COVER
TITEL
PROLOG PROLOG
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
ERSTER TEIL: DER LEBENDE TOTE
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
ZWEITER TEIL: DER GOURMET
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
DRITTER TEIL: DER TOD
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
VIERTEL TEIL: DER WIDERSACHER
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
EPILOG
Kapitel 28
NACHWORT
WEITERE TITEL DES AUTORS
LESEPROBE
Prolog: Die Kälte des Todes!
MITTWOCH
Kapitel 1: »Dafür sind Nachbarn doch da.«
PROLOG
Sobald sie in der Tiefgarage war, überkam Doris Sonntag stets ein überwältigendes Gefühl der Angst. Auch an diesem Abend war das nicht anders, obwohl die Garage des Hauses, in dem sie und ihr Mann eine Eigentumswohnung besaßen, hell ausgeleuchtet und überschaubar war. Bereits vor neun Jahren, kurz nach ihrem Einzug, hatte Doris auf der Eigentümerversammlung den Antrag gestellt, anstatt der trüben Funzeln hellere Lampen zu installieren. Der Antrag war von den anderen Wohnungseigentümern unterstützt und daher vom Hausverwalter umgehend in die Tat umgesetzt worden. Doch auch die bessere Beleuchtung half nichts gegen die tiefsitzende Angst, die sie jedes Mal empfand, sobald sie aus dem Aufzug trat oder mit dem Wagen in die Tiefgarage fuhr.
Dabei wusste sie als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie ganz genau, dass ihre Ängste irrational oder zumindest deutlich übertrieben waren, da sie auf keiner realen Gefahr oder Bedrohung beruhten. Sie hatte auch noch nie ein traumatisches Erlebnis in einer Tiefgarage gehabt, das derartige Ängste nachvollziehbar erscheinen lassen würde. Doch trotz ihres Fachwissens konnte sie sich nicht davon befreien, sondern musste sich ihnen fünf Tage in der Woche mindestens zweimal täglich stellen. Immerhin hatte sie in der Nähe ihrer Praxis einen oberirdischen Stellplatz anmieten können, sodass sie dort nicht an jedem Arbeitstag haargenau in dieselbe Situation geriet.
Als sie nun ihren Wagen, einen obsidianschwarzen Mercedes CLS 350 Coupé, langsam durch die Tiefgarage lenkte, sah sie sich nervös in alle Richtungen um. Sie verrenkte sogar den Kopf, um in die hintersten Ecken sehen zu können. Gleichzeitig musste sie heftig schlucken, um den vermeintlichen Kloß zu entfernen, der in ihrem Hals steckte und ihr die Atmung erschwerte. Diese war ebenso wie ihr Herzschlag unwillkürlich schneller geworden, sobald sie den Wagen durch das geöffnete Tor auf die abwärts führende Rampe gefahren hatte.
Doris hatte erst vor wenigen Tagen ihren vierzigsten Geburtstag gefeiert. Sie war ein Meter sechsundsechzig groß, hatte eine knabenhaft schlanke Statur, kurze mittelbraune Haare und braune ausdrucksstarke Augen, bei denen ihre Patienten unwillkürlich das Gefühl hatten, sie könnte damit bis in die verborgensten Tiefen ihres Innersten blicken. Sie war heute etwas später als sonst dran, weil sie auf dem Heimweg von der Praxis noch am Supermarkt haltgemacht hatte. Normalerweise kauften sie und ihr Mann, der als Chirurg in einer Privatklinik für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie tätig war, samstags für die gesamte Woche ein. Doch vor einer Stunde hatte ihr Mann Dietmar angerufen und ihr mitgeteilt, dass er überraschend einen alten Studienfreund getroffen und heute Abend zum Essen eingeladen hatte. Doris konnte es nicht ausstehen, wenn ihr straffer, meistens minutiös durchgeplanter Tagesablauf durcheinandergewirbelt wurde, doch Dietmar schaffte es immer wieder, dass sie seinem sprunghaften Verhalten und seinen spontanen Einfällen nachgab und ihm nicht lange böse sein konnte. Deshalb hatte sie rasch alle Zutaten für eine Tomatensuppe als Vorspeise, einen gemischten Salat und provenzalisches Hähnchen mit Grillgemüse eingekauft. Sie war zwar, wie sie sich selbst gegenüber eingestehen musste, keine besonders gute Köchin, doch da sie die ausgewählten Gerichte inzwischen oft genug zubereitet hatte, würde es keine unliebsamen Überraschungen geben.
