Vikendios rief als Beispiel auf einem grossen holographischen Bildschirm mehrere Nachrichtenartikel aus dem Sol-Net auf. Einer davon berichtete im Detail den angenommen Tathergang. Aethas stützte sein Kinn auf seine Hände. Es war ihm nicht möglich sich auf diesen Vorfall einen Reim machen zu können. Vielleicht war tatsächlich einfach ein Adeliger dem Wahnsinn anheimgefallen. Das war zwar seltsam antiquiert, konnte jedoch theoretisch immer noch in den besten Familien vorkommen.
Der rundliche Mediroboter richtete sich den Fenstern zu. „Wir bekommen Besuch, Herr. Ich registriere ein bald ankommendes Raumschiff.“
Aus dem Sichtfenster war jetzt deutlich ein bräunliches, an ausgestreckte Falkenflügel erinnerndes Shuttle erkennbar, welches sich der „Alepou Asteron“ langsam näherte. Der Roboter erkannte dank seiner leistungsfähigen Fotorezeptoren das Raumschiff selbst von dieser Distanz aus.
„Ah, Skylos kehrt zurück. Ich bereite die Dekontaminationskammer der Luftschleuse im Hangar-Andockbereich vor. Keine Sorge, es wird nicht lange dauern, aber wir müssen sicher sein, dass alle potenziell gefährlichen Keime und Erreger beseitigt werden.“ Der Roboter wandte sich kurz von Aethas ab, um die Andockprozeduren zu überwachen.
„Er wird wohl gleich bei uns sein, macht Euch keine Sorgen, Herr. Seine Anwesenheit wird Euch sicherlich aufheitern!“
Aethas nickte stumm zu. Er fühlte ein grummelndes Gefühl in der Magenregion und vernahm ein Knurren aus derselben Gegend.
„Ich bin hungrig, Vikendios. Hast du etwas zu essen da?“
„Nein. Nichts ausser den Kreislauf stabilisierenden Flüssigkeiten und Astronautennahrung, welche für spezielle Magen- und Darmerkrankungen sowie für einen Ausfall der Schwerelosigkeitsgeneratoren gedacht ist. Ich schlage aufgrund des schlechten Geschmacks vor, dass Ihr nicht einmal daran denken solltet, davon zu naschen. Ihr fragt mich übrigens jedes Mal nach dem Erwachen aus dem Tank, ob ich etwas zu essen da habe. Erwartet Ihr tatsächlich, dass sich plötzlich etwas daran ändert? Wo sollte ich hier denn Nahrung unterbringen? Alle Schränke und Schubladen sind bereits für medizinisches und wissenschaftliches Equipment ausgelastet. Wozu haben wir denn eine grosse Bordküche mit einer prall gefüllten Speisekammer?“
„Ja, ja. Ist ja schon gut. Es ist nur so, dass die Bordküche sich auf einem anderen Deck befindet. Aber, wenn du dich so anstellst? Du hättest ruhig rüber schweben und mir ein paar Nudeln holen können. Wie auch immer. Gehe ich halt selber zum Speiseraum und in die Küche.“
„Dann schlage ich vor, dass Ihr Euch selbst dorthin auf den Weg macht. Der kurze Fussweg ist ausserdem gut, um Euren Kreislauf wie in Schwung zu bringen.“
Aethas foppte Roboter gerne, da er wusste, dass die meisten menschlichen Humor entweder nur schlecht oder gar nicht verstehen konnten. Das war anders bei Vikdenios, denn dieser verstand menschliche Scherze er mochte sie allerdings nicht, obgleich er hin und wieder komödiantisches Talent an den Tag legte. Ob dies beabsichtigt war oder nicht, blieb nach wie vor unklar.
„Euer Kamerad ist jetzt da. Meine Sensoren sagen mir, dass Ihr Euch innert Sekunden seiner Gesellschaft erfreuen werdet.“
Die Tür öffnete sich mit einem lauten Zischen und tatsächlich trat nun endlich der vermisste Skylos ein. Der grosse aufrechtgehende Schakal trug einen blau-gelb gestreiften Raumanzug und trug einen Sack mit frisch erworbenen Gegenständen auf dem Rücken, welchen er mit der linken Hand festhielt. In der rechten Hand befand sich der zu dem Raumanzug gehörende Helm, welcher wie ein Goldfisch-Glass beschaffen war. Er hatte freudig seine langen, spitzen Ohren aufgestellt und ging auf Aethas zu. Bei seinem Näherkommen roch der Mensch den strengen Geruch von aggressiven Sterilisationsmitteln, welche noch von der Dekontaminationsprozedur herrührten.
„Mein Freund! Du bist aus deinem tiefen Schlaf erwacht?“, jauchzte der Schakal. Er verspürte den Wunsch das Gesicht des geliebten Menschen abzulecken, widerstand jedoch dem Trieb in dem Bewusstsein, dass Menschen generell diese Art von zuwendenden Gesten nicht mochten und sie gemeinhin als unhygienisch empfanden.
