„Hui“, sagte sie.
Er lachte. „Ja, ich mag es echt gern. Die ganzen großen Geländewagen, die man hier so viel sieht, kosten teils das Dreifache und sind total unpraktisch. Plus, ich habe lieber ein japanisches Auto als ein britisches.“
Bettina machte ein amüsiertes Geräusch.
„Ja, lach nur. Ich mag England wirklich, aber naja.“ Sam fuhr aus der Parklücke heraus auf die Straße.
„Ich hab selbst ein japanisches Auto, aus ähnlichen Gründen.“
„Weil du England magst, hast du ein japanisches Auto?“, scherzte er.
„Du weißt, wie ich das meine“, sagte Bettina und unterdrückte den Impuls, ihm einen Klaps auf den Arm zu geben. Sam grinste und bog an der nächsten Ampel links ab. „Welches Hotel?“
„So … ich halte hier, da vorn darf ich nicht mehr hin“, sagte Sam und hielt am Straßenrand an. „Dann wünsche ich dir eine gute Nacht und … noch viel Spaß in London.“
Bettina löste ihren Sicherheitsgurt. „Danke. Für alles“, sagte sie. Sie sahen sich an und wie selbstverständlich beugten sich beide zueinander und küssten sich ganz kurz auf den Mund. Sie bemerkten sofort danach, was eben gerade passiert war und schauten sich an. Sam stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben und Bettina wahrscheinlich auch. Hinter Sam hupte es.
Er sah in den Rückspiegel. „Ich … stehe in der Taxieinfahrt. Ähm … warte kurz.“ Er wendete das Auto und hielt auf der anderen Seite der Zufahrt, sodass das Taxi hinter ihm vorbeifahren konnte. Er parkte erneut und sah sie an. Seine Mundwinkel zuckten, wie immer, wenn er leicht nervös wurde und er sah aus, als würde er warten, um sich seine Schelte oder ein ‚Okay, nicht schlimm’ abzuholen.
„Kam irgendwie so“, sagte sie.
„Genau.“ Er lächelte.
„Dann … gute Nacht und danke noch mal für alles“, sagte sie, atmete durch und stieg aus dem Auto.
„Gute Nacht“, rief Sam ihr nach und sie warf die Tür zu. Er drehte, hupte kurz und fuhr dann die Hotelzufahrt entlang zurück zur Straße. Bettina sah dem Auto nach, bis es um die nächste Häuserecke herum verschwunden war und betrat dann das Hotel.
Kapitel 5
Es war einer dieser Stresstage im Büro, an dem nichts wie geplant lief, alles auf einmal kam und zudem noch einiges schief ging. Es war Ende Mai und die allgemeine Stimmung war gereizt. Die negative Stimmung hatte alle Abteilungen der Firma, in der Bettina arbeitete, fest im Griff.
Umso froher war sie, als sie Freitagabend nach Hause kam und nun das Wochenende und die nächste Woche frei hatte. Sie räumte ihre Lebensmitteleinkäufe weg, sie hatte wieder einmal viel zu viel Schokolade gekauft, und schaltete den Fernseher ein. Ein Pay TV-Sender spielte ab heute Abend alle Staffeln von ‚After the Storm’ ab der ersten Folge, und die wollte sie sich nicht entgehen lassen, auch wenn sie die Serie komplett im Regal stehen und schon mehrfach gesehen hatte. Mit Sam hatte sie seit ihrem Londonurlaub im Februar immer noch ein wenig Kontakt. Ab und zu schickte er ein lustiges Bild oder Video oder mal ein ‚Wie geht es Dir?’, aber da sie nach wie vor nicht wusste, was das Ganze zu bedeuten hatte und sie ihn auch nicht nerven wollte, hatte sie jeweils freundlich geantwortet, ihn aber nie mit irgendwelchen Fragen oder Gesprächen bedrängt. Dennoch musste sie fast täglich an die zwei Tage in London und natürlich ihren Kuss denken, und am schlimmsten war es, wenn sie Sam im Fernsehen sah.
Sie hatte gerade zu Abend gegessen und saß gemütlich auf dem Sofa, als es klingelte. Wer war denn das jetzt? Sam? Bettina öffnete die Wohnungstür. Im Hausflur stand Sonja, eine ihrer Freundinnen, und schneuzte herzhaft in ein Taschentuch. „Kann ich kurz reinkommen? Bin auch gleich wieder weg.“
Bettina machte einen Schritt zur Seite.
„Danke.“
„Du siehst nicht gerade gesund aus.“
„Bin ich auch nicht. Ich hab seit gestern eine richtig fiese Erkältung.“ Sie ging zum Sessel und ließ sich hineinfallen.
