Eberhard Weidner - DAS BUCH ANDRAS II

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Drei Tage vor ihrem neunzehnten Geburtstag erwacht Sandra Dorn ohne jede Erinnerung in einem Münchener Privatsanatorium. Sie erfährt, dass ihre Eltern im Keller ihrer Villa anlässlich einer schwarzen Messe brutal ermordet wurden und ihr Zwillingsbruder Andras verletzt wurde und spurlos verschwunden ist.
Schon bald darauf wird Sandra Ziel eines heimtückischen Mordanschlags, der nur knapp vereitelt werden kann.
In der geheimen Bibliothek des Sanatoriums eröffnen ihr der Direktor und ein ehemaliger Beamter des BLKA, dass sie Mitglieder eines geheimen Netzwerks sind, das sich der Bekämpfung der Dämonen und ihrer menschlichen Helfer verschworen hat. Nach ihren Worten beeinflussen unfassbare Wesen aus einer anderen Welt oder Dimension, die der Einfachheit halber als Dämonen bezeichnet werden, schon seit Jahrtausenden die Menschheit. Sie können mit Ritualen beschworen werden und Menschen geistig in Besitz nehmen (sog. Besessenheit), streben aber mit aller Macht danach, leibhaftig in unsere Welt zu gelangen, um die Menschheit zu unterwerfen. Nach neuesten Gerüchten soll nun ein Ritual entwickelt worden sein, das dies ermöglichen und dadurch die Unterwerfung der Menschheit einleiten könnte. Und Sandra und ihr Zwillingsbruder Andras scheinen ein wichtiger Bestandteil dieses Rituals zu sein, denn ANDRAS ist auch der Name des Dämons, der die Grenzen zwischen den Welten passieren will. Im Sanatorium ist Sandra vor den Dämonen und ihren Knechten zwar sicher, da diese die Ausstrahlung der psychisch Kranken nicht ertragen können, doch sobald sie es verlässt, begibt sie sich in tödliche Gefahr.
Die Befürchtungen der Netzwerkmitglieder scheinen sich zu bewahrheiten, als am nächsten Tag der Wagen mit Sandra und ihren beiden Begleitern nach der gerichtlich angeordneten Teilnahme an der Beisetzung ihrer Eltern im Ebersberger Forst in eine Wildschweinrotte rast, von der Straße abkommt und in eine Senke rollt. Als dann auch noch vier Handlanger des Satanistenführers Dr.

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Kapitel 3

Während ich auf leisen Sohlen zur Tür huschte, konnte ich hören, dass auf der Station inzwischen auch andere Stimmen und Geräusche laut wurden. Der für diese Uhrzeit ungewohnte Lärm, angefangen bei den abgewürgten Schreien der Nachtschwester über das Splittern der zerschossenen Trennscheibe bis hin zu van Helsings gellendem Schrei, der dem Ganzen die Krone aufgesetzt und vermutlich auch den letzten Erwachenden davon überzeugt hatte, dass in der heutigen Nacht auf der Station etwas nicht in Ordnung war, war natürlich nicht ungehört geblieben. Zahlreiche Insassen in der unmittelbaren Umgebung mussten mittlerweile geweckt worden sein und rührten sich nun. Und allmählich, wie ein Waldbrand, breitete sich die Unruhe aus und zog weitere Kreise.

Die Bewohner des Sanatoriums, die psychisch ohnehin in den allerwenigsten Fällen ausreichend gefestigt und durch den ungewohnten nächtlichen Lärm nun auch noch aus dem Schlaf geschreckt worden waren, reagierten verständlicherweise panisch auf die Durchbrechung ihrer gewohnten Routine, die für viele von ihnen für eine erfolgreiche Behandlung ihrer Krankheiten von entscheidender Bedeutung war.

