Wenn Mama Maus schnell herüberging in die Speisekammer um unser Essen zu holen, dann spielten wir Mauskinder Verstecken oder Fangmich oder Wolauertdiekatz.
Dann rasten wir durch die Gänge, purzelten übereinander und lachten und lachten.
Oh, das war alles so furchtbar lustig!
Manchmal klopfte dann der Mensch an die Wände. Dann hielten wir uns die Schnauzen zu, damit wir nicht laut heraus lachten, aber das Kichern konnte niemand so richtig verbeissen, denn es war doch allzu lustig zu denken, dass der Mensch da drüben, dieses langsame, tapsige und dicke Tier mitspielen wollte.
Der Riesenbrocken wäre ja in den engen Gängen elendiglich steckengeblieben, der hätte sich nirgendwo verstecken können und der wäre viel zu langsam gewesen beim Fangmichspiel.
Der soll doch mit seiner Katze spielen.
Die war auch so ein dummes und faules Tier. Katzen seien schlau?
Dass ich nicht lache! Schaut doch mal am Menschenfernsehen. Tom und Jerry.
Und das müssen wahre Geschichten sein, denn sonst würden sie nicht am Fernsehen gezeigt.
Ist doch klar.
Und unsere Katze, die war noch viel blöder als der Tom. Wisst ihr wie die hiess?
Miggi!
Ist doch wirklich ein oberdoofer Name. MIGGI! Dass ich nicht lache. Wie man nur so heissen kann.
Aber das Allerbeste muss ich erst noch erzählen:
Diese Katze frass nämlich nur Futter, das aus einer Blechbüchse kam.
Unvorstellbar.
Aus einer Blechbüchse, die sie selber natürlich nicht öffnen konnte.
Sowas von blöd!
Wenn sie Hunger hatte, dann strich sie der Menschin oder dem Menschen um die Beine und maunzte und schrie und bat und bettelte und miaute, dass man fast Ohrenschmerzen bekam.
Dann nahm endlich der genervte Mensch so eine Büchse aus dem Schrank, schraubte sie auf und schüttete den Inhalt in den Katzenteller.
Ich habe einmal im Vorbeiweg von dem Zeugs gekostet, schmeckt scheusslich!
Da ist mir ein guter Emmentalerkäse oder ein Stück Magerschinken viel lieber.
Aber die heutigen Katzen sind nun mal so. Uns Mäusen kann es ja recht sein.
Doch ich erzähle und erzähle und berichte nichts von der Maus Klick. Die war nämlich, wie soll ich sagen, so, so nett, nein sie war so süss, so eine prima Maus, so vornehm.
Ja, sehr vornehm war sie.
Als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, drüben im Büro des Menschen, da lag sie faul auf dem Schreibtisch.
«Hallo, du bist ja ein wirklich freches Ding,» rief ich ihr zu, denn wir Mäuse dürfen eigentlich die Räume des Menschen nie betreten, oder wenigstens dabei nicht erwischt werden, sonst, na ja, sonst riskieren wir unser Leben. Aber diese freche Maus lag am hellichten Tag auf dem Tisch und rührte sich nicht. Sowas von Frechheit! Die hatte ja einen Mut, den ich nie aufbringen würde. Die war noch mutiger als Jerry.
Aber bevor ich sie zum Sprechen und zum Erzählen bringen konnte, hörte ich Schritte im Korridor. Ich versuchte sie zu warnen, aber sie rührte sich nicht, sie hatte offensichtlich keine Angst. Ich stiess einen schrillen Schrei aus, aber ohne Erfolg.
Mit der Ausrede, dass Mama mich gerufen habe, konnte ich mich noch rechtzeitig aus dem Staub machen und hinter der Bodenleiste verschwinden, bevor der Mensch hereingepoltert kam.
Neugierig schaute ich durch ein Astloch in der Wand, was nun drüben geschehen werde, konnte aber leider nichts sehen. Mir war wirklich bange um die Maus. Ich hätte sie aufwecken müssen. Ich hätte sie vor dem Menschen erretten sollen. Ich war nun schuld, wenn sie getötet würde.
Ach, das arme, arme Mäuschen!
Mir kamen die Tränen. Ich heulte und heulte und wartete auf den Angstschrei der erschreckten Maus, wartete auf ihren Todesschrei.
Statt dessen hörte ich plötzlich drüben ein neues Geräusch. Klick, klickklick und abermals klick.
Das musste die Maus sein!
