Robbie klopfte Sam auf den Rücken. „Hey, Kumpel, super gemacht“, sagte er fröhlich. Sam atmete lautstark aus, sah zwischen Bettina und Robbie hin und her und stapfte los, als Terry nicht mehr in Hörweite war. „Das war echt anstrengend. Ich hab kein gutes Gefühl dabei.“
„Wobei?“, fragte Robbie und lief neben Sam her, ein lustiges Bild, da Robbie fast zwei Köpfe größer war als Sam. „Was ist denn mit dem Gras? Kaputt?“, fragte Robbie aufgeregt und schaute noch einmal zurück.
„Ja, das hat das Fass jetzt noch zum Überlaufen gebracht. Jake hätte das nicht tun sollen. Terry hofft, dass man die Aufnahmen irgendwie so schneiden kann, dass man den Boden nicht sieht. Wir werden das definitiv noch mal nachdrehen müssen. Vielleicht auch alles noch mal neu.“
„Aber jetzt erst mal was essen“, sagte Robbie versöhnlich.
„Ja.“
„Hast du heute auch noch Szenen?“, fragte Bettina zu Robbie hoch.
„Ich? Ja, heute Abend aber erst. Geht schnell.“
Sie waren nun beim Cateringzelt angekommen. Es saßen schon einige Leute an langen Campingtischen, andere holten sich gerade etwas zu essen.
Nach einigen Minuten hatte jeder etwas Passendes gefunden und einen Sitzplatz im Trockenen. Bettina klemmte am Ende einer Sitzbank neben Robbie, Sam saß ihr gegenüber. „Und wie findest du es?“, fragte Sam und stopfte eine Gabel voll Pommes in seinen Mund. Bettina war kurz abgelenkt, weil Robbie irgendetwas neben ihr murmelte, es klang wie ein Tischgebet.
„Er ist Ire und streng katholisch“, flüsterte Sam über den Tisch. Robbie machte ein kicherndes Geräusch.
„Ich finde es super hier. Bisschen widrige Umstände, aber es ist echt aufregend.“
„Aufregend, so so“, tönte es von schräg über ihr. „Rückt mal bitte, ich möchte hier sitzen“, sagte Terry und gestikulierte die Bank entlang. Alle rückten brav auf, sodass Terry sich noch neben Bettina quetschen konnte. Er begann mit Sam eine Diskussion darüber, wie die weiteren Szenen heute aussehen könnten. Der große Mann mit schwarzem Vollbart, der vorhin schon kurz am Zelt und auch beim Drehen dabei gewesen war, saß nun Bettina gegenüber und verwickelte sie in ein Gespräch. Er hieß Howard oder eben Howie und war zuständig für die technischen Dinge am Set. Da Bettina auch gern fotografierte und vor kurzem ihr Fernstudium in Mediengestaltung abgeschlossen hatte, hatten die beiden ausreichend Gesprächsstoff. Robbie diskutierte fröhlich mit und so ging die Pause sehr schnell herum.
Die nächsten Stunden vergingen erneut unten bei der Hütte, es wurden mehrere Varianten der Szene vom Vormittag gedreht und nach einer kurzen, heftigen Diskussion unter allen Beteiligten stapften Neal und Jake stocksauer zurück nach oben zu den Zelten und kamen auch nicht wieder.
„Sind die für heute fertig oder haben die sich jetzt endgültig zerstritten?“, fragte Bettina Robbie.
„Wahrscheinlich beides. Jetzt kommt eigentlich noch eine Szene.“
„Robbie, komm mal hier runter, bitte!“, schrie Terry zu Robbie hoch. „Und bring Betsy mit!“
„Oho“, sagte Robbie. „Na, dann komm, bin mal gespannt! Heißt du nicht irgendwie anders?“
„Bettina.“
„Ah, ja. Wusste ich’s doch.“
Sie gingen hinunter zu der Hütte. Einige Helfer kamen dazu und rollten einen Gartenschlauch aus, andere montierten Lampen auf dem Dach der Hütte. Terry erklärte Sam, dass er von der kleinen Anhöhe hinunterspringen sollte in einen schlammigen Teich schräg hinter der Hütte, dort sollte er im hüfthohen Wasser stehenbleiben und mit Jake, der auf dem Dach der Hütte stehen würde, kurz diskutieren und dann nach vorn wegrennen. Da Jake aber nun nicht mehr da war, würde Robbie seinen Text übernehmen. Jake würde seinen Teil der Szene dann morgen nachdrehen. Terry drückte Robbie einen Zettel in die Hand und einer der Helfer lehnte eine Leiter an die Hütte. Robbie machte sich an den Aufstieg.
