Firehand sah zu mir herüber und sagte:
„Leo wird schon mit dem Appaloosa Freundschaft schließen, nicht wahr?“
Ich spielte meine Rolle und machte daraufhin ein verzagtes Gesicht.
„Ist er nicht ein bisschen zu groß für mich, Mr. Firehand? Bedenkt, ich bin Anfänger.“
„Ich sehe da kein Problem, mit uns wirst du schon noch das Reiten lernen, da bin ich sicher. Aber Masterson, über den Preis müssen wir schon noch ein wenig verhandeln. Ich denke, dass der Hengst schon ein paar Tage auf dieser Mutter Erde weilt und nicht mehr der Jüngste ist. Da erscheinen mir einhundertfünfzig Dollar doch zu viel. Ich gebe Euch achtzig für das Tier und meine, dass es damit noch gut bezahlt wäre.“
Jetzt setzte Masterson ein beleidigtes Gesicht auf, wobei ich doch merkte, dass die Sache anfing, ihm Spaß zu machen. Er war halt Pferdehändler durch und durch und hatte den Preis sicherlich viel zu hoch angesetzt, was Firehand natürlich wusste. Masterson sagte:
„ Pshaw , wollt Ihr mich beleidigen? Ich drehe doch einem solchen Mann wie Ihr es seid, keinen abgehalfterten Gaul an, der seine besten Tage hinter sich hat. Gut, er hat seine zwölf Jahre in den Beinen, damit ist er kein Jüngling mehr. Das macht er aber durch Reife wett.
War immer in guter Hand das Tier. Gehörte einem alten Mountain-Man. Auf seinem letzten Ritt ist er allerdings in einen Hinterhalt der Oglala-Lakota 19geraten und wurde vom Pferd geschossen. Einer seiner langjährigen Kameraden, dem sie sein eigenes Pferd getötet hatten, konnte auf dem Appaloosa entkommen. Der Mann hatte vom Leben in den Prairien und Wäldern damit genug und ging zurück in Osten. Vorher verkaufte er mir das Tier.“
„Hm, die gute Hand kann ich dem Tier ansehen. Aber zwölf Jahre sind zwölf Jahre und was Ihr Reife nennt, könnten bei unserem Vorhaben, bei dem wir vermutlich monatelang im Westen bleiben werden, auch ausgewachsene Mucken werden. Wer weiß, was der Alte dem Tier so alles anerzogen hat und wie es sich in Feindesnähe bewährt. Ein junges Tier könnten wir noch selbst schulen. Ich bleibe also bei achtzig, Mr. Masterson.“
„Nun, wenn Ihr es von dieser Seite betrachtet, kann ich wenig dagegen vorbringen, meine aber doch, dass einige Jahre in der Hand eines erfahrenen Jägers auch etwas wert sind. Ich sage also, für einhundertzwanzig könnt Ihr ihn haben.“
„Ich sehe das, wie ich schon sagte, anders, akzeptiere aber, dass Ihr beim Ankauf sicherlich auch schon den Verkauf kalkuliert habt. Ich biete daher neunzig Dollar aber auch keinen Cent mehr.“
Hier brachte ich mich wieder ein und sagte:
„Aber Mr. Firehand, wirklich, ich denke nicht, dass der Appaloosa und ich zusammenpassen. Ich würde mich auf einem weniger hohen Tier sicherer fühlen.“
„Wirklich, Junge? Hm, da muss ich wohl Rücksicht auf dich nehmen und von dieser Wahl abstehen.“
Er wandte sich wieder an Masterson.
„Habt‘s gehört, wird wohl nichts werden mit unserem Handel. Das Stockmaß Eures Appaloosas ist mit gut sechzig Zoll 20wohl doch ein wenig zu groß für unseren Neuling hier. Wahrscheinlich hat er sogar recht mit seinen Bedenken.“
„Nicht so schnell, Mister Firehand, kommen wir doch noch einmal auf den Morgan zurück. Ist ein wirklich schönes Tier und hat mit einem Stockmaß von nur fünfundfünfzig Zoll 21vielleicht die richtige Größe für unseren jungen Mann.“
„Ein Morgan-Hengst, ja?“, meinte Firehand mit jetzt wieder bedenklichem Gesicht. „Sicher, dass das eine brauchbare Rasse ist? Weiß nur, dass sie noch nicht allzu lange gezüchtet werden und als stark und ausdauernd gelten, aber wie ich schon sagte, habe ich meine Zweifel, was die Schnelligkeit angeht.“
„Macht Euch doch da keine Sorgen, einige Tiere dieser Rasse haben schon Preise gewonnen. Und dieses Pferd hier ist noch sehr jung, gerade drei Jahre, also im Grunde genau das, wonach Ihr suchtet. Für hundert Dollar lasse ich ihn Euch. Das ist geradezu geschenkt.“
Jetzt blitzten Firehands Augen kurz auf, weil er Masterson nun dort hatte, wohin er ihn haben wollte.
