1 ...8 9 10 12 13 14 ...18 »Jesse«, hörte er Kellock mit immer noch ungerührter Stimme sagen, »mein Pferd! Wir haben hier nichts mehr verloren!«
Da stürzte Chad einfach vorwärts, geradewegs auf den verbrecherischen Großrancher zu. »Kellock, Sie verdammter Mörder!«
Zwei, drei Cowboys sprangen ihm in den Weg. Chad fegte einen mit einem schmetternden Fausthieb zu Boden. Die Fäuste der anderen trafen ihn voller Wucht. Von hinten wurde ihm ein harter Gegenstand zwischen die Schulterblätter geschlagen. Er stürzte.
Als er keuchend wieder auf die Füße kam, saßen Kellock und seine Männer bereits in den Sätteln. Emmet Leach hatte seinen Gaul dicht neben Chad gelenkt. Sein Colt zielte genau auf den Kopf des Sheriffs.
»Boss«, sagte er dabei mit schmalen Lippen, »ist es nicht besser, er kommt nie mehr nach Greenhill zurück? Jones hat ihn umgebracht, das ist doch ganz einfach.«
»Lass nur!«, winkte Kellock ab. »Jones genügt. Harbin ist keine Gefahr. Ein einzelner Mann gegen die K-Star-Ranch? Das gibt es nicht! Er tut gut daran, alles zu vergessen. Haben Sie verstanden, Sheriff? Wir sind als Ihre Helfer hierher geritten. Sie hatten die Führung. Wir handelten auf Ihren Befehl. Jeder einzelne Mann aus meiner Crew wird das vor Gericht beschwören, wenn Sie es wirklich darauf anlegen sollten. Aber für so dumm halte ich Sie nun doch wieder nicht.«
Chads Gesicht war grau. »Es wird dir noch leidtun, Mörder!«, flüsterte er heiser.
Kellock lachte hart. »Wir haben einem Sheriff geholfen und einen Verbrecher bestraft. Alles ist in bester Ordnung.« Er winkte seinen Reitern zu. Sie wollten ihre Pferde vom Ranchhof treiben.
Da stand plötzlich Mary-Lou vor den halb niedergebrannten Gebäuden, und die gierig züngelnden Flammen verstärkten noch den Schmerz und die Wildheit in ihren Augen. »Kellock!«, schrie sie.
Der Großrancher starrte sie düster an. »Verschwinden Sie so schnell wie möglich aus dem Land. Das ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe.«
Mary-Lou zitterte am ganzen Körper. Ihre schmalen Hände waren zu kleinen Fäusten geballt. »Mörder!«, schrie sie ihn verzweifelt an. »Verfluchter Verbrecher! Wenn ich eine Waffe zur Hand hätte, würde ich Sie, ohne zu zögern, vom Pferd schießen!«
»Nehmen Sie den Mund nicht zu voll! Seien Sie froh, dass Sie eine Frau sind und deshalb noch leben!«, knurrte Kellock. Links und rechts ritten sie staub aufwirbelnd an dem Mädchen vorbei.
Mary-Lou drehte sich und schaute Kellock flammend nach.
»Triumphieren Sie nicht zu früh!«, schrie sie mit wilder Stimme. »Sie haben Dad ermordet, um diese Ranch zu bekommen. Aber das Jones-Land wird Ihnen kein Glück bringen, Sie Verbrecher! Sie haben mich am Leben gelassen, und das wird Ihr Verhängnis! Wie groß und mächtig Sie sich auch fühlen, Kellock – ich werde Dad rächen! Jawohl, das schwöre ich! Wenn Sie mich wiedertreffen, werde ich Ihr Leben fordern! Ihr Leben!«
Fluchend gab Kellock seinem Gaul die Sporen. Dicht geschlossen sprengte die Kavalkade vom Hof, über den Turkey Creek und in den Schatten der strauchbewachsenen Hügel hinein. Mary-Lous Schultern waren eingesunken. Am Ende ihrer Kräfte, ging sie zur Sykomore hinüber. Der kleine alte Shorty Ridler hatte sein Bewusstsein wiedererlangt, kein unnützes Wort verloren und den Ermordeten vom Ast geschnitten.
Die Gebäude hatten sich in glühende Trümmerhaufen verwandelt. Die Flammen sanken herab, und Schatten breiteten sich allmählich wieder unter dem breitästigen Baum aus. Mary-Lou und Shorty kauerten stumm neben dem Toten.
Erst als Chad Harbin zaghaft näherkam, zuckte Mary-Lous Kopf herum. Das unheimliche Glitzern in ihren Augen ließ ihn stocken.
»Was willst du noch?« Ihre Stimme war leise, tonlos.
Er schluckte, suchte nach Worten. »Mary-Lou, es …«
»Geh mir aus den Augen, Chad!«, stieß sie hervor.
