1 ...8 9 10 12 13 14 ...24 „Deshalb habe ich es mit diesem jungen Mann hier auch anders vor, als du zu denken scheinst. Ich beabsichtige, ihn auf unserem nächsten Jagdzug mitzunehmen und ihm die Grundausbildung zu verpassen, wenn ihr versteht, was ich meine!“
Rums! Da war es raus! Nun kam auch Mrs. Thick und lächelte von einem Ohr zum anderen. Sie hatte alles gehört und stellte das erste Bier vor meine Nase, von den Worten begleitet:
„Wohl bekomm‘s, Leo. Auf den Schreck brauchst du sicher einen Schluck!“
Die anderen lachten aus vollem Halse und nachdem Mrs. Thick die Biere verteilt hatte, prosteten sie mir zu, womit sie wohl auch ihre Zustimmung zu Firehands Plänen erteilten.
Da hatte ich also, ohne etwas sagen oder tun zu müssen, erreicht, was ich nicht zu hoffen gewagt hatte. Ja, ich hatte vor, genau das, was Firehand nun selbst vorgeschlagen hatte, zu erbitten, war aber sicher gewesen, abgewiesen zu werden.
Ich war glücklich. Mein Vorhaben konnte also beginnen. Nur Mr. Wallace musste ich noch überzeugen. Aber der musste einfach zustimmen, es durfte jetzt nicht scheitern. Firehand strahlte mich förmlich an und fragte leise, so dass die anderen am Tisch davon nichts mitbekamen:
„Ich kann wohl annehmen, dass ich mit meinen Plänen deinem Ansinnen zuvorgekommen bin?“
„Mr. Firehand, Ihr ahnt ja nicht, wie glücklich ich bin, dass Ihr mich mit Euch nehmen wollt. Ich kann so vieles von Euch und Euren Kameraden lernen. Mich treibt meine Geschichte, die Ihr ja genau kennt.
Ich muss meine Familie und die Mörder finden und diese ihrer gerechten Strafe zuführen. Das alles bringe ich nur mit Eurer Hilfe fertig. Ich bin Euch also zu Dank verpflichtet und weiß doch nicht, wie ich diesen Dank abstatten soll.“
„Leo, rede bitte nicht von Dankespflichten. Was ich tue, tue ich aus Anteilnahme und meine Kameraden werden dies nicht in Frage stellen, sondern im Gegenteil gerne unterstützen. Wer weiß, ob nicht eines Tages einer von uns Männern hier am Tisch, dir zu noch viel mehr Dank verpflichtet sein wird.
Wie du soeben von Korner gehört hast, ist das Leben da draußen im Indianerland alles andere, als gemütlich und leicht kann der Stock verkehrt den Fluss hinab schwimmen12 . Aber wir werden dich schon auf die richtige Fährte setzen und dir helfen, dein Vermächtnis zu erfüllen.“
Jetzt hatte ich einen Kloß im Hals und wusste nicht, was ich sagen sollte. Firehand schaute auf, weil in diesem Moment die Türe ging und jemand eintrat. Ich saß mit dem Rücken dorthin und konnte deshalb nicht sehen, was vorging. Aber ich sah Mrs. Thick, deren Lächeln jetzt, soweit dies überhaupt möglich war, noch breiter wurde und daher drehte ich mich auf meinem Stuhl um.
Und dort stand … Mr. Wallace und an seiner Seite … Mrs. Smith! Beide lächelten mich an. Ich war vor Staunen stumm und mochte wohl einen nicht gerade intelligenten Gesichtsausdruck gemacht haben.
Bulcher klopfte mir fest auf den Rücken und bellte: „Verschluck dich nicht Junge! Stell‘ uns die Leute lieber vor, die du da so geistreich anstarrst!“
Die Männer brachen erneut in Gelächter aus und Mr. Wallace kam auf mich zu, zog mich vom Stuhl zu sich heran drückte mich fest an sich und sagte:
„Leo, mein Junge, diese Überraschung dürfte uns geglückt sein!“
In seinem Rücken stand Mrs. Smith und als ich kurz zu ihr aufblickte, hielt sie ihren rechten Daumen in die Höhe.
Ich antwortete ihm mit einer Frage:
„Du hast das also angezettelt?“
„Lass gut sein, Junge! Mrs. Smith möchte dir auch für deinen Weg alles Gute wünschen.“
Daraufhin nahm auch sie mich einfach in den Arm und drückte mich fest. Sie sagte nichts aber ich konnte ihr ansehen, dass sie sehr bewegt war.
Jetzt fragte ich wieder:
„Habt Ihr Euch denn alle verschworen, um mir diese Überraschung zu bereiten?“
Das darauffolgende Schweigen und die drei lächelnden Gesichter Firehands, Mrs. Smith‘ und Mr. Wallace‘ waren mehr als beredt.
