„Herr, dann lasst mich der Erste sein, der Euch von Herzen gratuliert!“ Seine offensichtliche Speichelleckerei war den meisten Anwesenden überaus verdriesslich. „Eure kaiserliche Majestät, Imperator Omnios der I., Herr über die gewaltigen Gaswelten!“
Der grossgewachsene, spindeldürre Sentis erinnerte mit seiner verschlagenen Art an ein übereilig geiferndes Wiesel. Als Marsianer, für den die Atmosphäre der Erde giftig und heiss war, trug er einen aus der Menge deutlich herausstechenden Schutzanzug. Viele der Anwesenden erhoben sich und applaudierten dem neuen Kaiser. Holographische Liveschaltungen von den Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun zeigten, wie vehement die Untertanen ihren neuen Kaiser feierten. Die Herrscherhäuser des Neptuns gingen vor Omnios sogar auf die Knie, um ihm ihren Tribut zu zollen. „Der Imperator hat uns vor der Ausbeutung gerettet. Preiset den Namen unseres Herrn, der uns befreit hat und in die behütende Isolation zurückkehren liess!“ Omnios badete geradezu in den ihn überhäufenden Zusprüchen und Lobgesängen. Sogar „Die Bestie“ wirkte erfreut. Aethas dämmerte nach und nach, dass Omnios doch der Drahtzieher hinter all diesen seltsamen Geschehnissen sein könnte. Der unterschätzte ehemalige Baron war offenbar wie ein hungriger Krake, der seine vielen Arme ausstreckte, um alles in seinen Bann ziehen zu können. Klimaka wandte sich Aethas zu.
„Wie findest du das? Ein neuer Imperator?“
„Er wäre nicht der Erste in der Geschichte, aber womöglich der bisher mächtigste. Jedenfalls hatten wir keinen Kaiser mehr seit Solarex IV. und dieser beherrschte vor allem die Venus, die Erde und den Mars.“, warf er ein. Omnios erhob überschattend seine Arme:
„Seien Sie gewiss, dass ich für Ordnung sorgen werde. Wir werden ein goldenes Zeitalter des Fortschrittes in meinem Imperium einleiten. Der Höhepunkt menschlicher Errungenschaften ist noch nicht erreicht worden. Seien Sie vergewissert, dass ich einige Überraschungen geplant habe. Mehr dazu jedoch später. Sie werden mich nun entschuldigen müssen. Ich muss mich meinen Verpflichtungen gegenüber meinem neuen Reich und seinen vielen Völkern zuwenden.“
Danach endete die Projektion schlagartig. Die Holo-Übertragung auf Aethas Schiff veränderte sich so, dass nur noch das lebensnahe Bild eines alten Mannes mit bedrückter Miene zu sehen war. Der in eine schlichte Robe gehüllte Mann sah Aethas mutlos an.
„Aethas, Sie haben es ja selber mitbekommen. Die verdammten Kaiser der Römer tanzen wohl gerade in ihren kalten Gräbern vor lauter Freude, dass nun endlich ein Nachfolger aufgetaucht ist.“ Aethas konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Vespasian, der nach einem archaischen Kaiser benannte Minister der stellaren Liga, hatte ironischerweise wenig für Monarchen übrig. Vespasian nahm das Grienen ohne Kommentar hin.
„Wie auch immer. Soll er sich von mir aus jeden Titel geben denn er möchte. Immerhin hat er den Bevölkerungen auf dem Uranus und Neptun beigestanden in einer Weise wie wir es niemals gekonnt hätten. Wir haben andere Probleme: auf dem Mars ist die Prunkbarke der Prinzessin Omorfo angegriffen und aufgebracht worden. Wir haben sofortige Hilfe angeboten. Sammeln Sie sofort ihr Team, Aethas. Sie werden dringend gebraucht. Ich wünsche, dass Sie unverzüglich zum Mars aufbrechen!“ „Aber Pygmachos ist noch nicht…“ warf Aethas ein.
„Aethas, das duldet keinen Aufschub! Pygmachos kann sich mit Euch im Orbit des Mars vereinigen.“
Skylos, der im Pilotensitz die Vorgänge von der Hauptbrücke aus per Neuralverbindung mitverfolgt hatte, schaltete unverzüglich den Antrieb der „Alepou Asteron“ ein und liess einen Kurs zum Mars berechnen. Wie aus einem Vulkan geschossene Lava überfluteten die Triebwerke den umgebenden Raum mit einer glühenden Feuersbrunst, die das Raumschiff in Richtung seines aktuell festgelegten Bestimmungsortes schob. Ebenfalls setzte Skylos eine Nachricht an Pygmachos aus, welche ihn umgehend zum Treffpunkt Mars bestellte. „Was ist da sonst noch, Aethas?“, fragte Vespasian.
