Als Heim siebzehn Lenze zählte, hörte er von Didrik, der soeben mannbar geworden war und dessen Ruf damals schon begann über die Lande zu dringen. Er teilte seinem Vater mit, dass er sich mit Didrik messen wolle, und ritt nach Bern. Der Zweikampf ging zu Didriks Gunsten aus und Heim musste ihm den Treueeid schwören. Er war der erste Vasall des Berners. Nachdem er ihm den Schwur geleistet hatte, schenkte Heim König Didrik das Ross ‚Falke‘. Es war der Bruder Rispas und wurde Didriks Ross für viele Jahre.
Noch zahlreiche andere Helden aus dieser Zeit, die sich einen Namen gemacht hatten, waren eingetroffen: Graf Hornboge und sein Sohn Amlung, Sintram und Fasold, Detzlef der Däne und Wildefer.
Ein Recke namens Wideke befand sich ebenfalls unter den Gesellen. Er war der Sohn des weithin berühmten Schmieds Weland. Von seinem Vater hatte er das Schwert ‚Mimung‘ erhalten. Dieser hatte von dessen Lehrmeister Mime eine geheime Technik gelernt, wie man besonders scharfe Klingen schmieden konnte. Und Weland hatte diese Kunst nochmals verbessert. So gab es keine zweite Waffe, wie dieses, denn sie durchdrang jede Brünne, spaltete jeden Helm und machte jeden Schild zu Kleinholz.
Didrik war mächtig stolz auf diese hochkarätige Kampfgemeinschaft. Der Tag der Ankunft der Männer verging wie im Flug mit Geschichten und Gelächter und manche Freundschaft wurde besiegelt. Als die Sonne sich dem Horizont näherte, klatschte Didrik in die Hände:
„Freunde! Auf in die Halle! Was die Keller und Vorratskammern von Bern hergeben, wird heute aufgetragen. Esst und trinkt, so viel ihr wollt und könnt. Aber wenn euer Bauch zu platzen droht und ihr Raum für mehr schaffen wollt, dann tut das bitte nicht in der Halle, sondern übergebt euch hinter dem Haus. Jetzt kommt und lasst uns feiern!“
Tatsächlich hatte der junge König nicht übertrieben und die Tische bogen sich unter dem Gewicht der vollen Schüsseln, Platten und Krüge, die auf ihnen standen. Es war offensichtlich ein Ausdruck seiner Großspurigkeit, dass man mit der Menge drei- oder sogar fünfmal so viele Menschen mehr als satt bekommen hätte. Niemals könnten die Anwesenden das alles allein bewältigen. Die Sklaven und Diener würden am späteren Abend ebenfalls zu einem üppigen Festschmaus kommen, wenn sie die Reste abservierten.
Als sie schon eine Weile zusammengesessen und sich an Speis und Trank reichlich gelabt hatten, ließ sich Didrik eine große Trinkschale gefüllt mit dem besten Wein, den seine Burg hergab, bringen. Die Schale in der Hand stand er auf und rief:
„Freunde! Ich trinke auf euch und diese meine Kämpferschar. Auf dass der Friede in unserer Gemeinschaft immer währt.“
Daraufhin erhoben sie sich alle. Didrik nahm einen Schluck und reichte das Gefäß weiter an Hillebrand. Auch der nahm einen kräftigen Zug, nachdem er mit dem Ruf
„Auf Heil und Frieden!“, die Schale zum Gruß hebend, der Runde seine Ehrenbezeichnung erwiesen hatte. Das Schwurtrinken setzte sich fort, bis der letzte der Gemeinschaft eingeschworen und der Kelch wieder beim Berner gelandet war. Alle Anwesenden waren sich der Größe des Augenblickes bewusst – als eine im wahrsten Sinn des Wortes verschworene Schar, war ab nun jeder dem anderen auf Leben und Tod verpflichtet.
Didrik, dem der Wein schon etwas zu Kopf gestiegen war, setzte das Loblied auf sich selbst, nachdem die Trinkschale die Runde gegangen war, fort:
„Wir sind wohl die weithin einzige unbesiegbare Kampfgemeinschaft, von der ich weiß. Ich denke, keiner, der nur ein bisschen Verstand hat, würde es wagen, uns zum Kampf zu fordern.“ Beifälliges Murmeln von den jungen Männern vergewisserte ihn des Umstandes, dass sie das ebenso einschätzten.
