»Nun,« meinte Daphnis, »ich sage auch nicht nein. Es gehört zu einer solchen Sache natürlich viel Reklame und andre nicht grade angenehme Schritte, aber wenn es sein müßte, ließe sich der Widerwillen vor solchen Dingen schon überwinden. Wenn es sich übrigens darum handelt, sich zu einer politischen Meinung zu bekennen, lieber Fremdling, so ist die eine so gut wie die andre – werfen wir alle in Ihren runden Hut und ziehen Sie auf das Geratewohl eine für mich heraus ... Sie haben gewiß eine glückliche Hand, ich fühle das, ich wette darauf, daß Sie die beste für mich ziehen würden, diejenige, die, wie man so sagt, der Schlüssel des Spieles ist.
»Außerdem bin ich der Ansicht, daß, wenn mir später eine andere besser gefallen sollte, oder mir vorteilhafter erscheinen sollte, so würde ich mir bei dem geringen Werte, den politische Meinungen haben, gar nichts daraus machen, sie zu wechseln. In unserm Jahrhundert sind Überzeugungen – nicht mehr natürlich.«
Als aufgeklärter und leutseliger Mann ließ Herr C... sich herab, über diese Paradoxen zu lächeln, da er sie mit dem jugendlichen Alter dieser beiden Originale entschuldigte.
»Wirklich Herr Daphnis,« sagte er lächelnd, »Sie könnten die Partei des loyalen Zynismus vertreten und unter solchem Titel viele Stimmen für sich gewinnen.
»Außerdem«, nahm Chloe das Wort, »las ich in dem Zeitungsblatt, in dem heute morgen unser Käse verpackt gewesen ist, daß man in mehreren Wahlkreisen nach einer passenden Persönlichkeit sucht, um das Gleichgewicht gegen den Einfluß eines gewissen Generals herzustellen, für den ein großer Teil des Publikums ja allerdings übertrieben eingenommen ist, der ein Deputierter nach der Mode ist und dessen Politik ...«
»Ein General sagst du, Chloe? ...« unterbrach sie Daphnis erstaunt, »ein General ... der in Politik macht ... und der Deputierter ist ... Das ist doch gewiß kein natürlicher General.«
»Nein,« sagte Herr C..., diesmal in viel ernsterem Tone, »aber kommen wir zum Schlusse, meine jungen Freunde. Eure jugendliche Freimütigkeit ist allerdings etwas bizarr, aber sie ist liebenswürdig, und sie hat mein Herz gewonnen. Ich will mich euch daher zu erkennen geben. Ich bin das aktuelle Oberhaupt des französischen Staates, dessen, vielleicht ein wenig zu spöttische Bürger ihr seid. Also, Herr Daphnis, ich nehme Notiz von Ihrer zukünftigen Kandidatur ...«
Seinen Rock ein wenig öffnend, ließ Herr C... das zwischen der Weste und dem tadellos weißen steifen Hemde befindliche Stück roten Moirébandes sehen, das auf seinen Porträts so gut aussieht und keinen Zweifel an der hohen Stellung seines Trägers zuläßt – dies Stück Band ersetzt die Krone.
»Was? Der König!« riefen gleichzeitig Daphnis und Chloe erstaunt aufspringend und sich dann verneigend.
»Aber, ihr lieben jungen Leute,« sagte jetzt ziemlich kühl Herr C..., »wir haben in Frankreich keinen König mehr, indessen ich habe die Macht eines Königs ... obgleich –« »Ich verstehe,« murmelte Daphnis teilnahmsvoll, »Sie sind ... kein ... natürlicher König.«
»Ich habe aber wenigstens die Ehre, Präsident einer Republik zu sein,« antwortete trocken Herr C..., sich erhebend.
Daphnis hustete bei diesen Worten leicht, wagte jedoch keinen Widerspruch, da ihm plötzlich einfiel, daß er ja noch nicht Deputierter sei.
»Als solcher,« fuhr Herr C... fort, »verleihe ich euch als Dank für eure liebenswürdige Gastfreundschaft ausnahmsweise die Erlaubnis, euch während des Jahres 1888 in diesem an einem der Hauptwälder Frankreichs gelegenen Tale ganz ungestört aufzuhalten, und daß auch während der Truppenübung niemand das Recht haben soll, euch zu stören.
»Vielleicht finde ich zu einer andern Zeit Gelegenheit, euch nützlich sein zu können, ihr lieben, jungen Menschen, die ihr euch zu den legendären veralteten Ansichten einer Zeit bekennt, die der Fortschritt unserer Tage ungültig gemacht hat.«
»Gesegnet sei der Tag,« begann Daphnis –
Mit der Miene des Königs, der die Hirten grüßt, zog Her C... sich zurück, und schritt unter den großen, dem Untergang geweihten Bäumen hin, dem alten Palast zu, während das seltsame junge Paar ziemlich verwirrt über das Abenteuer zurückblieb.
Herr C... begab sich in seine Königliche Wohnung, in der er, wie ich glaube, die Gemächer des heiligen Louis bewohnte. Es sind dies, beiläufig gesagt, die unwohnlichsten Räume des alten Gebäudes, das kaum darauf Anspruch erheben kann, mehr zu sein als ein Jagdschlößchen oder eine pittoreske Villa. Als das aktuelle Oberhaupt des Staates sich im Oratorium des Siegers von Al-Mansourah, von Taillebourg und von Saintes eine wirklich unverfälschte echte Havannazigarre ansteckte, konnte er nicht umhin, sich selbst zu gestehen, daß die Liebe zu den natürlichen Dingen nur noch ein kaum zu verwirklichender Traum sei, – und daß, wenn Daphnis und Chloe heute, wie in den Zeiten der Vergangenheit eine wirklich natürliche ländliche Lebensweise führen wollten, sich nur von unverfälschter Milch und Brot, von reiner Butter, wirklichem Käse, nicht verpantschtem Wein nähren, in wahren Wäldern unter einem wahren Himmel leben wollten, sie zuerst über eine Rente von wenigstens 25 000 Franken hätten verfügen müssen, da es eine der ersten Wohltaten ist, die wir der Wissenschaft verdanken, daß die einfachen, unverfälschten Lebensmittel heute vollständig außerhalb des Bereiches der Armen sind.
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