„Sagtet Ihr nicht eben noch, dass Ihr den Morgan billiger machen könntet, als den Appaloosa? Für den hätte ich neunzig gegeben, so kann ich hier unmöglich hundert Dollar auf den Tisch legen. Ich gebe für dieses Tier allenfalls sechzig.“
„Nun macht aber mal halblang, Mr. Firehand. Sechzig sind nun wirklich zu wenig bezahlt. Da leg ich ja am Ende noch drauf. Stammt aus meiner eigenen Zucht das Tier und ich weiß, was es mich kostet, einen Dreijährigen zu ziehen. Neunzig, mein letztes Wort!“, er streckte Firehand die Hand hin, dieser erwiderte:
„Ich gebe Euch fünfundachtzig, bekomme dann aber das Zaumzeug und einen ordentlichen Sattel dazu!“
Masterson hatte jetzt die Hand wieder in die Tasche gesteckt, überlegte ein paar Sekunden und schlug dann in die von Firehand dargebotene Rechte ein.
„Der Handel gilt, kommt mit in mein Office wo wir das Geschäft noch bei einem Drink besiegeln.“
Er machte ein zufriedenes Gesicht, fühlte sich also nicht übervorteilt. Firehand schien mit dem Preis auch zufrieden, so dass der angedachte faire Preis wohl bei dem Geschäft herausgekommen war.
Ich für meinen Teil war auch glücklich, da ich sicher war, dass Firehand wusste, was er tat, indem er den Morgan für mich ausgesucht hatte. Außerdem gefiel mir das Tier auch selbst sehr gut. Ich hatte zwar keinen „Pferdeverstand“, dachte aber, dass er ein schönes, gutmütiges Tier sei.
Als wir Masterson, nun mit unserer Neuerwerbung, verließen, meinte Firehand, ich solle doch einmal aufsitzen, er werde neben mir hergehen. Weit müsse er nicht laufen, da Mr. Heintz, der Gunsmith auf der Highstreet, gleich um die nächste Ecke, bereits auf uns warte.
Er wollte dort, ohne Zeitverzug, zunächst die Schussprobe machen und dann meine Bewaffnung vornehmen. Nachmittags wollte er dann den bereits erwähnten Ausritt unternehmen. Bei Masterson hatte ich, gemäß der Absprache mit Mr. Wallace, dessen Namen für die Begleichung des Rechnungsbetrages angegeben. Wie erwartet, stellte das kein Problem dar. Masterson wünschte mir viel Glück mit dem Tier.
Auf dem Weg zum Gunsmith bedankte ich mich bei Firehand für die Hilfe beim Kauf meines neuen Gefährten. Firehand winkte ab und sagte:
„Für Selbstverständlichkeiten ist kein Dank notwendig, Leo. Wir sind jetzt Kameraden und unter solchen brauchen keine überflüssigen Worte gemacht werden. Ich habe Freude daran, aus dir einen Jäger und Pfadfinder zu machen und werde daher ein Auge auf dich haben und dich solange wie nötig unterstützen.“
Dazu gab es nichts weiter zu sagen und so fragte ich nach einer kurzen Weile:
„Welchen Namen soll ich meinem Pferd geben? Es muss doch einen Namen tragen. Mir fällt aber nichts Passendes ein.“
„Ich würde einfach noch ein wenig warten. Irgendwann wird sich ein Name von selbst ergeben. Die meisten von uns geben ihren Tieren Namen nach deren Eigenschaften.“
Dabei ließ ich es bewenden. Gelegenheiten, die Eigenschaften meines Pferdes kennenzulernen, würden sich wohl noch einige ergeben.
Jetzt hatten wir den Store22 des Gunsmith erreicht. Ich band den Morgan an und wir betraten das Geschäft. Mr. Heintz war nicht zu sehen. Man hörte in einem Nebenraum ein Geräusch wie von einer Feile, was ja auch naheliegend war. Firehand rief nach dem Inhaber:
„Mr. Heintz? Seid Ihr da? Ich bin’s, Old Firehand! Habe den Jungen dabei!“
Jetzt hörten wir einen quietschenden Drehstuhl und Mr. Heintz kam durch die Tür, hinter der sich offenbar seine Werkstatt befand. Dem Mann sah man den Tüftler auf einhundert Schritt an. Er war einen ganzen Kopf kleiner als ich und leicht untersetzt. Bis auf einen grauen Haarkranz war sein Kopf kahl. Auf seiner Nase befand sich eine Halbbrille mit sehr starken Gläsern, über deren Ränder er uns freundlich ansah. Nun sprach er mit einer dunklen Stimme, die man bei dem Männchen gar nicht erwartet hätte:
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