Stampfendes Getrampel war zu hören, als jemand panisch umherlief. Laute Schreie in unterschiedlichen Lautstärken und Tonhöhen erklangen aus allen Richtungen, teils langgezogen wie schrille Sirenen, teils abgehackt und in rhythmischer Folge. Außerdem wurden ringsum auch hysterische Rufe, Gejammer und fragende Stimmen lauter.

Als ich die Türöffnung erreichte, herrschte auf der ganzen Station bereits ein höherer Lärmpegel, als es tagsüber der Fall war. Wenn man die Augen schloss, konnte man das Gefühl haben, sich inmitten eines erwachenden Zoos oder im tropischen Regenwald zu befinden angesichts der Kakophonie und Vielfältigkeit der Geräusche, die oftmals eher an die Laute von Tieren als an von Menschen verursachte Töne erinnerten. Die Station war also mittlerweile akustisch im wahrsten Sinne des Wortes das reinste Tollhaus.

Ich musste mir nicht mehr besonders viel Mühe geben, mich lautlos oder zumindest möglichst leise zu verhalten, da jedes Geräusch, das ich verursachte, ohnehin in der sich weiterhin steigernden und um sich greifenden Unruhe unterging. Vor der Tür ging ich erneut in die Hocke und spähte um den Türstock herum nach draußen in den Flur.

Klapp war selbstverständlich auf den Lärm aus diesem Zimmer aufmerksam geworden. Vermutlich war er anfangs noch etwas irritiert gewesen, was der Schrei zu bedeuten hatte, und hatte erst noch eine kleine Weile abgewartet, ob sein Kollege wieder heraus in den Gang kam oder nach ihm rief. Als das allerdings nicht geschehen war, musste er selbstständig eine Entscheidung getroffen und sich in Marsch gesetzt haben, um nach dem Rechten zu sehen. Deshalb marschierte Klapp nun mit schussbereit vor sich gehaltener Waffe direkt auf diesen Eingang und damit auf mich zu. Allerdings hatte er mich noch nicht entdeckt, da ihn der lauter werdende Lärm um ihn herum erschreckte und seine weit aufgerissenen Augen hektisch in alle Richtungen zuckten, als hätte er Angst, jeden Moment von einer Meute Wahnsinniger hinterrücks angefallen zu werden.

Ich sah, dass sich bereits einige Türen geöffnet hatten und vereinzelt Patienten mehr oder weniger zögerlich auf den Flur traten, um nachzusehen, was los war. Dann zog ich jedoch lieber den Kopf zurück, bevor ich von Klapp gesehen werden konnte.

Ich überlegte fieberhaft, was ich tun sollte. Ich hielt zwar ebenfalls eine Schusswaffe in der Hand, was mich meinem Gegner zumindest hinsichtlich der Bewaffnung ebenbürtig machte. Ich war mir jedoch keineswegs sicher, ob ich auch dieselbe Kaltblütigkeit und Skrupellosigkeit wie er besaß, um im entscheidenden Moment abzudrücken, sollte die Situation es erfordern. Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn ich erst gar nicht in die Lage geriet, eine derartige Entscheidung treffen zu müssen. Aber so, wie es momentan aussah, würde es mir wohl nicht erspart bleiben, denn Klapp würde, wenn kein Wunder geschah, nur allzu bald im Türrahmen auftauchen.

Da nahm ich völlig überrascht wahr, dass eine flinke Gestalt an mir vorbeihuschte. Ich blickte rasch auf und erkannte van Helsing. Barfüßig rannte er durch die Tür, sodass seine nackten Sohlen auf den Boden klatschten, und stieß dabei ein derart infernalisches Heulen aus, dass es sogar den allgemeinen Geräuschpegel übertönte. Er trug lediglich einen hellblauen Schlafanzug, der mit unzähligen Comic-Fledermäusen in verschiedenen Größen bedruckt war, und schwenkte in einer Hand einen Pflock und in der anderen ein großes hölzernes Kreuz. Da ich an dem Pfahl kein Blut entdecken konnte, ging ich davon aus, dass der Pflock, der Gehrmann getötet hatte, noch immer in dessen Körper steckte. Allem Anschein nach bewahrte van Helsing eine ganze Sammlung dieser Mordinstrumente in seinem Zimmer auf.

