„Hm?“, machte Sam und drehte sich zu ihr um.
„Du heißt gar nicht Baker?“
„Nein.“
„Aber Sam stimmt?“
„Samuel eigentlich, aber so nennt mich nur meine Mutter oder manchmal Terry, wenn er mich ärgern will. Ich bevorzuge Sam.“ Er öffnete die Aufzugtür und ließ Bettina erneut den Vortritt. Er drückte den Knopf für die zweite Etage.
„Kein Penthouse?“, fragte sie und bereute es sofort, nachdem sie es gesagt hatte. Er lachte kurz. „Nein. Zu teuer und nicht schön geschnitten.“
„Na dann.“
Auch beim Verlassen des Aufzuges und beim Betreten der Wohnung ließ Sam Bettina jeweils den Vortritt. Sie war überwältigt von der Gesamtsituation, und aufgeregt. Sie würde eine Weile brauchen, das alles zu verarbeiten.
Gleich neben der Eingangstür, die in einen kleinen Vorraum führte, gab es eine breite Garderobennische und Sam hängte seine und Bettinas Jacke dort auf. Seinen Rucksack stellte er um die Ecke herum in den Flur der Wohnung. „Schuhe bitte ausziehen“, sagte er und stellte seine eigenen in ein Regal zu den anderen Schuhen. Bettina zog ihre ebenfalls aus und bekam sehr bequeme Gasthausschuhe zugeteilt.
„Danke.“
„Klar.“ Sam wies den Flur entlang. „Ja. Dann mal willkommen bei mir zu Hause. Hier ist das Wohnzimmer, komm ruhig rein“, sagte er und betrat den Raum gegenüber durch eine große Doppelflügeltür. Das Zimmer war riesig, hatte hohe Stuckdecken, Sprossenfenster und einen offenen Kamin. Die Möbel waren ein Gemisch aus sehr englisch und modern, zum Beispiel die riesige, c-förmige Sofalandschaft in der Mitte des Raumes. Schräg neben dem Kamin stand ein großer, moderner Fernseher, hinten links im Raum ein herrschaftlich anmutender, großer Esstisch für mindestens sechs Personen, der mit allerlei Kram zugestellt war. Bettina konnte aus der Entfernung viele Papiere, Büromaterial und Bücher erkennen. In der Mitte der rechten Zimmerwand lag eine Tür, auf die Sam nun zusteuerte.
Auch die Küche war zwar modern, aber auch sehr gemütlich eingerichtet. In einem wintergartenartigen, kleinen Erker am hinteren Raumende gab es einen Essbereich für zwei Personen, die Küchenmöbel waren alle in graubraun, kupferfarben und dunkelblau gehalten.
„Setz dich ruhig. Du kannst auch rübergehen ins Wohnzimmer, wenn du magst.“
„Nein, ich würde lieber hierbleiben. Kann ich was helfen?“
„Klar.“ Sam streckte sich und holte zwei Schneidbretter aus einem der Oberschränke. Bettina nahm sie entgegen. Sie suchte und fand die Besteckschublade und legte zwei Messer heraus, Sam lächelte still vor sich hin. Sie sprachen kaum miteinander, aber es klappte hervorragend, die verschiedenen Zutaten zu schneiden, das Nudelwasser aufzusetzen und gleichzeitig die Bolognesesoße vorzubereiten. Bettina wusste instinktiv, wo was zu finden war in der Küche.
„Wir sind ein gutes Team, wir sollten öfter zusammen kochen“, sagte Sam beiläufig, als sowohl das Nudelwasser bereit war sowie die Soße auf dem Herd köchelte. Sam nahm Spaghetti aus einem Schrank und legte sie auf die Arbeitsplatte. Mehr als zu nicken schaffte Bettina nicht. Sie wusste ja schon, dass er ein netter Kerl war, aber sie hatte doch etwas mehr Joe in Sam erwartet.
„So, die Soße kommt hoffentlich eine Viertelstunde ohne mich klar, du kannst ja ab und zu mal umrühren und dann die Spaghetti anstellen. Ich dusche jetzt mal kurz, wenn das für dich in Ordnung ist.“
„Klar.“
Sam nickte, schnappte sich seinen Rucksack und verschwand im hinteren Teil der Wohnung. Bettina fiel noch etwas ein, das konnte keine Viertelstunde warten. „Sam?“, rief sie ihm hinterher.
„Ja?“, rief es zurück und er kam durch die hintere Tür zurück ins Wohnzimmer.
„Könnte ich vielleicht …“ Weiter kam sie nicht. Er grinste. „Ja, klar, komm mit.“
Draußen im Flur zeigte er auf das letzte Zimmer hinten links. „Da um die Ecke. Da sind auch ein Fön und Handtücher.“ Er selbst verschwand in der Tür daneben, die vom Flur aus in ein weiteres Badezimmer führte.
