„Mit besagtem Freund habe ich auch Sex.“
Maggie starrte ihre Mutter an. „ So einen Freund hast du?“
„Ja, genau so einen Freund habe ich.“
„Ist es ernst zwischen euch?“
Das erneute Lächeln ihrer Mom war Antwort genug. „Wir lieben uns. Schon lange.“
„Wieso platzt du erst jetzt damit heraus?“
„Ich hätte dir gerne eher davon erzählt, aber du wolltest ja nichts von ihm hören.“
In Maggie begann es zu arbeiten. „Wir reden von Donald McGarret, oder?“ Als ihre Mom nickte, wäre Maggie am liebsten in den Fluss gesprungen. „Wie konntest du dich bloß auf ihn einlassen? Du kennst meine Einstellung zu Finley. Ich bin froh, dass es keine Verbindung mehr zu ihm gibt. Und nun muss ich hören, dass sich ausgerechnet unsere Eltern aufeinander eingelassen haben!“
„Hätte ich dich um Erlaubnis bitten sollen?“, erkundigte sich ihre Mom spitz. „Donny und ich sind lange genug für euch Kinder dagewesen. Jetzt sind wir an der Reihe. Davon abgesehen habe ich keine Ahnung, was dir Finley getan hat. Der Junge ist in Ordnung. Deswegen hattest du keinen Grund, ihn derart mies zu behandeln.“
„ Ich ihn? Sag mal geht’s noch? Der lügt, sobald er den Mund aufmacht.“
„Dasselbe dachte ich auch von Donald. Dabei war es nur ein Missverständnis, das uns getrennt hat. Aber weißt du, was das Schlimmste ist?“, sie sprach sofort weiter, als hätte sie Angst, dass Maggie sie daran hindern würde: „Dass wir viel kostbare Zeit verloren haben.“
„Die habe ich ebenfalls verloren, indem ich diesem Mistkerl hinterhertrauerte.“
„Und du tust es noch“, erriet ihre Mutter.
„Hör bitte auf, mir etwas zu unterstellen.“
„Gern. Sobald du aufhörst, dir etwas vorzumachen“, wurde ihre Mom energisch. „Das bist doch nicht du, Maggie.“ Sie deutete an ihr herunter. „Allein diese Business-Outfits, die du sogar in deiner Freizeit trägst. Die lackierten Fingernägel, das geschminkte Gesicht und die harten Züge. Wo ist dein zauberhaftes Lächeln geblieben? Nichts scheint dir mehr Freude zu bereiten. Nicht einmal mein Besuch, denn ich hatte ständig das Gefühl, dir nur lästig zu sein.“
„Das stimmt nicht“, wandte Maggie halbherzig ein, weil ihr Vorwurf nicht aus der Luft gegriffen war. Sie musste sich auf die Arbeit konzentrieren. Stattdessen plagte sie sich mit einem schlechten Gewissen herum, dass ihre Mutter zu kurz kam.
„Doch, und das wissen wir beide. Du gehst so in deinem Job auf, dass du sogar die Freizeit als Feind betrachtest. Was haben die mit dir gemacht? Gehirnwäsche? Liebe oder Karriere, du hattest einmal die Wahl, Kleines. Leider scheinst du die falsche getroffen zu haben und ich bereue nichts mehr, als dass ich dich nicht vor diesem Fehler bewahren konnte.“
„Es war keiner“, beharrte Maggie, deren Finger sich schmerzhaft um das Geländer spannten. „Und nein, ich hatte keine Wahl, weil Alec gestorben ist.“
„Du weißt genau, dass ich von Finley spreche.“
Warum in Gottes Namen schien es, als ob ihr die Mutter diesen Kerl einreden wollte? Es war Sommer. Demnach müsste er seit einem Jahr verheiratet sein. Sollten sie doch alle auf heile Familie machen, aber ohne sie! „Lass mich endlich mit diesem Casanova in Ruhe.“
„Finley geht es ebenfalls nicht gut.“
Beinahe hätte Maggie laut aufgelacht. Gingen ihm die Lügen aus? Plagten ihn die Daumenschrauben seiner Ehe? „Dann hast du ja jemanden zum Bemuttern. Ich stehe dafür jedenfalls nicht mehr zur Verfügung, da ich erwachsen bin, falls du es übersehen haben solltest.“ Mit jedem Wort war ihre Mom blasser geworden und Maggie dachte an Grace. Daran, dass sie ihrer Mom gegenüber einen ähnlichen Ton anschlug, wie ihn ihre Chefin bei den Angestellten an den Tag legte. „Ich will mich nicht mit dir streiten, Mom“, lenkte Maggie ein, der plötzlich zum Weinen zumute war. „Und ich gönne dir dein Glück. Aber ich will weder daran teilhaben noch etwas darüber hören. Bitte respektiere das.“
„Mit anderen Worten: Donald oder du, willst du mir das damit sagen?“, erkundigte sich ihre Mom mit einem bitteren Zug um die Lippen.
