„Jeans hab ich auch noch eine mit“, sagte Bettina.
„Welche Farbe? Heller als die?“, fragte die Verkäuferin und zeigte auf die tiefdunkelblaue, die neben zwei anderen Hosen auf dem Tisch lag.
„Ja.“
„Nein, dann passt das nicht. Bitte anprobieren.“
Bettina bekam das erste Kleidungsset in die Umkleidekabine gebracht und Sam nahm in einem der Sessel Platz und zog sein Handy aus der Tasche.
„Sam, hoch mit dir, du probierst das hier an.“
Bettina war bereits in der Umkleidekabine, hörte seine Verwirrung aber trotzdem.
„Ich hab Sachen zu Hause.“
„Mein Junge, es ist der siebzigste Geburtstag deiner Eltern und ihr müsst zusammen passend gekleidet sein.“
„Ich habe nicht nur ein Hemd im Schrank.“
„Ich weiß, ich weiß. Ich hab Dir genügend verkauft. Aber trotzdem. Ab mit dir.“
Sam seufzte und Bettina hörte, wie der Vorhang der Nachbarkabine zugezogen wurde.
Die hellbeige Hose, die die Verkäuferin ihr mitgegeben hatte, passte wie angegossen und war zudem noch sehr bequem. Sie kostete allerdings das Vierfache von dem, was sie im normalen Leben bereit war, für eine Hose auszugeben. Aber heute zählte das nicht, Bettina ging einfach mal davon aus, dass Sam das zahlen würde. Das Shirt und die weiße Bluse mit ganz feinen, apricotfarbenen Streifen passten auch gut und sie traute sich aus der Kabine raus.
„Oh nein, das geht ja gar nicht“, rief die Verkäuferin und sagte etwas für Bettina Unverständliches zu ihrer Kollegin, welche sofort loseilte.
„Sieht doch gut aus“, sagte Sam, der nun in einem sehr kleinkarierten, rot-weißen Hemd aus seiner Kabine kam.
„Nein“, sagte die Verkäuferin und Bettina zog sich um.
Nach ungefähr einer halben Stunde hatte Sam ein Hemd und noch eine schwarze Jeans eingepackt bekommen und Bettina hatte ein Outfit für das Abendessen, inklusive BH und passender Unterwäsche und Socken. Dazu gab es noch ein Shirt und einen wirklich tollen Pullover, der ihr gut gefiel. Die Sachen waren zwar teuer, sahen aber nicht protzig aus.
„Probiere bitte mal das hier“, sagte die Verkäuferin und hielt Bettina einen dunkelblauen Kurzmantel hin. Sie sagte schon gar nichts mehr und probierte ihn an. „Hm“, sagten alle drei. „Nein“, entschied die Verkäuferin. Nach einigem Herumprobieren hatten sie die perfekte Jacke gefunden. Die gefiel auch Bettina extrem gut, aber der Preis ließ ihren Magen mindestens genauso grummeln wie Sam, der ihr immer wieder Mut zusprach und sichtlich angetan war von der Kleidungsauswahl der beiden Damen. „Okay, einpacken“, sagte er.
„Das war aber ein teurer Spaß“, sagte Bettina, als sie die Tüten in den Kofferraum legten.
Sam lachte. „Bitte entschuldige, wenn ich das so sage, aber gegen Abigail bist du echt günstig zu unterhalten.“ Bettina lachte mit, auch wenn sie sich immer noch unwohl fühlte.
„Und, es wird noch teurer. Weiter geht’s, du brauchst noch eine passende Tasche und Schuhe“, sagte er, schloss das Auto ab und lief los. „Na komm“, sagte er aus einigen Metern Entfernung und öffnete die Arme.
„Ach, Sam, da seid ihr ja“, sagte die vornehme Verkäuferin eines Taschengeschäftes ein paar Straßen weiter. „Linda hat schon angerufen und mir gesagt, was ihr braucht.“ Sie musterte Bettina und stellte dann fünf Handtaschen von alltagstauglicher Größe auf den Tresen des noblen Geschäftes. Eine tauschte sie noch einmal aus. „Kein Gold“, murmelte sie.
„Such dir eine aus“, sagte Sam und vergrub die Hände in seinen Jackentaschen. Bettina fand alle ganz nett, Sam merkte aber, dass ihr keine davon wirklich gefiel und sie fanden in den Regalen des Geschäftes noch eine, die gut zur neuen, dunkelblauen Jacke passte und die Bettina auch selbst ausgesucht hätte. Wahrscheinlich hätte sie sie im Normalfall aufgrund des Preises wieder zurückgestellt, aber das war jetzt irrelevant.