Hab ich mir doch gedacht, dass die etwas Besonderes sei. Mit welcher Vornehmheit die auf dem Tisch gelegen hatte. Wie die mich so von oben herab angeguckt hatte ohne auch nur ein Auge zu öffnen. Sie hatte doch gleich gewusst, dass da unten nur so ein armer, gewöhnlicher Wandmausjüngling stand. Nein, für die war ich zu unbedeutend. Ich war ein jämmerliches Nichts gegen sie, die es zu etwas gebracht hatte.
Aber mochte ich auch nur ein struppiger kleiner Mäuserich sein, ich würde ihr schon noch zeigen, was in mir steckte, jawohl, das würde ich.
Und ich, ich habe sie retten wollen, wo sie nun drüben mit dem Menschen fröhlich plauderte.
Das ging in einem fort klick und klick und nochmals klick.
Obschon ich ihre fremde Klicksprache nicht verstand, so schien mir doch, sie sei ein bisschen schwatzhaft, eine rechte Plaudertasche.
Nanu, dafür war sie aber auch so furchtbar hübsch, so elegant, so wahnsinnig dufte und wirklich gut erzogen, das musste man ihr lassen.
Vielleicht war sie nachts zu einem Plauderstündchen zu haben.
Ich würde ihr ein fettes Stück Emmentalerkäse bringen. Wir würden den Brocken zusammen verspeisen und dann würde sie sicher etwas gesprächiger.
Aber das mit dem Emmentaler wurde ein totaler Flop. Nicht mal angerührt hat sie ihn solange ich daneben stand.
Und gesprochen hat sie auch nicht. Kein einziges Klick kam über ihre so wunderhübschen Lippen. Nein. Geschlafen hat sie wie ein Stein wie ein Stück Holz, wie ein Stück Plastik.
Nun, sie hatte natürlich den ganzen Nachmittag mit dem Menschen geplaudert und geklickt, klar, dass sie nun müde war.
Oder war sie zu vornehm, um mit mir zu reden?
Auf jeden Fall liess ich ihr den Käse. Sie würde schön staunen, wenn sie erwachte und dann den prächtigen Käse vor sich sah.
Damit sie ahnen konnte, wer ihr das Geschenk gebracht hatte biss ich eine Ecke weg.
Jetzt sah man die Abdrücke meiner Zähne. Sie würde bestimmt verstehen.
Als ich in den herrlichen Käse biss, musste ich mich zwar furchtbar zusammennehmen, um nicht alles zu essen, aber ich beherrschte mich. Ich wollte sie doch kennenlernen.
Mama schalt mich nachher aus, weil ich dieser wildfremden und zugelaufenen Stadtmaus meinen Käse geschenkt hatte und meine Geschwister lachten und hiessen mich
«verliebten Mäuserich», was ich gar nicht mochte. Denn verliebt war ich keineswegs, nein, nein, gar nicht, ich hatte nur, ich wollte, ich, sie war halt einfach so, so, ich weiss nicht wie.
Das Käsestück war wohl zu gross gewesen für so ein zartes Ding, denn sie hatte nicht alles aufgegessen. Jedenfalls hörten wir am nächsten Morgen den Menschen schimpfen und toben.
Diese Mäuse würden alleweil frecher und was der Käse auf dem Schreibtisch sollte und man müsste sie endlich Anstand lehren und so und ähnlich.
Wie er uns Anstand beibringen wollte?
Er sperrte die Katze «Miggi» (sowas von blödem Namen!) in die Speisekammer.
Das war eine grossartige Idee. So konnten wir an diesem Tag ungestört die Nüsse und die Salzbrezeln auf dem Salontischchen knabbern. Ein grosses Stück Nusskuchen schleppte ich hinter die Wand, denn sowas Feines würde meine Maus Klick bestimmt nicht verschmähen.
Das war sicher genau das richtige Futter für vornehme Mäusedamen.
Aber sie hat auch den Kuchen nicht gemocht, obwohl ich neben ihr auf dem Schreibtisch gesessen und dabei meine Hälfte des Kuchens geknabbert habe. Nichts hat sie angerührt, nichts gesprochen, obschon ich sie auf den Knien angefleht habe, doch ein allereinziges Mal Klick zu sagen. Nichts. Nicht das leiseste, zart gehauchte Klicklein.
Ich war echt traurig, wie nur ein kleiner Mausejunge traurig sein kann.
Ich mochte nicht mehr spielen, ich mochte nicht mehr essen und trinken, Ich wollte überhaupt nichts mehr hören und sehen. Ich war traurig und mir war sterbenselend.
Die folgenden Nächte brachte ich ihr die allerleckersten Dinge aus der Speisekammer, aber ein Wort ist ein Wort und kein Klick ist kein Klick.
Читать дальше