»Mary-Lou, du darfst nicht denken, dass …«
Sie erhob sich mit einem Ruck. »Shorty, dein Gewehr!«
Der alte Ridler zögerte, starrte auf seine schwere doppelläufige Schrotflinte hinab und murmelte unsicher: »Mary-Lou, ich weiß nicht, ob das…«
»Das Gewehr!«, wiederholte sie mit einer Stimme, die Chad völlig fremd vorkam. Ridler gab ihr die Waffe. Sie spannte beide Hähne und richtete die Doppelmündung auf den Sheriff.
»Du hast sie hierher geführt. Du hast Kellock zu deinem Helfer gemacht. Jetzt ist Dad tot. Die Vergangenheit ist für mich ausgelöscht, Chad Harbin. Vergiss ganz schnell, was einmal zwischen uns war. Ich habe Kellock Rache geschworen. Ich werde diesen Schwur halten. Und dann, Chad, wenn ich mit Kellock fertig bin, wäre es besser für dich, du hättest das Greenhill-County weit hinter dich gebracht!«
»Um Himmels willen, Mary-Lou, sei nicht zu vorschnell. Ich verstehe, wie dir zumute ist. Aber …«
»Ich brauche dein Verständnis nicht! Verschwinde jetzt! Ich gebe dir zehn Sekunden, dann drücke ich ab!«
Chad starrte sie betroffen an. Er fühlte sich plötzlich zerschlagen und wie ausgebrannt.
Langsam, mühevoll drehte er sich ab und ging zum Creekufer, wo die Kellock-Mannschaft sein Pferd zurückgelassen hatte. Mary-Lou behielt die Parker-Gun im Anschlag, bis sich Chad in den Sattel geschwungen und seinen Gaul in die dunklen Hügel hineingetrieben hatte. Dann erst reichte sie Ridler die Flinte zurück.
»Hol die Pferde aus dem Korral. Wir reiten.«
»Wohin?«
»In die Berge. Wir nehmen Dad mit.« Ihre Stimme war ausdruckslos. Shorty setzte sich krummbeinig in Bewegung. Plötzlich stockte er. »Mary-Lou! Da ruft jemand!«
Sie hatte die seltsam gedämpfte Stimme ebenfalls gehört. Ein Zucken lief über ihr Gesicht. Schon setzte sie sich in Bewegung.
»Der Brunnen! Mein Gott! Sie haben den Brunnen vergessen!«
Shorty beugte sich neben ihr über die Lehmmauer des Ziehbrunnens. Unten in der pechigen Finsternis war eine Bewegung. »Hank, hallo, Hank! Bist du es da oben?«
»Amarillo!«, krächzte der kleine alte Cowboy und griff sich an die Kehle.
Mary-Lou hatte bereits das Seil gepackt. Shorty griff nach dem Hebel der schweren Holzwinde. Sie zogen und zerrten angestrengt fast fünf Minuten, bis der Mann aus dem schwarzen Schacht auftauchte. Das Seil war ihm mehrmals um den Körper geschlungen. Seine langen Beine tropften vor Nässe. Er war völlig erschöpft, als sie ihn über die Brunnenmauer zogen, und ließ sich in den Sand sinken. Benommen starrte er auf die verkohlten Gebäude, zwischen denen nur noch spärliche Flammen geisterten.
»Ich verlor die Besinnung, als Hank mich da unten versteckte. Großer Himmel, was ist da nur passiert? Wo ist Hank?«
»Ermordet!«, sagte Mary-Lou dumpf und schaute dem lederhäutigen Desperado fest ins Gesicht.
Amarillo fuhr zusammen. »Er ist meinetwegen …? Nein, Himmel, sagen Sie, dass es nicht wahr ist!« Er wollte aufstehen, sank jedoch wieder matt gegen den Brunnenrand zurück.
Mary-Lou und Shorty starrten ihn an. »Nein!«, ächzte er. »Nein, das wollte ich nicht!«
Mary-Lou fragte tonlos: »Hat Dad Sie befreit? Hat er den Deputy erschossen?« Amarillo stöhnte: »Nein, nein! Zwei Fremde. Sie trugen Masken. Ich kannte sie nicht. Alles ging so schnell. Und ich war versessen darauf, frei zu sein. Der Galgen drohte mir doch. Sie nahmen mich mit. Ich wusste nicht, wohin es ging. Plötzlich hatten wir Hanks Ranch vor uns. Sie sagten mir, ich sollte zu ihm reiten, er würde mir helfen, machten kehrt und verschwanden in der Nacht. Ich tat es. Hank war wie vor den Kopf geschlagen. Er wusste nichts von meiner Befreiung. Er ist nicht der Mann, der sich eine Maske umbindet und skrupellos auf einen anderen schießt. Nein, nein, wenn ich dran denke, dass er …« Er sank plötzlich auf die Seite.
Shorty kniete hastig bei ihm nieder. »Bewusstlos. Was machen wir mit ihm?«
»Er war Dads Freund. Das allein zählt für mich. Wir nehmen ihn mit. Gegen Kellock brauchen wir jeden Verbündeten. Binde ihn auf ein Pferd, Shorty.«
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