Bettina betrat den Raum, es war, wie es aussah, ein ungenutztes Gästezimmer, und es hatte ein eigenes kleines Bad.
Als sie zurück in den Flur kam, hörte sie aus Sams Bad Wasser laufen. Surrealer konnte es kaum werden. Sie ging zurück in die Küche und nahm auf dem Weg dorthin noch ihr Handy aus ihrer Jacke. Annette hatte nur geschrieben . Bettina schrieb zurück und kümmerte sich um die Spaghetti.
„Alles klar hier?“, fragte es von hinten und Sam schaute auf den Herd.
„Ja, alles gut“, sagte Bettina und drehte sich zu ihm um.
„Ich … hab‘s mir mal bequem gemacht.“ Sam hatte nun trockengefönte Haare und neben einer sauberen und ordentlichen Jogginghose einen dicken Wollpullover an.
„Kein Thema.“
„Woah, das war echt gut jetzt. Schön warm.“
Bettina machte sich daran, die Nudeln aus dem Wasser zu holen, nachdem sie zwei Teller bereitgestellt hatte. Sie öffnete die Schublade, in der sie das Nudelsieb vermutete und voilà, da war es.
„Woher weißt du, wo alles seinen Platz hat?“, fragte Sam und nahm die Soße vom Herd.
„Keine Ahnung.“
Er lachte und schob die Nudelsiebschublade mit dem Knie zu. „Wir können hier essen, drüben ist es nicht so gemütlich und den großen Tisch hab ich gerade anderweitig belagert“, sagte Sam und wies hinüber in die Essecke. Bettina nickte.
„Schmeckt es dir?“, fragte er mit vollem Mund über den Tisch. „Sorry.“
„Ja, schmeckt super, sehr lecker. Du kannst das echt gut.“
„Rezept von meiner Mom.“ Sam aß weiter.
„Danke. Für alles.“
Sam schaute zu ihr herüber. „Gern.“
Bettina legte ihr Besteck auf den leer gegessenen Teller. „Aber eins würde ich noch wirklich gern wissen.“
„Und was?“ Er hob die Augenbrauen.
„Warum?“
„Warum?“
„Ja, warum.“
„Warum was?“
„Warum das alles hier?“
„Ich wohne gern hier.“
„Das meine ich nicht.“
„Was meinst du denn dann?“ Sein Mundwinkel zuckte und sein rechtes Auge öffnete sich einen Tick weiter.
„Du weißt genau, was ich meine.“
„Nein.“ Sams Gesichtsausdruck wechselte von ‚Ja, ich weiß es’ zu ‚Ich sag’s aber nicht’. Er stützte seine Ellbogen auf dem Tisch ab, verschränkte die Finger und legte das Kinn darauf. Dann rieb er kurz seine Schläfen. „Komm, wir räumen hier ab.“
Kapitel 4
Bettina saß neben Sam auf dem Sofa, die Füße bequem hochgelegt. Er hatte sich eine Sofadecke genommen und ihr auch eine gegeben. Die Decke war dunkelblau gemustert, sehr weich und roch seltsam vertraut und gemütlich. Das Feuer im Kamin brannte und war um Längen interessanter als das Fernsehprogramm schräg daneben. Beide hatten nach dem Essen noch eine heiße Schokolade getrunken und wurden nun langsam schläfrig. Sam war bisher nicht mehr auf die Frage nach dem Warum eingegangen und Bettina hatte auch nicht weitergebohrt. Sie hatten sich nett unterhalten, über London, England, das britische Fernsehen und wie Sam die Wohnung einer fast hundertjährigen, aktmalenden Perserkatzenzüchterin abgekauft hatte.
Sein Handy blinkte und er griff seufzend danach. Er hielt es in der Hand und sah zu Bettina. „Ich möchte gern, dass du weißt, dass ich das als unhöflich empfinde, im Beisein von Gästen ständig auf das Telefon zu schauen … aber es kann jederzeit sein, dass sich Terrys Pläne ändern und er erwartet auch, dass man erreichbar ist. Da er quasi mein Boss ist, muss ich leider immer online sein.“
„Schon gut, klar, verstehe ich.“
„Gut.“ Sam drehte das Telefon um und schaute drauf. „Hm“, machte er. Es war ein halbfragendes Hm.
„Ist das ein gutes Hm oder ein schlechtes Hm?“, fragte sie.
„Das weiß ich noch nicht. Er schreibt, er wird morgen mit Jake und Neal sprechen, es kommt sogar jemand vom Sender dazu.“
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