Wenn man aufmerksamer beobachtet, wenn man den Oberkörper der Inderinnen ins Auge fasst, – und das sehr kurze, eng an die Haut sich anschmiegende Leibchen kann die Formen nicht verschweigen, – dann wird man in den Straßen von Bombay oft genug die Entdeckung machen: die Beine sind recht schmächtig, in ihrer ganzen Ausdehnung, und auch die seitlichen Leibeskonturen bezeugen Schlankheit, ja Zartheit, aber siehe, welch voll und reich entwickelte Brüste!
Als hätte Mutter Natur in weiser Fürsorge sich von der Erwägung leiten lassen: mögen die anderen Körperformen karg zugemessen sein, – das eine Organ, das ich zur Wohlfahrt des Säuglings brauche, zu Nutz und Frommen der Gattung, das darf mir nicht verkümmert werden.
– Man hat dergestalt in den Gassen von Bombay, in der Tramway, an Bord des Dampfers hinlänglich Gelegenheit, die Weisheit der Natur zu bewundern, sowohl die verhüllte als auch die unverhüllte, und man wird dabei nicht umhin können, seine Urteile in der Frage „Mager oder nicht-mager?“ zu prüfen und mit den Tatsachen in Einklang zu bringen.
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Die Suklajistreet ist, wie ich seinerzeit berichtet habe, gewissermaßen die Zentralgasse des Freudenstadtteiles Kamatipura, in ihr lebt und liebt ein bunter Schwarm verschiedenartiger Buhlerinnen: Japanerinnen, Inderinnen, Somali-Mädchen, Europäerinnen und andere.
Die erste Freudenmädchengasse von Bombay, die ich im Februar dieses Jahres, während meiner ersten Bombay-Reise kennen lernte, war eben die Suklajistreet und sie zeigte mir wie in einem Extrakt, wie in einer gedrängten Übersicht, den Inhalt des ganzen Freudenmädchen-Bezirkes.
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Die Hindu-Mädchen – und im weiteren Sinne die Inderinnen – sind unter allen Freudenmädchen von Bombay die am wenigsten geschätzten.
Das ist eigentlich einigermaßen merkwürdig. Denn manches indische Mädchen ist in Gesichts- und Körpergestaltung manchem Kamatipura-Mädchen anderen Volksstammes zum mindesten ebenwertig. Aber: nemo propheta in patria (kein Prophet in deinem Land).
Außerdem verstehen die indischen Mädchen nicht, „sich in Szene zu setzen“. Zumeist treten sie als bettelarme Geschöpfe ins Freudenmädchentum ein und diese Anfangsarmut ist der Urgrund, auf dem ihre lebenslängliche Dürftigkeit zustande kommt; weil sie von Beginn an so arm sind, bescheiden sie sich mit sehr geringen Lohnforderungen und entwerten sich solcherart selber.
Denn in Kamatipura und auf dergleichen Märkten gilt das Gesetz: einen je geringeren Preis die Hetäre verlangt, desto geringeren Wert misst ihr der Mann bei.
In dem Mann entsteht die Suggestion: sie mag wenig wert sein, da sie selber ihren Preis so niedrig ansetzt.
Man taxiert den Wert nach dem Preis. Sie gibt sich wenig Preis, um weniges „gibt sie sich preis“, sie bietet sich „sehr preiswert“ an und erscheint dadurch weniger wert, – weniger begehrenswert.
Circulus: weil sie arm, des Geldes sehr bedürftig ist, fordert sie wenig Geld; weil sie wenig fordert, bleibt sie arm und dürftig. Würde sie mehr verlangen, würde sie mehr verlangt sein. Und wäre sie mehr begehrt, dürfte sie sich's erlauben, mehr zu begehren.
Als ich jüngst wieder mal in Gesellschaft; die Suklajistreet besuchte, wollten wir auch in die Preisverhältnisse Einblick gewinnen, wir machten auf unserem Spaziergang vor mehreren Käfigen Halt und befragten die indischen Insassinnen, wie viel ihre Taxe betrage.
Das englische „How much?“, die Frage: „Wie viel?“, wird von vielen indischen Mädchen verstanden, mögen deren fremdsprachliche Kenntnisse im Übrigen auch noch so spärlich sein. „How much?“ und die englischen Vokabeln der nötigsten Zahlwörter sind in Kamatipura wichtige termini technici des Berufswortschatzes.
Auf unsere Anfrage wurde uns für gewöhnlich geantwortet: 1 Rupie.
Aber auch 8 Annas, also ½ Rupie, wurde da und dort als Taxe angegeben.
8 Annas, – das sind ungefähr 67 Pfennige …
Und die Fama berichtet in Bombay, dass diese armen Geschöpfe in berücksichtigenswerten Fällen ihren Leib sogar noch um geringeren Preis verleihen, in Fällen, wo sich's um eingeborene Besucher handelt.
Ins Bereich des oben erwähnten unerbittlichen Circulus, der diese indischen Freudenmädchen aus ihrer Armut nicht hinauslässt, gehört auch die klägliche Beschaffenheit der vergitterten Zelle.
Da sie arm sind, sind sie nicht in der Lage, den lockenden Rahmen einer hübschen Wohnung zu beschaffen, und da ihre Wohnung so wenig anziehend ist, bleiben die Mädchen arm an Besuchern und Einkünften.
Wenn auch vielleicht das eine oder andere dieser indischen Kamatipura-Mädchen Verständnis dafür hat, wie viel in erotischen Angelegenheiten auf Rahmen, Kostümierung und Hintergrund ankommt, welche Werbekraft von der nett bemalten Kulisse ausgeht, so gebricht es den armen braunen Mädchen hier in Bombay dennoch an Geldmitteln zur Realisierung solcher Erkenntnis.
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