Terry sah sich suchend um. „So, du…“, sagte er und deutete auf Bettina und dann auf den Gartenschlauch, der am Boden lag. „Dich brauche ich zum Saubermachen.“ Bettina sagte nur „Ähä“ und Terry rang sich ein Lächeln ab. „Probier mal, bitte.“ Er ging einen Schritt zurück.
Bettina nahm den Gartenschlauch hoch. Am Schlauchende war eine passende Brause montiert. Bettina kannte diese Dinger aus dem Garten ihrer Eltern. Hier war allerdings kein Wasser herauszubekommen, egal wie.
„Wasser, ihr Stümper!“, schrie Terry nach oben und nach ein paar Sekunden kam ein gedämpftes „Okay“ zurück.
Bettina probierte erneut, diesmal funktionierte es. Terry schien zufrieden mit den Tests und zeigte auf einen Punkt einige Meter entfernt. „Stell dich bitte da an die Hecke, am besten halb rein, die Kamera muss vor dir vorbei. Und pass auf den Schlauch auf, den wollen wir nicht im Bild haben. Wenn Sam mit seiner Szene durch ist, läuft er hier vor.“ Terry zeigte an sich vorbei zur Vorderseite der Hütte. „Da wir definitiv mehrere Takes brauchen, aus verschiedenen Sichtwinkeln, muss er mehrfach von da oben runter. Was es einfacher macht, er kommt wegen des Regens schon klatschnass da oben an, also ist deine Aufgabe nur, den Schlamm wegzuspritzen. Wir probieren das mal. Sam, hierher.“
Sam seufzte und kam näher.
„Gib mir das bitte kurz“, sagte Terry und nahm Bettina den Wasserschlauch ab. Sam konnte gar nicht so schnell reagieren, wie Terry ihn vollends nassgespritzt hatte, von oben bis unten.
Er öffnete die Augen und funkelte Terry böse an. „Du Arsch! Das ist verdammt kalt!“
Terry lachte und nach einem kurzen Anstarrduell lachte Sam mit. Bettina ging sicherheitshalber ein paar Schritte zurück, da jetzt Howie mit einer Handkamera vorbeikam und Sam zuzwinkerte.
„Terry, ich liebe dich“, sagte Sam sehr überzeugend und umarmte Terry fest. Der quietschte los und wand sich, schaffte es aber nicht, Sam loszuwerden. Erst als er nachgab und Sam ebenfalls umarmte, ließ dieser los. Terry war nun fast genauso nass wie Sam. Alles lachte. Howie wich Terry aus, der nach ihm treten wollte, drückte seine Kamera an sich und flüchtete sich vor die Hütte.
„Ihr Säcke, ihr!“, fluchte Terry. Bettina musste auch lachen und bekam einen todbringenden Blick vom tropfenden Terry zugeworfen. „Auf deine Position!“, brüllte er sie an. „Und du auch, du Drecksack!“, scheuchte er Sam in Richtung Hügel. „Und alle anderen auch! Keine Testläufe, sofort filmen, dann haben wir mehr Material.“
Alle gingen in Position und Bettina tat ihren Job, so gut sie konnte. Sobald Sam vorbeigerannt war und Terry „Schnitt!“ gerufen hatte, kam Sam zu Bettina zurückgetrabt und ließ sich brav abduschen. Dann joggte er wieder zurück zu dem kleinen Grasüberhang und wartete auf Terrys Kommando. Robbie brüllte Jakes Text von der Hütte und Sam hatte keinen einzigen Textpatzer. Einmal variierte er seine Worte ein wenig, aber niemand sagte etwas.
Nach einer gefühlten Ewigkeit rief Terry: „Letztes Mal! Und los!“ Die Szene lief gut, wie die vorherigen auch und nach dem finalen „Schnitt!“ gab es Applaus von allen Umstehenden, viele waren es nicht mehr. Robbie kletterte von der Hütte, das Drehteam packte die Technik zusammen und die Zuschauer stapften zurück in Richtung der Zelte. Sam wurde noch einmal gründlich geduscht. Unter wacher Aufsicht der Requisiten- und Garderobenverantwortlichen wurden auch die Munitionsattrappen und die Airsoftwaffe gut abgespült.
Oben bei den Zelten bekamen Robbie und Bettina von Terry einige Handtücher zugeworfen, bevor er und Sam in Richtung der Wohnmobile verschwanden.
„Wie geht’s jetzt weiter?“, fragte Bettina.
Robbie trocknete sich die Haare ab und legte das Handtuch in einen bereitstehenden Wäschekorb. Bettina legte ihres dazu.
„Für heute ist, denke ich, Schluss, zumindest für Sam. Wir machen jetzt Kaffeepause, dann hab ich noch meine Szene, die ist aber in einem Auto, das steht da hinten irgendwo. Ich denke mal, ihr fahrt dann jetzt nach London zurück.“
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