Als sie sich nun dem Doppelstellplatz näherte, der zu ihrer Wohnung gehörte, war Doris überzeugt, dass sich außer ihr niemand in der Tiefgarage aufhielt. Allerdings beruhigte sie dieser Gedanke nicht, da die irrationale Furcht, jemand könnte ihr an diesem Ort auflauern, sich von rationalen Überlegungen nicht im Mindesten beeindrucken ließ. Im Gegenteil, ihre Angst intensivierte sich sogar noch, denn solange sie im Wagen saß und die Türen verriegelt waren, fühlte sie sich noch verhältnismäßig sicher. Sobald sie allerdings geparkt hätte, würde sie den Wagen verlassen müssen, um ihre Einkäufe aus dem Kofferraum zu nehmen und zum Aufzug zu gehen. Zum Glück lagen ihre Stellplätze nicht weit davon entfernt, sodass sie nur wenige Meter zurücklegen musste. Für sie war es dennoch der nervenaufreibendste und gefühlt gefährlichste Teil ihres Weges in die Sicherheit, die die Fahrstuhlkabine ihr versprach.
Da das Einparken aufgrund der Pfeiler ein hohes Maß an Konzentration erforderte, war ihr eine kleine Atempause vergönnt, in der sie nicht so stark von ihren Ängsten geplagt wurde. Doch sobald das Auto stand und sie sich davon überzeugt hatte, dass sie rechts genug Platz für Dietmars Jaguar gelassen hatte, kehrte die Furcht in unverminderter Stärke zurück.
Doris stellte den Automatikhebel auf P, zog die Feststellbremse an und schaltete dann den Motor aus. Sobald das Motorbrummen verstummt war, verhielt sie sich eine Weile mucksmäuschenstill, hielt sogar den Atem an und lauschte aufmerksam. Doch über das rasche Klopfen ihres Herzens hinaus war nur das Knacken abkühlender Metallteile des erhitzten Motorblocks zu hören. Sie sah sich mit ruckartigen Bewegungen um, wobei sie wie ein aufgeregter Vogel wirkte, konnte jedoch nichts Verdächtiges entdecken.
Niemand da!
Sobald sie zu diesem Schluss gekommen war, hatte sie es eilig, den Wagen zu verlassen, denn sie wollte in der Aufzugskabine sein, bevor die Zeitschaltuhr dafür sorgte, dass das Licht in der Tiefgarage ausging. Erschaudernd erinnerte sie sich daran, wie sie einmal zu lange im Wagen sitzen geblieben war, weil sie zu ängstlich gewesen war, um auszusteigen. Auf dem Weg zum Fahrstuhl war es dann plötzlich dunkel geworden. Nur die Notbeleuchtung hatte gebrannt. Doris hatte geglaubt, sie würde an Ort und Stelle sterben, weil ihr Herz jäh zu schlagen aufgehört und sich geweigert hatte, seinen Dienst sofort wieder aufzunehmen. Doch dann hatte der Herzschlag zum Glück wieder eingesetzt, heftiger als je zuvor, und sie war wimmernd zum Fahrstuhl gerannt und hatte den erleuchteten Lichtschalter daneben betätigt, worauf es endlich wieder hell geworden war. Der furchtbare Vorfall hatte sie einige graue Haare und mit Sicherheit ein paar Jahre ihres Lebens gekostet. Damit er sich nicht wiederholte, hatte sie den Hausmeister gebeten, den Zeittakt der Tiefgaragenbeleuchtung zu verlängern. Es waren wahrscheinlich weniger ihre Worte, sondern eher der Hunderteuroschein gewesen, der den Mann schließlich davon überzeugt hatte, ihren Wunsch zu erfüllen, doch das war ihr egal, denn am Ende zählte nur das Ergebnis. Seitdem war sie nicht mehr von der Dunkelheit überrascht worden. Dennoch wusste sie, dass sie nicht trödeln durfte und sich beeilen musste.
Sobald sie sich ihre Handtasche geschnappt hatte und eilig ausgestiegen war, wurde das Angstgefühl in ihr intensiver und schnürte ihr die Kehle zu, sodass sie Schwierigkeiten hatte, genügend Luft zu bekommen. Der rationale Teil ihres Verstandes, der weiterhin in der Lage war, ihr zutiefst irrationales Verhalten zu analysieren, erklärte ihr im Tonfall eines gelangweilten Hochschulprofessors, dass die Angst zur Alarmreaktion ihres Körpers und damit zur Aktivierung verschiedener Körperfunktionen führte. Indem ihr Herz schneller schlug, ihre Atmung rascher erfolgte, die Muskeln sich am ganzen Körper anspannten und gleichzeitig sämtliche Sinnesorgane mit erhöhter Aufmerksamkeit reagierten, wurde sie in die Lage versetzt, rascher und effizienter auf eine mögliche Gefahr oder Bedrohung zu reagieren. Entweder indem sie sich der Gefahr durch Flucht entzog oder dieser in einem Kampf begegnete. Doch da nicht wirklich eine Gefahr drohte und die Angst daher irrational war, waren die Reaktionen ihres Körpers wie das Herzrasen, die Schwindelgefühle, die leichte Übelkeit und die Atemnot in diesem Fall wenig hilfreich und daher eher eine Belastung für sie.
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