Ich hob noch die Hand, um ihn zurückzuhalten, doch er war zu überraschend und schnell an mir vorbeigehuscht, als dass ich wirklich eine Chance gehabt hätte, ihn zu erwischen. So blieb mir nur, tatenlos mitanzusehen, wie van Helsing mit erhobenen Armen auf Klapp zurannte, dabei mit der Linken das Kreuz vor sich hielt, um das Böse in Gestalt des bewaffneten jungen Mannes in Schach zu halten, und die Rechte mit dem Pflock stoßbereit erhoben hatte.

»Dein dunkler Meister hat durch meine Hand bereits sein untotes Leben ausgehaucht, elender Blutsauger. Und auch du entgehst deiner gerechten Strafe nicht!«, rief van Helsing gestelzt und theatralisch, nachdem er sein Heulen beendet hatte, und begann unmittelbar im Anschluss, laut das Vaterunser zu beten.

Klapp blieb abrupt stehen, als wäre er gegen ein unsichtbares Hindernis gerannt, und sah dem auf ihn zustürzenden Wahnsinnigen entgeistert entgegen. Er schien total verwirrt und von der Situation restlos überfordert zu sein. Wahrscheinlich war in ihren Planungen dieses nächtlichen Kommandounternehmens Widerstand durch die Bewohner des Sanatoriums nicht in Betracht gezogen worden. Er hatte daher auch keine Ahnung, wie er auf diese neue Entwicklung reagieren sollte.

Doch da erinnerte sich der junge Attentäter wieder an die Schusswaffe in seiner Hand, denn er richtete sie kurzerhand auf den heranstürmenden van Helsing . Er konnte nun jederzeit schießen und den Angreifer durch einen gezielten Schuss niederstrecken, bevor van Helsing auch nur in seine Nähe kam und ihm gefährlich werden konnte..

Ich hob die Pistole, die ich gewissermaßen von Gehrmann »geerbt« hatte, und zielte damit am Türstock vorbei auf Klapp. Ich wollte auf ihn schießen, bevor er seinerseits Gelegenheit hatte, auf van Helsing zu feuern.

Doch auch hier und jetzt zeigte Klapp, wie schon zu Beginn des missglückten Mordversuchs an mir, dass er im Grunde seines Herzens kein skrupelloser Mörder war. Im Gegensatz zu Gehrmann, dem ich jede Schandtat ohne Weiteres zugetraut hatte.

Klapp zögerte und war anscheinend nicht in der Lage abzudrücken, während die Waffe in seiner Hand unkontrolliert zu zittern anfing. Möglicherweise machte ihm der Umstand zu schaffen, dass es sich bei van Helsing nicht um die Zielperson dieser Nacht-und-Nebel-Aktion, sondern um einen Unbeteiligten handelte, der mit der ganzen Situation nichts zu schaffen hatte. Klapps Blick schien dabei jedoch weder auf den bedrohlichen Pflock in van Helsings Hand noch auf dessen entschlossene Miene gerichtet zu sein, sondern auf das Holzkreuz. Und dabei bewegte er die Lippen, als würde er im Einklang mit dem selbst ernannten Vampirjäger lautlos beten.

Die Lage wurde für Klapp allerdings mit jedem Augenblick kritischer und bedrohlicher. Denn ganz abgesehen von dem für seine Begriffe offensichtlich vollkommen Durchgeknallten, der mit einem Holzpfahl in der Hand auf ihn zustürmte und ihn damit pfählen wollte, kamen mittlerweile weitere Insassen dieser Station aus ihren Zimmern in den Flur, sahen sich verwirrt und ängstlich nach der Quelle des nächtlichen Lärms um und fragten sich teils verängstigt, teils hysterisch, was dieses ungewohnte nächtliche Spektakel zu bedeuten hatte.

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