Fragend schaute die Familie sie an.
„Durch den hohen Blutverlust, den er erlitten hat, waren Bluttransfusionen nötig. Die Konzentration an LSD in seinem Blut, das wir analysiert haben, wäre tödlich gewesen. Wenn er sich also nicht die Pulsader aufgeschnitten hätte, wäre er an einer Überdosis gestorben.“
Ergriffen von der Ironie des Schicksals sah Denniz die Krankenschwester an, danach seine Mutter. Diese schluckte tief und drückte Denniz Hand stärker. Wieder lief eine Träne über ihr Gesicht.
Tatsächlich hatte der Selbstmordversuch ihrem Sohn das Leben gerettet.
Kurze Zeit später kamen auch Denniz Freunde ins Krankenhaus zu Besuch und hatten gute Neuigkeiten. Gespannt hörten alle den neuen Entwicklungen bei der Untersuchung der Polizei zu.
Nachdem Denniz in Untersuchungshaft gekommen war, hatten Jennifer und Beni sich Gedanken gemacht, wie diese Anschuldigung durch die Spermaprobe bestätigt werden konnte. Nach den Befragungen und nachdem sie sich von Denniz verabschieden musste, war Sofie nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen, sass im Polizeigebäude auf einer Bank im Flur und schüttelte nur den Kopf. Jennifer sass zu ihr uns nahm sie in den Arm.
Sofie schluchzte: „Ich kann es nicht fassen, ich beginne zu zweifeln, ob ich meinem Freund wirklich vertrauen kann oder ob es wahr sein könnte und ich mit einem Vergewaltiger zusammen bin.“
Jennifer packte sie an den Schultern, drehte sie zu ihr und schüttele sie energisch: „So etwas darfst du gar nicht denken, hörst du? Es wird sich alles aufklären glaub mir!“
„Meinst du? Und wenn es wahr ist?“
„Denniz hat das nicht getan! Und wir werden das beweisen, da bin ich ganz sicher!“ Jennifers Ausdruck war eindringlich.
Sofie weinte weiter und Jennifer senkte ebenfalls resigniert den Kopf. Doch dann hatte sie plötzlich eine Idee. Sie fasste Sofie am Kinn, zwang sie so dazu, ihr in die Augen zu sehen und fragte: „Wann hattet ihr das letzte Mal Sex?“
Verwirrt schüttelte Sofie den Kopf und sah sie an. Dann antwortete sie stotternd: „Heute morgen, wieso?“
„Und wann davor?“ wollte Jennifer wissen.
Sofie zögerte.
„Ich will dich ja nicht einfach aus Neugier über dein Sexleben ausquetschen, sondern ich versuche Denniz zu helfen.“
„Vor zwei Tagen.“ gab sie dann schliesslich kleinlaut an.
Die Frage, ob es mit Kondom war, bestätigte sie ebenfalls.
Jennifer sah Beni an. Sie waren seit drei Tagen in diesem Hotel. Denniz hatte dieser Schlampe Tonia gegenüber, sie war Sofie und Jennifer von Anfang an nicht sympathisch gewesen, am ersten Abend in Köln, als sie wieder mal backstage aufkreuzte, den Namen des Hotels erwähnt.
Jennifer packte Jason am Arm: „Fahr uns ins Hotel, bitte!“
Jason war der Einzige, der bereits Autofahren konnte. Beni begleitete die beiden ebenfalls. Im Hotel angekommen ging Jennifer zur Rezeption, fragte nach der Zimmernummer von Sofie und Denniz und verlangte den Schlüssel. Anstandslos bekam sie ihn. Beni und Jason sahen sich verwundert an, wie einfach das war und folgten ihr auf das Zimmer. Jennifer stürzte sich auf die Abfälle im Zimmer und in der Toilette. Das Zimmermädchen war nicht gekommen, da an der Türe immer noch das „Bitte nicht stören“-Schild hing. Jennifer wusste, dass es Denniz nicht mochte, wenn Zimmermädchen seine Sachen aufräumten, deshalb hatte er aus Prinzip immer das Schild an die Türklinke gehängt.
Sie wühlte in den Eimern und sah dann kurz hoch zu Beni und Jason: „Was man nicht alles für einen Freund tut.“
Sie fand aber nur ein Kondom, eigentlich müssten es zwei sein.
„Es könnte auch im Klo gelandet sein.“ meinte Beni.
