ihn auszubremsen...
Selbstverständlich sollte gegrillt werden – nichts Großes, wie mein Mann mir eilig versicherte - ein paar Würstchen im Brötchen mit Senf und Ketchup wären ausreichend.
Am nächsten Tag fuhren wir einkaufen. All die Dinge, die für das Public Viewing noch im Haushalt fehlten. Nach drei Stunden in fünf Supermärkten hatten wir, Ketchup, Curryketchup, Steaksenf, süßen wie scharfen Senf und Senf mit Orangengeschmack erstanden, plus Zigeunersoße. Der Bratwursteinkauf gestaltete sich etwas „exotischer, da eines der Kinder von Andrea keine normalen Bratwürstchen aß. Somit grasten wir die halbe Stadt ab, ehe wir zu einem Metzger kamen, der spezielle Käsewürstchen verkaufte. Für die Kleinen kauften wir Nürnberger Mini-Würstchen, normale Bratwürstchen gab es auch und nicht zu vergessen – fettreduzierte für Andreas schlanke Linie.
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