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TITEL
PROLOG
Tag 1: NEMESIS
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Tag 2: CHARON
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Tag 3: KASSANDRA
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Tag 4: HADES
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EPILOG
NACHWORT
WEITERE TITEL DES AUTORS
LESEPROBE
PROLOG
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Regen tropfte von den Bäumen. Ein Blitz tauchte ihre Umgebung für den Bruchteil eines Augenblicks in gleißendes Licht, sodass sie geblendet die Augen schließen musste. Sekunden später folgte das dumpfe Grollen des Donners.
Sie öffnete die Augen sofort wieder und rannte weiter durch den Wald.
Wenn sie normalerweise lief, tat sie das zu ihrem Vergnügen. Aber nicht heute.
Heute rannte sie um ihr Leben!
Als sie an ihren Verfolger dachte, wandte sie den Kopf und sah sich gehetzt nach ihm um. Doch zwischen den dicht stehenden Bäumen hinter ihr war nichts von ihm zu entdecken.
Im Umkehrschluss bedeutete das, dass er sie ebenfalls nicht sehen konnte. Und wenn er sie nicht sah, konnte er auch nicht auf sie schießen. Denn er war mit einem Gewehr bewaffnet, während sie nichts bei sich hatte, das sie als Waffe gegen ihn einsetzen konnte.
Als sie ihren Kopf wieder nach vorn wandte, stolperte sie über die aus der Erde ragende Wurzel eines Baumes. Sie konnte einen Sturz aber gerade noch verhindern, indem sie sich an dem dazugehörigen Baumstamm festklammerte. Schwer atmend verharrte sie einen Augenblick, um zu verschnaufen. Dabei lauschte sie aufmerksam, denn die Geräusche, die sie bei ihrer Flucht verursacht hatte, hatten bislang die ihres Jägers übertönt.
Jetzt konnte sie neben dem stetigen Tropfen des Regens das Rascheln von Blättern und das Knacken von Ästen unter seinen Stiefeln hören. Und das, obwohl sie keuchend Atem holte, das Blut in ihren Schläfen überlaut pochte und ihr Herz heftig schlug. Ihr wurde jäh bewusst, dass er deutlich näher als zuvor war. Bald hätte er sie eingeholt, wenn sie nicht schneller rannte.
Sofern die Arbeit und das Wetter es ihr erlaubten, lief sie möglichst regelmäßig. Sie war daher eine geübte und ausdauernde Läuferin. Doch der Verfolger stand ihr in dieser Hinsicht anscheinend in nichts nach.
Außerdem war sie gehandikapt. Sie hatte eine schlimme Nacht hinter sich, litt unter Kopfschmerzen und immer stärker unter Muskelkrämpfen. Ihr war zudem leicht übel. Und die Lauferei trug auch nicht unbedingt dazu bei, dass sie sich besser fühlte. Im Gegenteil: Obwohl der nasse Waldboden weich und nachgiebig war, erschütterte sie jeder einzelne Schritt bis ins Mark. Und jede Erschütterung sandte ein weiteres schmerzhaftes Hämmern durch ihren Schädel, das jedem Schmied an seinem Amboss ein anerkennendes Nicken entlockt hätte. Und als wäre das noch nicht genug, schlug Ihr Magen im Rhythmus ihrer Schritte Purzelbäume.
Lange halte ich das nicht mehr durch!
Doch was sollte, oder besser, was konnte sie dagegen tun? Im Moment konnte sie nur eins tun: weiterlaufen!
Sie schüttelte den Kopf. Zum wiederholten Male wunderte sie sich, wie sie überhaupt in diese ausweglose Lage geraten war. Dabei hatte am Anfang nichts darauf hingedeutet, dass es so enden würde.
Sie setzte sich wieder in Bewegung und floh vor ihrem bewaffneten Verfolger. Während sie das tat, dachte sie unweigerlich über die turbulenten Ereignisse der vergangenen drei Tage nach, die sie schlussendlich an diesen Ort und wieder einmal in tödliche Gefahr gebracht hatten.
Tag 1
NEMESIS
In der griechischen Mythologie die Göttin des »gerechten Zorns«, auch: »ausgleichenden Gerechtigkeit«. Sie wurde dadurch ebenfalls zur Rachegottheit.
