George Martin - Die Saat Des Goldenen Löwen

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Zwietracht und Verrat herrschen in den Sieben Königslanden.
Der Bürgerkrieg um die Herrschaft über die Sieben Königreiche hat ganz Westeros zerrissen und entsetzliche Verheerungen angerichtet. Die Ernten sind vernichtet, und die großen und kleinen Häuser haben einen schrecklichen Blutzoll entrichtet. Der grausame Kindkönig auf dem Eisenthron erweist sich als unfähig zu regieren, und seine Mutter, die Regentin, ist vor allem damit beschäftigt, ihre Macht gegen vermeintliche und echte Rivalen abzusichern. Arya Stark nutzt das Durcheinander am Königshof, um zu fliehen, doch der Weg nach Hause, nach Winterfell ist weit – und gefährlich. Und das liegt nicht nur an den Soldaten der verschiedenen Kriegsparteien, die noch immer durch die Lande ziehen. Denn während Westeros sich im Innern selbst zerfleischt, formieren sich jenseits der Grenzen weitere Gegner. Einer dieser Gegner ist noch weit entfernt, auf einem anderen Kontinent – doch Daenerys Targaryen, die Mutter der Drachen, ist gewillt, jedes erdenkliche Risiko einzugehen, um die Krone zurückzugewinnen, die rechtmäßig die ihre ist.

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George R. R. Martin

Die Saat Des Goldenen Löwen

Für John und Gail,

in Erinnerung an das Fleisch und den Met,

den wir teilten …

TYRION

Die Binsen fühlten sich unter seinen nackten Füßen rau an. »Mein Vetter hat eine eigenartige Zeit für einen Besuch gewählt«, sagte Tyrion dem verschlafenen Podrick Payn, der zweifelsohne erwartet hatte, geröstet zu werden, weil er seinen Herrn geweckt hatte. »Führe ihn in mein Solar und teile ihm mit, ich sei in Kürze unten.«

Mitternacht musste längst vorüber sein, schätzte er angesichts der Dunkelheit vor seinem Fenster. Denkt Lancel, er würde mich wegen der späten Stunde müde und schwer von Begriff vorfinden?, fragte er sich. Nein, Lancel denkt überhaupt nicht, das übernimmt Cersei. Seine Schwester würde enttäuscht sein. Selbst im Bett arbeitete er noch, und zwar für gewöhnlich bis weit in die Morgenstunden hinein. Beim flackernden Licht einer Kerze las er, führte sich die Berichte von Varys’ Ohrenbläsern zu Gemüte und studierte Kleinfingers Geschäftsbücher, bis die Zahlen und Buchstaben vor seinen müden Augen tanzten.

Im Becken neben seinem Bett wusch er sich mit lauwarmem Wasser das Gesicht und ließ sich Zeit, während er, wegen der kalten Nachtluft fröstelnd, auf dem Abtritt hockte. Ser Lancel war sechzehn und nicht gerade für seine Geduld bekannt. Mochte er warten und dabei noch nervöser werden. Nachdem Tyrion sich entleert hatte, schlüpfte er in einen Morgenmantel und zerzauste sich das dünne flachsblonde Haar mit den Fingern, bis es aussah, als wäre er gerade aufgestanden.

Lancel schritt vor der Asche im Kamin auf und ab. Er war in ein grelles rotes Samtgewand mit schwarzem Seidenfutter gekleidet, dazu hingen ein juwelenbesetzter Dolch und eine vergoldete Scheide von seinem Schwertgürtel. »Vetter«, begrüßte Tyrion ihn. »Ihr besucht mich zu selten. Welchem Umstand habe ich dies unverdiente Vergnügen zu verdanken? «

»Ihre Gnaden, die Königin Regentin, hat mich geschickt, um Euch zu befehlen, Großmaester Pycelle freizulassen.« Ser Lancel zeigte Tyrion ein scharlachrotes Band, das Cerseis Löwensiegel in goldenem Wachs trug. »Hier ist die Vollmacht. «

»Tatsächlich.« Tyrion tat das Siegel mit einer Handbewegung ab. »Ich hoffe, meine Schwester überschätzt ihre Kräfte nicht, so kurz nach ihrer Erkrankung. Es wäre ein Jammer, wenn sie einen Rückfall erlitte.«

»Ihre Gnaden haben sich erholt«, erwiderte Ser Lancel knapp.

»Das klingt wie Musik in meinen Ohren.« Wenngleich mir diese Melodie nicht sonderlich gut gefällt. Ich hätte ihr eine größere Dosis geben sollen. Tyrion hatte gehofft, einige Tage länger von Cerseis Störungen verschont zu bleiben, dennoch war er über ihre Genesung nicht allzu sehr überrascht. Schließlich war sie Jaimes Zwillingsschwester. Er setzte ein freundliches Lächeln auf. »Pod, zünde das Feuer an, mir ist es hier ein wenig zu kalt. Trinkt Ihr einen Becher mit mir, Lancel? Ich finde, nach ein wenig gewürztem Wein schläft man besser ein.«

»Ich kann auch ohne Wein gut schlafen«, gab Lancel zurück. »Außerdem bin ich auf Geheiß Ihrer Gnaden gekommen und nicht, um mit Euch zu trinken, Gnom.«