Wir setzten uns alle wieder hin und die neu hinzugekommenen wurden vorgestellt. Dass sich jetzt eine Dame am Tisch befand, war für die ziemlich rauen Burschen etwas Neues, wie es auch überhaupt ziemlich ungewöhnlich war. Aber an diesem besonderen Abend, war das allenfalls eine Randnote.
Ich konnte mein Glück gar nicht fassen und so kam es, dass ich den weiteren Gesprächen nicht richtig folgte. Der Abend verging und ich ging mit Mr. Wallace und ... Mrs. Smith nach Hause.
Anscheinend hatte ich, da ich in den letzten Wochen ausschließlich mit meinen eigenen Problemen beschäftigt war, so einiges nicht mitbekommen. Natürlich in erster Linie, dass Mr. Wallace offensichtlich, seit er mir die Wahrheit über meine Herkunft erzählt hatte, geplant hatte, was heute Abend auch für mich offenbar wurde. Nämlich, dass ich mich auf eigene Faust auf die Suche machen sollte und dazu bei den richtigen Leuten die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben sollte.
Darüber hinaus hatte ich aber auch nichts davon bemerkt, dass er und Mrs. Smith sich nähergekommen waren. Hatte er doch endlich seine Scheu überwunden? Es musste wohl so sein, denn er führte sie ja soeben am Arm, mich im Schlepptau, die Firestreet entlang. Als wir an unserem Haus ankamen, meinte er, ich solle schon einmal hineingehen, er werde nur noch Mrs. Smith nach Hause begleiten.
Ich verabschiedete mich also von ihr und sie lächelte mir noch einmal zu und sagte:
„Ich freue mich so für dich, Leo, dass du dem so großen Wunsch nun einen Schritt nähergekommen bist, deine Familie suchen zu können. Ich hoffe für dich, dass die Deinen noch am Leben sind und dass du sie findest. Aber bitte pass‘ auf dich auf! Ich würde mich freuen, dich bald gesund und wohlbehalten wieder hier zu haben!“
Ich dankte ihr von ganzem Herzen und hatte auch gar nichts dagegen, dass sie von Mr. Wallace offensichtlich eingeweiht worden war. Ich fragte mich, welchen Anteil sie wohl daran hatte, dass alles so gekommen war. Ich ging also hinein und ließ die beiden allein.
Als ich zu Bett ging, gingen mir doch noch die Gespräche dieses Abends bei Mother Thick‘s durch den Kopf. Ich hatte mich zwar nicht mehr an diesen beteiligt, aber wohl doch alles erfasst.
Jedenfalls konnte ich mich nun, allein in meinem Zimmer, des Inhaltes der Unterhaltung erinnern. Es war auffällig, dass kein Wort über mein „Vermächtnis“, wie Firehand sich ausgedrückt hatte, am Tisch geäußert worden war. Mr. Wallace, Firehand und Mrs. Smith schienen in stillem Einverständnis darüber zu sein, dass die Gründe für meine „Ausbildung“ zum Jäger und Prairieläufer im Privaten bleiben sollten und dafür war ich ihnen dankbar.
Niemand brauchte zu wissen, was in meiner Familie vorgefallen war. Das konnte ich gut mit mir allein ausmachen. Wie ich nun wusste, gab es außer Mr. Wallace, meinem Ziehvater, noch zwei weitere Personen, die in diese Geschehnisse eingeweiht waren und beide hatten schon bewiesen, dass sie diese Dinge für sich behalten würden. Wenn ich darüber reden wollte, hätte ich wohl in allen dreien Menschen, zu denen ich Vertrauen haben konnte.
Des Weiteren war besprochen worden, dass es, bis zu unserem Aufbruch, nur noch wenige Tage sein würden. Firehand wollte noch auf zwei weitere Kameraden warten, deren Kommen für den nächsten Freitag, also in drei Tagen erwartet wurde. Ihnen würde dann noch ein Tag zum Ausruhen gegönnt und dann sollte es losgehen.
Er hatte sich für den nächsten Morgen angekündigt, um mich „standesgemäß“ auszustatten, wie er sich ausdrückte. Ich rechnete damit, dass er früh hier sein werde und zwang mich daher nun endlich zu schlafen.
Wie ich berechnet hatte, so geschah es; Firehand hatte mit Mr. Wallace vereinbart, ein gemeinsames Frühstück einzunehmen und mich dann zum Einkauf mitzunehmen. Also war er bereits gegen sieben Uhr gekommen und so beeilte ich mich, auch fertig zu werden und am Frühstück teilzunehmen.
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