Er war Lehrer an der Grundschule. Sie Hausfrau und Mutter von zwei wohlerzogenen gebildeten Kindern.
Ansbert, ihr 15jähriger Sohn war der Klassenbeste in der Schule. Außerdem war er Obermessdiener und leitete die Gruppenstunde der katholischen Schüler im Dekanat.
Anita Kramer spielte jeden Sonntag zum Hochamt die Orgel in der Pfarrkirche „Sankt Michael“.
Alles war bestens geregelt in der sehr geachteten Familie in Neuenburg am Ammersee. Nur die kleine zehnjährige Claudia wollte nicht so recht, wie sie es gerne hätten. Sie kam nach der Schule öfter nicht gleich nach Hause und ihre Schulnoten waren nur normaler Durchschnitt. Sonntags wenn sie gemeinsam zum Gottesdienst gingen, musste sie mit hoch zur Empore, damit sie ihre Mutter unter Aufsicht hatte. Einmal war sie sogar von zu Hause ausgebüxt. Man fand sie nach langer Suche vor dem Ort Neuenburg auf einem Waldparkplatz, bei einer Zigeunerfamilie, die für ein paar Tage die Genehmigung für einen Standplatz von der Gemeinde bekommen hatten.
Fröhlich spielend mit den sechs Kindern der Zigeunerfamilie und zwei Hunden, fand man sie Freudenstrahlend in einem der ausrangierten Zirkuswagen, die den Zigeunern als Wohnung diente.
Jetzt war Christine Seifert am Haus der Familie Kramer angekommen. Das schwarze Fahrrad, das neben der schmiedeeisernen Gartentür stand, erkannte sie sofort. Es gehörte Pfarrer Seefeld. Er war schon da, dachte sie und wollte an der Gartentür zum Bungalow klingeln.
Plötzlich wurde die Haustür von innen geöffnet.
Anita Kramer hatte sie schon von weitem durch das Wohnzimmerfenster kommen sehen.
>>Entschuldigen sie bitte die Störung. Klara ist noch nicht von der Nachhilfestunde nach Hause gekommen und ich dachte, sie ist....
>>Sie ist nicht hier! Und mein Mann ist auch noch nicht zu Hause<<, unterbrach Anita Kramer Christine Seifert und bat sie, ins Haus zu kommen.
>>Gehen sie durch ins Wohnzimmer<<, sagte sie freundlich, zeigte mit der Hand an eine Tür, die offen stand, und ging ihr hinterher. >>Und? <<, fragte Pfarrer Seefeld, als er Christine Seifert, sah.
>>Nichts! Die letzten Personen, die Klara gesehen haben, ist der Schulmeister und ihr Mann<<, erwiderte sie und schaute Anita Kramer kurz an.
Jetzt klingelte es an der Haustür.
>>Das wird mein Mann sein. Er hat keinen Schlüssel! Claudia ist zum Klavierunterricht und Ansbert ist zum Sportplatz. <<, bemerkte Anita Kramer, sprang nervös auf und ging zur Tür. >>Wo bleibst du solange? Du wolltest doch schon um 15:30 Uhr hier sein.
Und wie siehst du denn aus? <<, hörte man die leise erregte verärgerte Stimme von Anita Kramer bis ins Wohnzimmer. Pfarrer Seefeld sah Christine Seifert an, zuckte mit den Schultern und runzelte besorgt die Stirn.
Wenig später kam Anita Kramer alleine ins Wohnzimmer zurück, schloss die Wohnzimmertür hinter sich und sagte; >>Ja, es war Karl-Heinz. Er macht sich nur noch etwas frisch, zieht die Schuhe aus und kommt. <<
Dass sie jetzt sichtlich aufgeregt war, konnte sie nicht verbergen.
Ihr Gesicht war hochrot geworden.
Nervös griff sie sich mit der rechten Hand an die Nase und streichelte fortlaufend ihr Kinn.
>>Ist etwas mit Klara geschehen? <<, fragte Christine Seifert sofort und stieg vom Sessel auf.
>>Nein, nein! Es ist alles in Ordnung<<, erwiderte Anita Kramer völlig daneben und wusste gar nicht, was sie ihr antworten sollte.
Kurz darauf kam auch Karl-Heinz Kramer ins Zimmer. Er hatte sich umgezogen. In seinem dunkelblauen Hausanzug sah der 38-Jährige Grundschullehrer sehr jung und sportlich aus. Was Pfarrer Seefeld und Christine Seifert sofort auffiel. Seine linke Hand war verbunden und an seinem Kinn sah man eine frische ca.10 cm lange Kratzwunde, die bis zum Hals führte. >>Entschuldigt bitte, dass ich Euch warten ließ. Ich habe es mir etwas bequem gemacht. <<, erklärte er hüstelnd sichtlich nervös, fasste mit der Hand an seinen Mund und setzte sich neben Pfarrer Seefeld auf die Couch.
