Unser Leben ist wie ein Schal
Vor Wochen fand ich versteckt einen Schal.
Er war schon fast fertig, Nadeln waren daran.
Lang ist es her, dass ich ihn zu stricken begann.
Die Jugend ist längst vorbei, die Zeit – sie verann.
Erst waren seine Farben leuchtend bunt wunderschön,
die Maschen mal holprig, luftig locker anzusehen.
Mal Rechte, mal Linke, es gab keine Pflicht,
ein großes Durcheinander, es störte mich nicht.
Mal fielen die Maschen, ich hob sie schnell auf.
Das Muster ging weiter, es nahm seinen Lauf.
Der Schal wurde länger, ein Ende in Sicht,
Er wird mich mal wärmen, da bin ich gewiss.
Die Jahre vergingen, keine Zeit für den Schal.
Die Wolle war alle, die Nadel ruhte einmal.
Dann strickte ich weiter, ganz langsam Stück für Stück,
alles wirkte geordnet, sehr sorgsam, sehr geschickt.
Die Farben wurden weicher, das Muster konstant
das Leben lief weiter, ging leicht von der Hand.
Doch dann, man sah es ganz deutlich am Schal,
ein großes Durcheinander, viele Löcher sogar.
Maschen waren gefallen, ich nahm sie nicht auf,
das Muster durcheinander, gestört der Fadenlauf.
Später hab ich den Faden wieder gleichmäßig gestrickt,
es entstanden neue Muster, die Löcher wurden geflickt.
Der Schal war auf einmal wunderschön, fast perfekt,
alles in bester Ordnung, keine Stelle defekt.
Mein Schal ist nun fertig, ich mag ihn sehr gern,
er ist nicht mehr in Mode, hält aber immer noch warm.
Wir alle stricken unser Leben, ein kleines Stück jeden Tag,
manch einer ganz fröhlich, manch einer mit Plag.
Manch einer strickt locker, ein anderer enger
manch einer strickt kurz, ein anderer länger.
Für manch einem bedeutet „ stricken“ ewiges Glück
nur auftrennen können wir nicht ein einziges Stück.
Manchmal wohnt man im Zimmer der Traurigkeit,
weil die Welt um einen herum nur noch in tristen
Farben erscheint.
Da sind Krankheiten, die nicht geheilt werden können,
Schmerzen die den Körper und den Geist lähmen.
Da ist aber auch die Ohnmacht, nicht helfen zu können.
Man fühlt sich in diesem Zimmer oft missverstanden,
verletzt oder ausgegrenzt.
Manchmal wohnt man im Zimmer der Ängste.
Da ist die Angst etwas zu sagen,
wo schweigen ratsamer gewesen wäre,
die Angst zu versagen, Erwartungen nicht zu erfüllen,
die Angst, Hoffnungen geweckt zu haben,
die man dann nicht erfüllen kann.
Die Ängste kommen am Tag,
schleichen sich aber auch nachts in die Träume.
Man wird unsicher, angreifbar und verletzbar.
Im Zimmer der Ängste ist die Zukunft nicht willkommen.
Manchmal wohnt man im Zimmer der Hoffnung.
Es ist schön dort zu wohnen.
Man kann Trauer und Ängste vergessen und
die Zukunft neu planen.
In diesem Zimmer darf man sich fallen lassen,
Sorglosigkeit und Zuversicht machen sich breit.
Neue Lebensgefühle erwachen, Glück breitet sich aus.
Man möchte oft in diesem Zimmer sein,
aber das Leben schickt uns häufig nicht dorthin.
Manchmal wohnt man im Zimmer der Freude.
Wie leicht geht das Leben hier von der Hand.
Das Lachen ist hier zu Hause.
Es fallen keine bösen, verletzenden Worte.
Harmonie und Zufriedenheit haben es sich hier
gemütlich gemacht.
Die Dankbarkeit ist überall spürbar, wenn man
die Tür zu diesem Zimmer öffnet.
Hier fühlt man sich geborgen und verstanden.
Am liebsten wohnt man im Zimmer der Liebe.
Gefühle für Andere nehmen den Raum ein.
Man ist sich einig in seinen Erwartungen und
Vorstellungen.
Hier geht es nicht um Macht, Ruhm oder Reichtum
sondern um kleine Dinge wie Geborgenheit,
Geduld, Aufmerksamkeit aber auch um Verzeihen,
Verzichten, Versöhnen.
Die Liebe lebt vom Geben.
In diesem Zimmer ist man nicht selbstsüchtig,
man geht Kompromisse ein.
Die Liebe gibt Spielraum,
hier fühlt man sich nicht eingeengt.
Manchmal ist es schwierig in diesem Zimmer zu leben,
weil es schwer fällt, jemanden loszulassen,
wo die Liebe ihn halten möchte.
Alle Zimmer bilden das Haus des Lebens.
Es ist gut, dass es so viele Zimmer in diesem Haus gibt,
denn jedes Zimmer wird für den jeweiligen
Augenblick gebraucht.
Es darf kein Zimmer fehlen.
Sonst kommen Risse in das Haus,
die manchmal nicht wieder verfugt werden können.
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