(Wikipedia)
Die vermisste Person hieß Christian Stumpf. Er war zwanzig Jahre alt und studierte im dritten Semester an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität Rechtswissenschaften.
Kriminalhauptkommissarin Anja Spangenberg von der Vermisstenstelle der Kripo München betrachtete eins der Fotos des Vermissten. Wie ein Dutzend andere auch war es über dem Schreibtisch an die Wand gepinnt worden. Obwohl es nicht nur den vermissten Studenten, sondern auch eine junge Frau zeigte, war es besser als das Foto aus der Vermisstenakte, das etwas zu dunkel und zudem leicht unscharf war. Die beiden jungen Leute posierten lächelnd Wange an Wange für den Fotografen. Das ließ darauf schließen, dass sie miteinander vertraut waren. Entweder handelte es sich um gute Bekannte oder unter Umständen sogar um ein Liebespaar.
Christian Stumpf war ein gut aussehender junger Mann mit kurz geschnittenen blonden Haaren und markanten, erstaunlich makellosen Gesichtszügen. Auf dem Foto trug er eine Brille mit schwarzem Kunststoffgestell im Wayfarer-Stil der Firma Ray Ban. Er wirkte damit wie ein erblondeter Clark Kent, der sich jeden Moment die Kleidung vom Leib reißen könnte, sodass darunter das Superman-Kostüm zum Vorschein käme.
Aus der Akte wusste Anja, dass er ein Meter fünfundachtzig groß war und aus einer Kleinstadt südwestlich von München stammte. Obwohl die Ähnlichkeit nicht allzu groß war, erinnerte der vermisste Student Anja dennoch ein wenig an ihren verstorbenen Mann Fabian. Sie seufzte missmutig und unterdrückte jeden weiteren Gedanken, der in diese im Moment unerwünschte Richtung ging. Stattdessen konzentrierte sich wieder voll und ganz auf ihren aktuellsten Vermisstenfall.
Er war ihr erst an diesem Morgen zugeteilt worden. Als sie ins Büro gekommen war, das sie sich mit ihrem Kollegen, Kriminaloberkommissar Daniel Braun, teilte, war dieser entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten bereits anwesend gewesen.
»Was machst du denn schon hier?«, fragte Anja irritiert. Sie zog ihre schwarze Lederjacke aus und hängte sie an den Garderobenständer, der neben der Tür stand.
»Wieso?« Braun tat so, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass er vor seiner Kollegin im Büro war; dabei war es eher die Ausnahme, weil er nahezu ständig zu spät kam. Er sah aus, als könnte er nur mit viel Mühe ein selbstzufriedenes Grinsen unterdrücken.
»Ach was, ist nicht wichtig.« Anja winkte ab und schüttelte den Kopf, während sie zu ihrem Schreibtisch ging, der dem des Kollegen unmittelbar gegenüberstand. Diesmal war sie es, die nur mühsam ein Lächeln unterdrückte, als sie die Enttäuschung in Brauns Augen sah, weil sie das Thema nicht weiterverfolgte. Erst dann entdeckte sie die Vermisstenakte, die mitten auf der Schreibtischplatte lag. Sie stöhnte verhalten. »Ein neuer Fall?«, fragte sie und ließ sich auf den Drehstuhl fallen, der vernehmlich ächzte, als wollte er sie nachäffen. Das lag aber nicht daran, dass sie zu viel wog, sondern eher daran, dass der Stuhl bereits so betagt war.
Die Kriminalbeamtin hatte vor anderthalb Monaten ihren fünfunddreißigsten Geburtstag gefeiert. Sie maß vom Scheitel bis zu den Fußsohlen exakt einhundertzweiundsiebzig Zentimeter. Allerdings hatte sie keinen Scheitel, denn ihr kurzes dunkelblondes Haar war zu ihrem Verdruss auch an diesem Morgen wie immer arg zerzaust. Dadurch sah sie aus, als wäre sie auf dem Weg ins Büro durch einen schweren Sturm marschiert. Sie hatte ein herzförmiges Gesicht und hohe markante Wangenknochen; dazu grüne Augen, eine schmale Nase und einen ihrer Ansicht nach etwas zu breiten Mund mit dünnen Lippen.
»Die Akte lag da schon, als ich kam«, erklärte Braun.
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