„Das ist aber unwahrscheinlich, entweder man gehört zu den Menschen, die Kondome das Klo runterspülen oder zu denen, die sie in den Müll werfen, aber man macht es meist nicht einmal so und das nächste Mal anders.“
Sie gingen wieder runter an die Rezeption und Jennifer fuhr den Mann hinter der Theke bestimmt an: „Ist es in diesem Hotel üblich, einfach so jedermann den Zimmerschlüssel zu geben, der danach fragt? Vor allem nachdem hier heute Morgen die Polizei war und genau dieses Zimmer stürmte?“
Der Rezeptionist stotterte: „Ich bin heute Morgen gar nicht da gewesen. Ich habe heute Spätschicht und von der Polizei weiss ich nichts. Aber man kann ja auch nicht jeden Gast auswendig kennen. Manchmal hat man sie auch nicht selbst eingecheckt oder es ist die zweite Person in einem Doppelzimmer. Von jedem den Ausweis zu verlangen, wäre ja auch etwas zu viel des Guten. Bisher haben wir damit aber noch nie Probleme gehabt.“ versuchte er sich zu rechtfertigen.
„Können Sie sich daran erinnern, ob ein blondes Mädchen in den letzten zwei Tagen einmal nach dieser Zimmernummer gefragt hat?
Der Rezeptionist überlegte kurz: „Ja! Ich kann mich an so ein Mädchen erinnern, sie ist mir etwas verwirrt vorgekommen. Ich kann allerdings nicht mehr genau sagen, um welche Zimmernummer es sich handelte. Jennifer blickte nach oben und sah sich um. Sie entdeckte eine Videokamera.
„Wird hier alles durchgehend aufgezeichnet?“ fragte sie.
Stolz, doch noch seine Ehre retten zu können, antwortete der Rezeptionist: „Ja! Das wird es! Und die Bänder werden über Monate aufbewahrt!“
Der Rest war dann eine kurze Geschichte. Die Bänder der Videokamera wurden dank der Eigeninitiative der Jugendlichen sichergestellt und überprüft. Tatsächlich konnte man auf den Videos Tonia erkennen, wie sie sich an der Rezeption einen Schlüssel holte. Als der Polizeibeamte sie mit dem Video konfrontierte, verlor sie die Fassung und gab unter Tränen zu, dass sie die Vergewaltigung nur erfunden hatte. Tonia hatte nun selbst eine Anzeige am Hals und die Vorwürfe gegen Denniz wurden fallengelassen. Zurück auf dem Polizeiposten hatten Sofie, Jennifer, Beni und Jason dann auch erfahren, was mit Denniz geschehen war und fuhren umgehend ins Krankenhaus. So waren sie nun hier.
Denniz schüttelte betroffen und zugleich auch erleichtert den Kopf und sah seine Freunde an: „Ihr wisst gar nicht, wie dankbar ich euch bin! Vielen, vielen Dank!“
Denniz liebte seine Familie. Der Selbstmordversuch hatte sie sogar noch mehr zusammengeschweisst. Seine Mutter redete oft mit ihm. Er empfand es nicht als nervend oder aufdringlich. Er hatte das Gefühl, ihr das schuldig zu sein und es tat ihm gut. Zwar empfang er es im Generellen unnötig über seine Gefühle zu reden, da dies nichts änderte an der Sinnlosigkeit, die er im Leben sah, doch fühlte er sich jeweils danach irgendwie besser.
Er öffnete sich diesbezüglich nicht vielen Menschen, er wollte damit auch niemanden belästigen oder gar noch in eine depressive Stimmung mit hineinziehen. Meist war das Papier, auf dem er seine Songs schrieb, der einzige geduldige Zuhörer.
Doch nun redete er mit seiner Mutter darüber, weil es sich gut anfühlte und es ihm wichtig war, dass sie ihm nicht böse war und sie verstand, dass er ihr mit dem Selbstmordversuch nicht weh tun wollte. Auch sie berührten diese Gespräche sehr, die Vergangenheit wurde wieder hochgeholt und sie wurde schmerzlich daran erinnert, was sie in ihrer Vergangenheit durchgemacht hatte. Trotzdem war es ihr wichtig, dass Denniz das alles, die ganzen Einzelheiten aus der Vergangenheit, erfuhr. Je älter er wurde, desto mehr konnte sie ihm erzählen, so dass er es auch zu verstehen fähig war. Immer wieder aufs Neue sah sie ihn an und konnte es nicht fassen wie er seinem Vater immer mehr ähnelte. Die strahlend blauen Augen, die gleichen Gesichtszüge, es machte ihr fast Angst, dass er wohl, wenn er älter ist, genauso aussehen würde wie sein Vater.
Mit seinem Stiefvater, Jonathan, hatte er zwar ein gutes Verhältnis, er sah ihn eigentlich auch als Vater, doch gab es Situationen, wo ihm seine Mutter klar machte, dass er das nicht war. Wie damals, als er und Beni an eine Party in Zürich wollten. Jonathan war dagegen, er fand die beiden seien zu jung für eine Party dieser Art, sie war auch erst ab 18 und Denniz fehlten noch einige Tage bis dahin.
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