„Skylos, mein Freund! Ich freue mich ebenfalls dich nach all der Zeit nun endlich wiederzusehen!“
„Eigentlich hast du uns ja nicht verlassen, Aethas. Du warst ja immer da. Immer hier, unter der schützenden Aufsicht von Vikendios! Ich habe da noch etwas für dich ich weiss inzwischen, wie hungrig dich die Aufenthalte in den Tanks machen:“
Der Schakal griff in den Beutel auf seinem Rücken und warf Aethas einen Energieriegel zu, welchen er auf dem Jupiter erworben hatte. Der Mensch dankte es seinem kurzhaarigen Freund mit einer verbeugenden Geste.
„Du bist der Beste. Du hast also nicht vergessen, wie erfüllt von Hunger ich nach meiner Zeit im Tank bin?“
„Natürlich. Hat Vikendios dich über die Situation in Kenntnis gesetzt?“
„Ungefähr. Der Saturngrossherzog ist offenbar durchgedreht?“
Aethas biss gierig wie ein wildes Raubtier in den Riegel. Leider war der Beerengeschmack ernüchternd chemisch und fade. Doch wegen seines Kohldampfs war dies dem jungen Mann egal.
„Das ist bei weitem noch nicht alles. Das ganze Sonnensystem ist in heller Aufruhr! Es soll ebenfalls zu massiven Revolten auf dem Neptun gekommen sein. Offenbar haben sich die Ureinwohner der Ozeane gegen die verschiedenen Unternehmen gewendet, welche Gas und andere Elemente auf dem Planeten abgebaut haben. Jemand hat ihnen moderne Waffen und Ausrüstungen zur Verfügung gestellt. Wer da genau dahinter steckt, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit ermitteln. Die verwendeten Waffen sind mehrheitlich marsianischer Herkunft. Aber die Marsianer haben keinen ersichtlichen Grund, um sich gegen diese Unternehmen, welche ja teilweise selber marsianisch sind, zu stellen. Die den Rebellen zugeschobenen, gewaltigen Geldmittel sind seltsamerweise ebenfalls über dritte Parteien überwiesen worden. Den Krieg zwischen dem Sternenbund und den Merkurianern muss ich ja wohl kaum erwähnen, oder?“
Erstaunt kratzte sich Aethas am Hinterkopf. Hatte er so viel verschlafen?
„Das ergibt alles keinen Sinn. Wer will denn schon den Neptun?“, warf er nach einer Überlegung ein.
Der Schakal hob seine flache Hand und gab seinem Freund zu verstehen, dass er abwarten und weiterhin zuhören sollte.
„Warte Aethas, das war noch nicht alles. Da ist noch mehr: auf dem Uranus sind vor einer Weile ebenfalls riesige Unruhen ausgebrochen. Die Republik ich sollte wohl besser Oligarchie sagen – ist ebenfalls auf dem Weg, komplett zu kollabieren. Das wütende Volk hat sich aggressiv gegen den derzeitigen Konsul Predomon und seine angeblich korrupte Regierung gestellt. Mord und Totaschlag wüten überall auf den halbrunden Orbitalstädten! Mehrere Kuppeln sind von dem Militär bereits gesprengt worden und die Todeszahlen sind horrend hoch! Offenbar wollen die Jupiteraner der Uranus-Bevölkerung nun mit einer grossen Flotte aus Kriegsschiffen und Hilfsgütern zu Hilfe eilen!“
Der, immer von seinem langen Schlummer, immer noch schläfrige Mensch kam aus dem Staunen nicht mehr heraus Jupiteraner auf dem Uranus?
„Was ist nur geschehen seitdem ich geruht habe? Ist alles ausser Rand und Band geraten? Versinkt das ganze Sonnensystem denn schon im Chaos? Soll ich wieder in den Tank zurückkehren und wieder in tiefen Schlummer fallen? Es klingt fast so, als ob dies die beste Lösung wäre. Wohlan, Kameraden! Teilt mit mir die Wonnen der Schlafkammern!“
Skylos ignorierte die humoristische Einlage und fuhr unbeirrt mit seiner Berichterstattung fort:
„Offenbar gibt es neue Nachrichten: soeben sind bereits mehrere Truppentransporter mit Kampfrobotern und Lykanthropen vom Jupiter auf dem Uranus eingetroffen. Es ist zu einer Bombardierung der Regierungskuppel und mehreren Militäreinrichtungen aus dem Weltraum durch die Jupiteraner gekommen. Ein Grossteil der herrschenden Klasse, Politiker wie Militärangehörige des Uranus, ist dadurch ums Leben gekommen. Das fortwährende, flächendeckende Bombardement hat weite Teile der Regierungs- und Verwaltungsgebäude ausgelöscht.“
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