Dass ihn seine Frau verwundert ansah, bemerkte Seefeld sofort. >>Klara ist nach der Nachhilfestunde nicht zu Hause angekommen. Wann ist sie bei ihnen weggegangen?
Und wohin wollte sie gehen? <<, fragte Christine Seifert jetzt plötzlich gefasst vorwurfsvoll.
Kramer überlegte einen Augenblick, bevor er Antwort gab. >>Nachdem ich sie fragte, ob sie denn nicht abgeholt würde, antwortete sie. Dass es nicht nötig sei.
Sie ginge jetzt direkt nach Hause und finde alleine den Weg. So gegen 15:00 Uhr verließ sie dann gut gelaunt die Schule<<, erwiderte Kramer, stand auf, ging an den Wohnzimmerschrank und holte eine Flasche französischen Cognac heraus.
>>Sie auch einen, Herr Pfarrer? Oder sie Frau Seifert! <<, fragte er und hielt die Flasche hoch.
>>Nein danke, ich nicht<<, entgegnete ihm Christine Seifert, denn sie fand sein Verhalten in dieser Situation gar nicht gut.
Danach goss Karl-Heinz Kramer Pfarrer Seefeld einen Cognac ein und setzte sich wieder hin.
Sich selbst füllte er den Cognacschwenker drei viertel voll. >>Machen sie sich keine Sorgen! Klara kann nicht weit sein. Vielleicht ist sie mit einer ihrer Schulkameradinnen heimgegangen<<, sagte er, setzte sein Cognac Glas an und trank es mit einem kräftigen Zug aus.
Jetzt erst bemerkte er, dass ihn seine Frau dabei beobachtet hatte. Nie trank er so viel hochprozentigen Cognac auf einmal hinunter, dachte sie, schüttelte unverständlich den Kopf, verdrehte die Augen und holte tief Luft und atmete kräftig aus.
>>Wir müssen die Polizei verständigen, bevor es Nacht wird. << schlug Pfarrer Heinz Seefeld jetzt vor.
Christine Seifert, die jetzt zu weinen anfing, stimmte dem Vorschlag kopfnickend zu.
>>Fahren wir doch lieber gleich zur Polizeiwache und machen eine Vermisstenanzeige, damit man heute noch die Suche nach Klara beginnen kann<<, forderte Kramer plötzlich lautstark, um von seinem eigenartigen Verhalten abzulenken.
>>Würden Sie auch mit zur Polizei kommen? <<, fragte Christine Seifert hoffnungsvoll.
>>Ja, selbstverständlich! <<, erwiderte Kramer sofort und öffnete erneut die Schnapsflasche, um sich einen Cognac einzugießen. >>Jetzt reicht es aber! <<, ließ ihn seine Frau energisch wissen, nahm ihm die Flasche weg und stellte sie in den Schrank zurück. >>Er trinkt die letzte Zeit etwas zu viel Alkohol. Warum? Weiß ich auch nicht! <<, beschwerte sie sich und sah dabei Pfarrer Seefeld an.
Ihm konnte sie es ja sagen. Pfarrer Seefeld kannte schließlich die ganzen Familienverhältnisse der Kramers.
Vierwöchentlich kamen sie zu ihm zur Beichte. Auch wusste er, dass Anita Kramer schon seit zwei Jahren fremdging.
Mit wem, das hatte sie ihm nicht gebeichtet.
Als er vor der Lossprechung ihrer Sünden nach dem Grund gefragt hatte, antwortete sie ausweichend.
Es hätte sich viel verändert zwischen Karl-Heinz und ihr.
Auch Karl-Heinz Kramer hatte Pfarrer Seefeld seine pädophile Neigung während einer Beichte angedeutet und ihn um Rat gebeten, was er dagegen unternehmen könnte.
Wie konnte er ihm einen Rat geben. Er stand doch selbst unter dem Drang nach einem unüblichen menschlichen Sexualobjekt, wie die offene Gesellschaft es nannte.
Dazu quälte ihn zusätzlich noch das schlechte Gewissen gegenüber seinem Herrgott, dem er doch im Zölibat versprochen hatte, freiwillig in sexueller Askese zu leben.
„Die Sexualmoral in Rom ist ein vermintes Gebiet und unantastbar, das wussten Sie doch vor ihrer Priesterweihe, oder?“, belehrte ihn ein Geistlicher Rat, als er seine sexuellen Probleme anonym im Internat schilderte.
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