„Willst du einen Tee?“, fragte Bettina und hielt lieber etwas Abstand.
„Nee. Ich geh gleich wieder.“
Bettina setzte sich aufs Sofa und wartete ab.
„Ich hab doch den Kurzurlaub in London gewonnen, eigentlich sollte ich morgen früh fliegen, aber mit der Erkältung kann ich das vergessen“, schniefte Sonja.
„Oh, ja, das ist schade“.
„Ja.“ Sonja zog die Nase hoch und kramte in ihrer Tasche. Sie legte einen mittelgroßen Umschlag auf den Couchtisch. „Wenn du willst, kannst du für mich fliegen. Morgen früh.“
Bettinas Flugzeug hob am nächsten Morgen pünktlich ab und nach der Landung in London suchte sie sich erst einmal einen Shuttlebus in Richtung Innenstadt. Nachdem Sonja gestern Abend wieder nach Hause gefahren war, hatte Bettina kopfschüttelnd ihren Koffer gepackt. Jetzt war sie schon das zweite Mal in diesem Jahr in England, aber darüber wollte sie sich nicht beschweren. Sie überlegte hin und her, ob sie Sam schreiben sollte oder nicht. Sie entschied sich alle paar Minuten wieder um und als sie im Hotel eingecheckt und ihr Zimmer bezogen hatte, nahm sie doch ihr Telefon zur Hand.
, schrieb sie ihm schließlich, nachdem sie den Text bestimmt zwanzig Mal geändert hatte. Es war zwar nicht originell, aber hoffentlich auch nicht zu peinlich oder unangemessen.
Seine Antwort kam nach fünf Minuten, als Bettina gerade im Hotelflur auf den Aufzug nach unten wartete. . Sie antwortete ihm und lief zur nächsten U-Bahn-Station.
Nach knapp einer halben Stunde war sie an der Station angekommen, von der aus sie damals im Februar wieder zurück ins Hotel gefahren war, und lief die Strecke hinüber zum Café.
Sie sah Sam schon warten, als sie um die Ecke in den Fußweg entlang der Themse einbog. Er sah sie auch und wartete lächelnd, bis sie auf Kommunikationsreichweite herangekommen war. Das flaue Gefühl in Bettinas Magen war umgehend wieder da. Ihr wurde warm und kalt gleichzeitig. Das Wort ‚verliebt’ klang nach wie vor absurd und falsch an dieser Stelle, aber ein Besseres hatte Bettina nicht. Sam begrüßte sie mit einem freundlichen „Hi“ und diesmal kam sie auch um eine Umarmung nicht herum. Sie drückten sich kurz, es war eine nette Begrüßung und gar nicht peinlich oder irgendwie komisch, wie Bettina befürchtet hatte. „Willkommen zurück in London. Wie geht’s dir?“, fragte Sam.
„Ganz gut, und selbst?“
Er wägte ab und ein Mundwinkel zuckte. „Auch ganz okay. Lass uns reingehen, da drüben die Beiden gucken schon die ganze Zeit.“
Bettina folgte ihm ins Café. Die zwei jungen Frauen, die ein paar Meter entfernt gestanden hatten, setzten sich ebenfalls in Bewegung. Fans wahrscheinlich. Sam ließ wie im Februar auch Bettina den Vortritt bei der Eingangstür und der Kellnerin sagte er, dass sie gern den Notausgang benutzen würden. Diese grinste nur und Bettina folgte Sam durch den hinteren Gastraum und über einen Hof durch ein kleines Gartentor auf einen Fußweg zwischen den Gebäuden.
„Wir gehen besser woanders hin.“ Sam lief los, Bettina folgte und bereits zwei Straßenecken weiter hielt er ihr die Tür eines weiteren Cafés auf.
„Im Mai ist es etwas schwieriger, in Ruhe Kaffee zu trinken“, sagte er entschuldigend und bestellte bei der Kellnerin seinen Minztee und für Bettina gleich eine heiße Schokolade mit Sahne.
„Das nervt bestimmt“, sagte sie.
„Ja, schon, aber es gehört eben dazu. Erzähl, was bringt dich her?“
„Eine Freundin von mir hat eine Kurzreise nach London gewonnen, aber ist vorgestern krank geworden und hat mir den Reisegutschein geschenkt. War alles schon gebucht.“
„Oh, cool“, sagte Sam. „Wie lange bist du hier?“
„Bis Mittwochabend.“
Sam bekam seine nachdenklichen zwei kleinen Falten zwischen den Augen. Dann schaute er sie an, sagte aber nichts.
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