Jetzt sah sich Hillebrand aber doch in der Pflicht, das hochfliegende Eigenlob seines Königs etwas zu bremsen:
„Ich weiß von einem Häuptling, Isung mit Namen, der wohnt viele Tagesreisen nach Mitternacht in einem Land, welches Bertanga genannt wird. Dieser hat elf Söhne und sie sind noch nie besiegt worden. Seit einigen Monden wird Isungs Kampfgemeinschaft noch verstärkt durch einen nahezu unbesiegbaren Helden, der Sigfrid heißt. Es geht das Gerücht, er habe einen Drachen getötet und sei unverwundbar. Der ist jetzt deren Bannerträger. Du siehst, mein König, es gibt deiner durchaus ebenbürtige Heldenrunden und es mindert nicht deine Ehre dies anzuerkennen.“
Didrik gefiel diese Art der Zurechtweisung gar nicht. Während er jedoch noch überlegte, wie er Hillebrand auf die Ungebührlichkeit seiner Wortwahl hinweisen sollte, ohne es dem Älteren gegenüber an Respekt fehlen zu lassen, hob Heim der Suebe den Kopf aus seinem Bierhumpen und murrte, mit auch schon recht schwerer Zunge:
„Isung und seine Söhne kenne ich nicht, aber Sigfrid ist mir vor Jahren über den Weg gelaufen. Eine gereizte Viper war ein Kinderspielzeug gegen diesen Knaben. Dabei war er damals gerade in dem Alter, in dem unsereins mannbar wird.“
„Du willst doch nicht sagen, dass du dich vor einem Knaben gefürchtet hast“, neckte ihn Wideke.
Ohne die Frage zu beantworten redete der Grimme in seinen Bierkrug starrend weiter, wie um etwas loszuwerden:
„Ich lebte damals, das ist schon einige Winter her, auf dem Gestüt Seegard meiner Base Brunhild. Sie ist die Tochter des ehemaligen Häuptlings von Svava, und mein Vater war nach dem Tod ihrer Eltern als ihr Mutterbruder ihr Vormund. Ihre Leidenschaft ist die Pferdezucht und die Tiere aus Seegard sind weit über die Grenzen ihres Landes berühmt. Ich reite selbst ein Pferd aus diesem Gestüt und König Didrik auch.“
Heim nahm einen Schluck aus seinem Krug und fuhr fort:
„Eines Tages kam wie aus dem Nichts ein Knabe vor die Tore des Hofes. Er machte einen fast lächerlichen Eindruck, denn er trug ein Kettenhemd, das ihm noch deutlich zu groß war. Es war ihm auch sichtlich warm von der Schlepperei und mit knallrotem Kopf und verschwitztem Haar begehrte er eher unwirsch Einlass und wollte die Herrin sprechen. Die Torwachen, zugegeben nur dazu eingesetzte Stallknechte und keine Kämpen, erheiterten sich über den komischen Knaben und gaben ihm den Rat, er solle sich davonmachen. Während noch der eine mit dem anderen über den Burschen lachte, verfinsterte sich dessen Miene und er wurde noch röter, als er schon war. Und plötzlich legte er los in einer derartigen Raserei, dass die beiden Wachen zwar noch einen Warnruf ausstoßen konnten, aber zu einer effektiven Gegenwehr gar nicht mehr kamen. Zuerst stieß er dem einen mit der Schildkante gegen die Gurgel. Um den zweiten lief er herum und hieb ihm mit der Spatha von hinten auf die Unterschenkel, sodass dieser, seiner Sehnen beraubt, vor ihm auf die Knie fiel. Abermals vor dem ersten angelangt rammte er ihm, welcher sich röchelnd den Hals hielt, die Schwertspitze in den Mund, dass sie zum Nacken wieder hinausfuhr. Noch während der Körper leblos zusammensackte, setzte er den Fuß auf dessen Brust und zog das Schwert heraus. Die Zähne des Unglückseligen erzeugten auf der Klinge ein weithin hörbares hässliches Kreischen. Zuletzt flog die Schneide dem auf den Knien liegenden Wächter an den Hals, dass sein Geschrei augenblicklich verstummte, als der Kopf fast abgetrennt zur Seite kippte.
Durch den Lärm alarmiert kamen weitere fünf Knechte gelaufen. Aber als der tobende Eindringling den Hof durchschritten hatte, stand keiner mehr von ihnen. In diesem Moment trat die junge Herrin aus dem Haus, aufrecht und furchtlos, wie sie sich auch den Hengsten gegenüber immer zeigte. Sie fragte ihn nach seinem Begehr und wisst ihr, was der Knabe antwortete…?“ Hier machte Heim eine Kunstpause – er tat dies gerne, um die Zuhörerschaft neuerlich in seinen Bann zu ziehen. Das aber war bei dieser Geschichte nicht notwendig, denn die ganze Tafelrunde hing dem Sueben voll Interesse und Aufmerksamkeit an den Lippen.
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