Die Ritterschaft hatte den Jungen kühner werden lassen, ging es Tyrion durch den Kopf – und ebenso die traurige Rolle, die er bei dem Mord an Robert gespielt hatte. »Wein birgt so seine Gefahren.« Er lächelte, während er einschenkte. »Was Großmaester Pycelle angeht … wenn meine Schwester sich solche Sorgen um ihn macht, hätte ich gedacht, sie würde persönlich kommen. Stattdessen schickt sie Euch. Was soll ich davon halten?«

»Haltet davon, was Ihr wollt, solange Ihr den Gefangenen freilasst. Der Großmaester ist ein treuer Freund der Königin Regentin und steht unter ihrem persönlichen Schutz.« Ein Hohnlächeln huschte über die Lippen des Jungen; das Ganze machte ihm Spaß. Er lernt seine Lektionen von Cersei. »Ihre Gnaden werden dieser Gräueltat niemals zustimmen. Sie möchte Euch daran erinnern, dass sie Joffreys Regentin ist.«

»Und ich bin Joffreys Hand.«

»Die Hand dient«, teilte ihm der junge Ritter herablassend mit. »Die Regentin herrscht, bis der König das rechte Alter erreicht hat.«

»Vielleicht könntet Ihr mir das aufschreiben, damit ich es nicht vergesse.« Das Feuer im Kamin knisterte fröhlich. »Du darfst gehen, Pod«, sagte Tyrion zu seinem Knappen. Erst nachdem der Junge den Raum verlassen hatte, wandte er sich wieder an Lancel. »Noch etwas?«

»Ja. Ihre Gnaden bitten mich, Euch mitzuteilen, dass Ser Jaslyn Amwasser sich einem Befehl widersetzt hat, der im Namen des Königs erteilt wurde.«

Demnach hat Cersei Amwasser bereits befohlen, Pycelle freizulassen, und wurde abgewiesen. »Ich verstehe.«

»Sie besteht darauf, dass der Mann aus seinem Amt entfernt und wegen Verrats unter Arrest gestellt wird. Ich warne Euch …«

Tyrion setzte den Weinbecher ab. »Von Euch höre ich mir keine Warnungen an, Junge.«

»Ser«, beharrte Lancel steif. Er griff an sein Schwert. Vielleicht wollte er Tyrion daran erinnern, dass er eines trug. »Achtet darauf, wie Ihr mit mir sprecht, Gnom.« Zweifellos wollte er bedrohlich klingen, doch dieser absurde Flaum von einem Schnurrbart verdarb die ganze Wirkung.

»Oh, lasst die Finger von Eurem Schwert. Ich brauche nur zu schreien, und im nächsten Moment ist Shagga hier und bringt Euch um. Mit einer Axt, nicht mit einem Weinschlauch. «

Lancel errötete; war er wirklich so dumm zu glauben, seine Rolle bei Roberts Tod wäre unbemerkt geblieben? »Ich bin ein Ritter …«

»Das ist mir schon aufgefallen. Sagt mir – hat Cersei Euch zum Ritter geschlagen, bevor oder nachdem Ihr das Bett mit ihr geteilt habt?«

Das Flackern in Lancels grünen Augen genügte als Eingeständnis. Also hatte Varys ihm die Wahrheit gesagt. Nun, niemand kann behaupten, meine Schwester würde ihre Familie nicht lieben. »Was denn, keine Antwort? Keine weiteren Warnungen, Ser?«

»Ihr nehmt diese schmutzigen Anschuldigungen zurück, oder …«

»Bitte. Habt Ihr Euch schon einmal Gedanken darüber gemacht, was Joffrey tun wird, wenn ich ihm berichte, dass Ihr seinen Vater ermordet habt, um mit seiner Mutter zu schlafen? «

»So war es überhaupt nicht!«, protestierte Lancel entsetzt.

»Nein? Wie war es denn, bitte schön?«

»Die Königin hat mir den Starkwein gegeben! Euer eigener Vater Lord Tywin hat mir aufgetragen, alles zu tun, was sie mir befiehlt, als ich zum Knappen des Königs ernannt wurde.«

»Hat er Euch auch aufgetragen, sie zu vögeln?« Sieh ihn dir nur an. Nicht ganz so groß, kein so hübsches Gesicht, und sein Haar ist eher sandfarben und glänzt nicht wie gesponnenes Gold, dennoch … sogar ein schlechter Ersatz für Jaime ist besser als ein leeres Bett, nehme ich an. »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. «

»Ich wollte nie … ich habe nur getan, was man mir sagte, ich …«

»… Ihr habt jede einzelne Minute verabscheut, wollt Ihr mir das einreden? Ein hoher Rang am Hof, Ritterschaft, und des Nachts macht meine Schwester die Beine für Euch breit. Oh ja, das muss schrecklich für Euch gewesen sein.« Tyrion erhob sich. »Wartet hier. Seine Gnaden werden das hören wollen.«

Lancels Trotz löste sich plötzlich in Luft auf. Der junge Ritter fiel wie ein verängstigter Knabe auf die Knie. »Gnade, Mylord, ich flehe Euch an.«

»Spart Euch das für Joffrey auf. Ihm gefällt es, angebettelt zu werden.«

»Mylord, es geschah nur auf Wunsch Eurer Schwester, der Königin, wie Ihr selbst gesagt habt, aber Seine Gnaden … er würde es nicht verstehen …«

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