„Dieser neue Kaiser könnte uns noch sehr gefährlich werden.“
„Ich weiss. Handeln sie vorsichtig und zurückhaltend. Wir können uns momentan kein diplomatisches Fiasko leisten.“
„Verstanden. Sollen wir sonst noch etwas erledigen?“
„Jetzt konzentrieren wir uns zuerst einmal auf die Probleme auf dem Mars. Gehen sie den Marsianern in diesen schweren Stunden zur Hand. Schützen Sie unbedingt König Okorimashita Endoxa! Wir sprechen später nochmals.“
Kapitel 4: Die Trauer auf dem Mars und die unerwartete Ankunft des Gelobten
Er war so schnell angereist, wie er nur konnte. Trotz seines Alters und angeschlagenen Gesundheitszustandes eilte Okorimashita Endoxa im Beisein seines Stabes, so schnell es ihm nur irgend möglich war, durch die überdimensionale Haupthalle des unterirdischen Chrysoberyll-Tempels. Er nahm aus den Augenwickeln Notiz von den alten Darstellungen, welche rasch an ihm vorbeizogen. Die grösste der vielen, kunstvoll aus feinem Malachit ausgearbeiteten Mosaikdarstellungen stellte den Gott Mars dar, wie er seine Feinde unter seinen Füssen niederwarf. Die Tempelhalle war so hoch, dass man das Dach des Gebäudes kaum erkennen konnte und es kam an und ab sogar vor, dass aufgrund der Weitläufigkeit Feuchtigkeit in dem monumentalen Raum zu Dunst kondensierte und ein leichter Nebel in Bodenhöhe auftauchte. Lichtquellen gab es nur wenige, vor allem in Form von Sonnenstahlen, welche durch die grossen lilafarbenen Quarzfenster Einlass in den Tempel fanden und durch das Feuer einzelner Fackeln, welche in der Wand in ihren Halterungen steckten. Der Tempel war mit Schaulustigen gesäumt und der tiefe Trauergesang, der in orangenen Roben gehüllten Tanvedra-Bruderschaft erfüllte die Halle. Die Tanvedra war eine neue populäre Sekte von Stoikern, welche jegliche genetischen Verbesserungen oder lebensverlängernde Massnahmen strikt ablehnten und das Werk „Selbstbetrachtungen“ des antiken römischen Philosophenkaisers Marcus Aurelius als ihre heilige Schrift akzeptierten. Die Überreste der Toten waren auf einigen auf das hastigste aufgestellten Steintischen aufgebahrt worden. Einem uneingeweihten Zuschauer musste die offene Zurschaustellung von verbrannten Knochen und Asche pietätlos erscheinen. Für die Marsianer jedoch war dies die konventionelle Totenpraktik. Geschlossene Särge aus Stein kannten die Marsianer nur für Könige und selbst dann erst nach der zeremoniellen Totenfeier. Okorimashita driftete mit den Gedanken ab vielleicht war die ganze Situation zu viel für ihn gewesen. Er empfand einen erschütternden Kummer. Hier hatte er seine Eltern und seine jüngeren Geschwister nach einem schrecklichen Shuttleunfall zu Grabe tragen müssen. Hier lag die Gruft aller seiner Ahnen. Auch seine jung verstorbene Frau Sadgynaika hatte hier ihre letzte Ruhe gefunden. Sollte er an diesem Ort nun auch noch unter Kummer sein einziges, geliebtes Kind der gerechten Gnade der Götter übergeben müssen? Er erreichte den Altar des Saals und traf dort den Hohepriester Prosefchetai Taneb und den Kommandanten des Militärstützpunktes, welche das Wrack der Barke zuerst gefunden hatten. Taneb war ganz in schwarz gekleidet (die Trauerfarbe der Marsianer) und schwang einen Eisenstab in der Luft herum und fuchtelte mit den Armen in Richtung des Himmels.
„Ich habe euch stets gewarnt, dass ihr zu naiv und schwach seid. Ihr wolltet immer nur verhandeln. Verhandeln, verhandeln, verhandeln! Das Schwert habt ihr seit langem verabscheut! Seht jetzt die Früchte eurer Taten, mein König! Die Götter sind erzürnt! Sie haben grosses Unglück über uns verhängt! Über uns alle, um euch für euren mangelnden Respekt für den Krieg, den Vater aller Dinge, zu bestrafen! Nur Blut kann die Götter jetzt noch besänftigen! Leben für Leben. So will es das alte, ungeschriebene, heilige Gesetz! Wir müssen die Götter wieder besänftigen oder unter den Beinen unserer Feinde zertrampelt werden!“
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