Danach ging es ins benachbarte Schuhgeschäft. Auch dort wurden sie bereits erwartet und Bettina bekam sechs Paar Schuhe vor sich gestellt. Auch hier war die Wahl schnell getroffen. „So, und jetzt noch eine Station.“
Bettina war gespannt, was das denn nun sein würde. Die letzte Station war ein Frisörgeschäft, dessen Inhaber Bettina und auch Sam für horrendes Geld die Haare schnitt. Bettina überlegte insgeheim, wie sie ihre Bank dazu überreden konnte, ihr Kredite für vierteljährlichen Frisörtourismus nach London zu genehmigen. George, so hieß der gute Mann, hatte es tatsächlich geschafft, Bettina zu überreden ein gutes Stück ihrer Haare zu opfern. Er hatte ihr eine Frisur verpasst, die sowohl einfach zu pflegen war, als auch noch top aussah und ihr selbst sogar ausnehmend gut gefiel. Ein Erfolg auf ganzer Linie.
Sam hatte gerade seine Kreditkarte wieder weggepackt, als sein Telefon klingelte. Sie verabschiedeten sich von George und Sam telefonierte auf der Straße eine Minute lang mit seiner Mutter. Danach sah er aus, als hätte er gerade einen 48-stündigen Drehtag hinter sich.
„Ist was passiert?“, fragte Bettina.
„Ja“, sagte er nur und lief los. Bettina holte ihn ein und lief neben ihm her. „Was denn? Etwas Schlimmes?“
„Ja“, sagte er, schaute aber nicht zu ihr und wurde auch nicht langsamer. Er fluchte vor sich hin. Sam sah Bettina an. Ihr Magen war sofort schon wieder in heller Aufregung, und das nicht nur, weil sie Sam am liebsten geküsst und umarmt hätte, um ihn irgendwie zu beruhigen. Sondern auch aus Neugierde, gemischt mit der Befürchtung, dass etwas noch Absurderes passiert sein könnte, als das, was sie schon wusste.
„Meine Mutter hat ihren Schwestern angedeutet, dass wir verlobt sind.“
„Was?“
„Ja.“
„Und jetzt?“ Bettina bemühte sich, nicht panisch zu klingen.
„Ich weiß es nicht.“
Kapitel 7
„Wir fahren jetzt zurück in meine Wohnung“, sagte Sam und schnallte sich an. „Ich spiele dieses Spiel bis zu einer bestimmten Grenze mit und die ist jetzt erreicht. Ich bin dir unendlich dankbar, dass du hier ohne meine Mutter oder mich besser zu kennen deinen Urlaub drangibst, um unsere Familienehre zu retten, aber meine Mutter überstrapaziert deine Hilfe gerade nicht unerheblich.“ Sam lenkte das Auto auf die Straße und reihte sich in den Verkehr ein.
„Wir werden klarstellen, dass wir einfach nur zusammen sind. Theoretisch müssten wir, wenn es nach meiner Mutter gehen würde, jetzt noch Ringe kaufen. Ich finde, das geht zu weit. Ich lasse mir als Schauspieler von Terry genug Befehle geben, da weiß ich aber, dass sie durchdacht sind. Bei den Befehlen meiner Mutter bin ich da manchmal wirklich nicht sicher. Und irgendwo ist Schluss.“
„Warum ist es denn für sie so schlimm, wenn ihr Sohn keine Freundin oder Verlobte hat?“, fragte Bettina und sah zu Sam hinüber.
Er schnaubte. „Es ist gesellschaftlich nicht zu dulden. Allein zu sein, zwischen zwei Partnern, ist für meine Mutter ein Übergangszustand, den es schnellstmöglich zu beenden gilt. Sie ist jetzt siebzig und kommt aus einer anderen Zeit. Sie und Dad haben geheiratet, als sie achtzehn waren. Neun Monate später kam mein ältester Bruder David auf die Welt, zwei Jahre später Alan, dann war ein paar Jahre Pause, dann kam ich. Meine Mutter wollte aber lieber ein Mädchen, und fast vier Jahre nach mir hat es dann endlich noch geklappt. Eileen, meine Schwester. Meine Mutter wollte immer eine große Familie, war zu Hause und hat sich um alles gekümmert. Mein Dad hatte einen hohen Posten im Eisenbahnbau. Es ging meinen Eltern gut, meine Mutter hatte immer alles, was sie wollte, dafür hat sie Haushalt, Garten und Kinder versorgt. Ihre zwei Schwestern und sie kommen aus einer traditionellen Familie. Meine Geschwister sind alle verheiratet und haben mindestens ein Kind. Und ich bin Schauspieler und, naja, das schwarze Schaf der Familie, wenn es nach meiner Mutter geht.“ Sam konzentrierte sich auf den Verkehr und Bettina erkannte die Straße, in der Sam wohnte. Er fand einen Parkplatz fast genau gegenüber der Eingangstür.
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