Er war ein kleiner, schmächtiger Mann, mit schütterem ergrautem Haar, nannte sich selbst „Lebensberater“ und machte einen nervösen, fast gehetzten Eindruck. Auf Anhieb fand ich ihn unsympathisch.
Außer der Angabe meines Geburtsdatums benötigte er keinerlei Hilfen. Während der teuren „Beratung“ war er mehr mit Telefonaten als mit mir beschäftigt, so dass kaum ein Gespräch zustande kam und ich nach der „Sitzung“ nicht wusste wofür er dreihundert Mark (natürlich vorher) verlangt hatte.
Das einzige Ergebnis seiner Vorhersehung war, dass ich in Kürze geschäftliche Schwierigkeiten mit dem Inhaber oder Partner meines Geschäftes bekäme, ich deshalb vorsichtig sein solle. Ich ärgerte mich über die unnötige Geldausgabe und lachte über seine Warnung, denn der offizielle Inhaber meines Geschäftes war mein Vater. Wie hätte ich da Probleme bekommen können?
Einige Monate später verweigerte die zuständige Behörde meinem Vater die Verlängerung seiner Genehmigung für unser Spielkasino. Ich musste mein Geschäft schließen. Die Voraussage hatte sich erfüllt.
Woran es läge, dass ich Schwierigkeiten bekäme, hatte der „Lebensberater“ allerdings nicht voraus sehen können, sodass ich bei genauer Überlegung wieder Zweifel daran bekam, dass es wirklich Menschen mit „übersinnlichen Fähigkeiten gab.
Richtig war nämlich, dass ich eine Umschreibung der Genehmigung veranlasst hatte, und die Wahl des neuen Konzessionärs ein Missgriff war, den ich mir selbst zuschreiben musste. Denn ich hätte mir eigentlich denken müssen, dass Ramonas Ehemann der Falsche Kandidat war. Letztlich stellte sich heraus, dass er mir eine Vorstrafe verschwiegen hatte, und deshalb abgelehnt wurde.
Zu allem Überfluss hatte mein Vater dann auch noch den Fehler gemacht hatte, indirekt zuzugeben, dass er nur mein „Strohmann“ war.
Denn er hatte gesagt, dass ich seine Tochter sei, was dem zuständigen Beamten sofort sauer aufstieß, nämlich mich als Inhaberin enttarnte.
Dennoch, hätte ich die Warnung berücksichtigt, wichtige Details intensiver geprüft, wäre das Fiasko zu verhindern gewesen. Zwar fand ich relativ schnell eine „saubere“ Konzessionärin, aber den Geschäftsverlust durch die sechs Wochen „Zwangspause“ hätte ich vermeiden können.
Jahre später hörte ich, dass dieser „Lebensberater“ sich ins Ausland abgesetzt hatte, weil er wegen mehrfachen Betruges polizeilich gesucht wurde.
Noch zwei Mal ging ich so sogenannten Wahrsagerinnen, die aber so allgemeine Dinge von sich gaben, dass ich es als Scharlatanerie abhakte. Zwar waren es immer „kleine Honorare“ die ich dafür bezahlte, aber es waren unnötige Wege, mit unnötig zerstörten Hoffnungen. Deshalb schwankte ich also weiterhin zwischen Glauben und Zweifel an übersinnliche Kräfte hin und her, jedoch der Zweifel war stärker.
( Der „Seher“ benutzte keinerlei „Hilfsmittel“, also waren seine Weissagen wohl intuitive Prophetie?)
Der Zufall brachte mich durch meine älteste Tochter zu einem neuen Versuch.
Dass Ramona an Übernatürliches glaubte passte eigentlich nicht zu ihrem Charakter. Ihre Art entsprach einer sterilen Büro-Tippse, mit hohen Moralvorstellungen, die allerdings für die eigene Person nicht immer galten. Innerhalb ihrer Ehe, mit einem Handwerker, hatte sie sich einige Affären erlaubt, glaubte dennoch eine sittsame Ehefrau zu sein.
Als Ramona ihren ersten Sohn bekommen hatte, war sie gezwungen, ihren Job aufzugeben, um ihr Kind zu betreuen. Allerdings war sie als nur Hausfrau und Mutter unausgefüllt und mit dem einfachen Leben unzufrieden.
Weil ich ein Mehrfamilienhaus gekauft hatte, die Bewohner der „Eigentümer-Wohnung“ in einem „Tauschverfahren“ in Ramonas Wohnung zogen, mussten wir eine Weile zusammen in meinem gemieteten, großen Haus wohnen, bis der Umbau meiner neuen Behausung abgeschlossen war.