Ihre Aussage klang schrecklich. „Wenn du mit Mister McGarret glücklich bist, dann genieße es. Doch erwarte nicht von mir, dass ich nach Cornwall komme, um mit euch gemeinsam an einem Tisch zu sitzen. Zumindest nicht in nächster Zeit, denn du hast recht: Ich empfinde noch etwas für Finley“, gab Maggie zu. „Deswegen fühle ich mich einer Konfrontation nicht gewachsen. Irgendwann vielleicht, jedoch nicht heute oder morgen. Ist das okay für dich?“
„Natürlich“, zeigte sich ihre Mom erleichtert. „Damit kann ich leben. Bis dahin reise ich eben zu dir nach Dublin.“ Sie zog Maggie in ihre Arme. „Und irgendwann kommst du nach Cornwall, versprochen?“
♥♥♥
Natürlich war ihre Mutter zutiefst enttäuscht, dass Maggie dieses Versprechen auch in den nächsten Jahren nicht einlöste. Als sie an einem kalten Januartag ein Bild von ihr erhielt, auf dem auch Donald und Finley neben dem geschmückten Weihnachtsbaum zu sehen waren, geriet sie nahe daran, ihre Mom voller Wut anzurufen, unterließ es jedoch.
Danach weinte sie bitterlich und verbannte anschließend das Foto in die grüne Plastikbox, worin mittlerweile ihr ganzes Leben von Cornwall lagerte. Das Album, die Muschel, der Bootsanhänger, der Quilt, selbst das Ultraschallbild. In dieser unscheinbaren Kiste, über die sie den Deckel geschoben hatte wie über ihre Vergangenheit.
Als Minnie Maggie vorwarf, ihrer Mom gegenüber undankbar zu sein, brach sie jeglichen Kontakt mit ihr ab. Danach ging sie längere Zeit nicht ans Handy, wenn ihre Mutter anrief. Bis sie es irgendwann doch tat. Ein Wort ergab das andere, denn Maggie machte ihr bittere Vorwürfe und fühlte sich missverstanden. Es war schließlich ihre Sache, ob sie nach Cornwall reisen wollte oder nicht. Zumal die Arbeit vorging. Das sah ihre Mom letztlich ein. Allerdings wurden die Abstände bis zum nächsten Telefonat immer größer. Wie die Besuche ihrer Mutter.
Bald gehörte Cornwall zu einer schemenhaften Erinnerung, als hätte Maggie vor langer Zeit ein Buch gelesen, an dessen Inhalt sie sich nur noch bruchstückhaft erinnern konnte. Umso mehr konzentrierte sie sich auf ihr Ziel, irgendwann in Graces Vorzimmer zu sitzen, und konkurrierte weiterhin mit Humphrey um deren Gunst. Allerdings fragte sie sich oft, warum er in dem Unternehmen tätig war, oder weshalb Grace ihn beschäftigte. Sie waren wie Hund und Katze.
Mit der Zeit wurde er sogar fettleibig, als würde er jeglichen Frust in sich hineinfressen. Iris blickte ihn oft sorgenvoll an, die nach wie vor ständig mit ihm zusammenklebte. Maggie hingegen erklomm davon unberührt die Karriereleiter. Mit jedem Schritt fiel es ihr leichter, harte Entscheidungen zu fällen, Personal auf die Straße zu setzen und immun gegen Tränen zu sein. Wer keine Leistung brachte, wurde gefeuert. So einfach war das.
Freundlichkeiten kosteten ebenfalls Zeit, und Zeit wiederum Geld. Das sagte sie irgendwann auch ihrem Fahrer Alfonso, nachdem er anfangs stets ein paar freundliche Worte an sie gerichtet hatte. Er durfte sie grüßen, ihr die Tür der Limousine öffnen und das war’s.
Die einzige Person, die Platz in ihrem Leben hatte, war Grace. Manchmal begleitete Maggie sie in die Oper, zu Geschäftsessen oder langweiligen Partys, bei denen oft Aktionäre anwesend waren. Unter ihnen Konrad Dough, der Maggie ziemliche Avancen machte. Sicher, der Mann war nicht unattraktiv, aber noch fühlte sie sich nicht einsam genug, um sich auf ihn oder einen anderen Verehrer einzulassen. Dem ungeachtet lernte Maggie weiterhin unablässig von Grace, und als Humphrey an einem kalten Oktobermorgen zweitausendsechzehn einem Herzinfarkt erlag, war sie ebenfalls an der Seite ihrer Mentorin. Ohne jegliches Gefühl schaute sie auf das Grab und dachte ähnlich emotionslos an St. Agnes. Eine Stunde nach dem Begräbnis flog sie mit Grace nach Athen. Die Geschäfte kannten keinen Tod und Maggie war endgültig in der Citizen-Bank angekommen, die ihr vertrauter war, als die Welt da draußen.
Читать дальше