Somit erfüllte sich auch Frau Olgas Voraussage, dass meine älteste Tochter mit Mann und Kind zu mir ins Haus ziehen werde. Zum Glück dauerte diese unruhige Wohnsituation nur sechs Wochen. Sechs Wochen in denen ich aus Schlafmangel am Rande eines Nerven- Zusammenbruchs war.
Ramona sehnte sich sehr bald nach Luxus und Unabhängigkeit. Zumindest letzteres glaubte sie, mit einem eigenen Geschäft erreichen zu können. Sie hatte mir so lange in den Ohren gelegen, bis sie mich überredet hatte ihr zu helfen. Mit meiner finanziellen Hilfe konnte sie sich ihren Traum von der Selbständigkeit erfüllen. Sie ließ sich von mir ein Sonnen- und Kosmetikstudio finanzieren. Allerdings war meine Bedingung ein Halbe –Halbe- Geschäft.
Das große Mietshaus, welches sie von mir übernommen hatte, eignete sich vorzüglich für arbeiten und wohnen in einem Haus. Der Umbau dafür verschlang jedoch eine Menge Geld. Anfangs schien alles gut zu funktionieren.
Denn Ramona erzählte mir von ihrer Bekannten, Martina, die mit ihren starken medialen Fähigkeiten Reinkarnations- -Sitzungen machte. Damit hatte Ramona mein Interesse neu geweckt. Eine Rückführung mitzumachen, zu erfahren, ob ich in einem früheren Leben schon einmal auf dieser Erde war, faszinierte mich total. Ich wollte die junge Frau unbedingt kennen lernen.
Obwohl wir uns nach einigen Treffen angefreundet hatten, zeigte sich Martina sehr abgeneigt, mich „zurück zu führen“. Sie wehrte sich vehement, so als habe sie Angst davor.
Erst als Ramona anregte, zuerst einmal mit einer „Geister - Sitzung“ zu beginnen, stimmte Martina endlich zu. Für den Anfang war ich damit zufrieden.
Also versammelten wir uns, mit unseren Männer, um Ramonas Küchentisch und legten die üblichen Buchstaben-, Zahlen- und die Wortzettel zurecht. Ein Weinglas wurde umgekehrt in die Mitte gestellt und wir einigten uns darauf meine Mutter zu rufen. Dieses Mal ging es etwas zügiger voran, aber die Fragen fielen mir abermals sehr schwer. Ich erkundigte mich lediglich nach dem Befinden und Gesundheit meines Vaters. Das Ergebnis fand ich sehr unbefriedigend.
Das mein Vater Probleme mit dem Herzen habe schien mir unglaubwürdig weil er sich regelmäßig ärztlich kontrollieren ließ, ich das also hätte wissen müssen.
Ramona meinte, vielleicht wäre es nur Herzschmerz weil er seine Frau noch sehr vermisse.
Martina schien offensichtlich einfach keine Lust zu haben, denn sie brach die „Sitzung“ schnell wieder ab.
Neugierig drängte ich unser Medium von ihren Rückführungs-Sitzungen zu erzählen. Sie erklärte, dass sie bei der letzten Rückführung eine böse Erfahrung gemacht habe, deshalb wolle sie so etwas nicht mehr machen.
Darüber wollten wir natürlich genaueres wissen, denn dass es bei „Gläserrücken“ möglich war, dass ein böser Geist erschien, hatten wir schon gehört. Aber bei Rückführung auch, das war eine neue Variante für uns. Martinas Ehemann Marco schmunzelte, er ermunterte sie davon zu erzählen.
Widerwillig berichtete sie, bei Marcos Rückführung habe sich herausgestellt, dass er in seinem früheren Leben ein böser Tyrann gewesen sei. Auch während der Sitzung habe er so aggressiv reagiert, dass sie Angst bekam und ihn wieder verabschieden wollte. Er habe sich geweigert, sie wieder zu verlassen und sei so stark gewesen, dass sie große Schwierigkeiten hatte, den bösen Geist wieder loszuwerden. Es habe Stunden gedauert und viel Überredungskraft gekostet, bis er sich endlich zurückgezogen hatte.
Nach diesem Bericht waren alle sprachlos, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen. Marco grinste selbstgefällig, fühlte sich wohl als interessanten Mittelpunkt. Meinem Schwiegersohn und meinem Lebensgefährten sah man die ratlose Skepsis an, während Ramona und ich in ehrfürchtigem Glauben erstarrt waren.
Umso mehr brannte ich darauf, selbst eine Reinkarnations- Sitzung zu erleben, drängte Martina es einmal mit mir zu versuchen. Ich versicherte ihr, dass sie bei mir keinerlei Befürchtungen haben müsse, ich sei bestimmt im früheren Leben ein guter Mensch gewesen. Oder vielleicht habe ich auch vorher gar nicht gelebt, dann könne ja auch nichts passieren.
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