Jede Bohrmaschine kann Löcher bohren
Was erwarten Sie, was muss eine Bohrmaschine können? Was erwarten Sie von einem Betonmischer? … Sie werden wahrscheinlich erst über diese Fragestellung etwas verwundert sein. Dann werden Sie vermutlich antworten, dass eine Maschine zum Bohren von Löchern wohl Löcher bohren können muss. Eine Maschine zum Mischen von Beton sollte Beton mischen können?! … Was auch sonst! Aber bedenken Sie einmal, wie viel Zeit und Aufwand dabei draufgehen, das richtige Material in der richtigen Qualität zu finden. Gehen Sie einmal in einen Baumarkt und vergleichen Sie die Angebote. Da finden Sie z. B. Bohrmaschinen, so weit das Auge reicht. Und was können die alle? – Löcher bohren? … Ja, Sie haben Recht. Das können die mal mehr, mal weniger gut. Die nächste Frage müsste noch lauten: Wie lange werden sie es können?
Sie kennen das, dass Sie das Supersonderangebot ausnutzen wollen und sehr preisgünstig einkaufen. Sie wollten Geld sparen. Zu Hause in der Werkstatt stellen Sie fest, dass das Bohrfutter instabil ist, die Maschine direkt heiß läuft und stinkt oder die dazugelieferten Bohrer rot glühend aus dem Bohrloch kommen, ohne dass Sie auch nur mehr als einen Millimeter weit in den letzten fünf Minuten haben bohren konnten.
Und Ihre Betonmischmaschine ächzt, kracht und scheppert so laut, dass Sie beschließen, diese Maschine nur mit halber Last bzw. den Betonmischer nur noch mit halber Füllung zu betreiben. Ein echtes Schnäppchen!?
Wenn Sie ehrlich zu sich selber sind, dann ist Ihnen ein solcher Fehlkauf auch peinlich, oder? Die wenigsten gehen zum Kaufhaus und reklamieren die minderwertige Ware. Vielleicht auch schon deswegen, weil wir befürchten, dass man uns bescheinigt, dass wir es doch hätten wissen müssen und somit auf eigenes Risiko handelten oder dass wir eben keine wirklichen Fachleute sind. Nämlich die Profis hätten sofort nach dem Profiwerkzeug gefragt. … Und ist besagte Bohrmaschine oder die Mischmaschinen wegen Überbelastung richtig durchgebrannt, dann wird man uns noch den berühmten Anwenderfehler attestieren.
Es war einmal ein Sozialreformer …
Die meisten Kolleginnen und Kollegen aus dem Verkauf denken immer, dass es noch nie wirklich so schlimm mit den Kunden und deren Kaufverhalten war, wie es heute ist. Die Kunden feilschen um jeden Cent und zwingen die Händler und Lieferanten in die Knie.
Bereits im vorletzten Jahrhundert formulierte John Ruskin (1819 – 1900) einmal über einen günstigen Kauf:
„Es ist nicht klug (für eine Ware oder Dienstleistung), zu viel zu bezahlen – es ist aber auch nicht klug, zu wenig zu bezahlen!
Wenn Sie (liebe Kundin, lieber Kunde) zu viel bezahlen, ist alles, was Sie verlieren können, ein wenig Geld (nämlich die Differenz vom günstigen zum Normalpreis!). Das ist alles!
Wenn Sie zu wenig bezahlen, verlieren Sie aber vielleicht alles, weil das Ding (z. B. die Bohrmaschine oder der Betonmischer, siehe oben), das Sie kauften, unfähig war das zu tun, wofür Sie es kauften.
Wenn Sie sich mit dem niedrigsten Anbieter einlassen, so ist es gut, dem Angebot noch etwas Geld (als Rückversicherung) hinzuzufügen, für das Risiko, das sie eingehen. Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genügend Geld, etwas Besseres zu kaufen.“
Wie Sie erkennen können, wurde auch schon vor mehr als 150 Jahren das Problem im Handel treffend beschrieben. Der Kunde möchte das Allerbeste für den niedrigsten Preis. Und wenn wir genau hinschauen, dann erkennen wir, dass diese Regel so alt ist, wie der Handel selbst. Wir können, ohne wahrsagerische Fähigkeiten bemühen zu müssen, davon ausgehen, dass auch noch in ferner Zukunft es genau so bleiben wird. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: Wer Handel betreibt, darf sich sicher sein, dass auch sein Kunde grundsätzlich immer einen billigeren Preis fordern wird!
»Geiz ist geil« und »Ich bin doch nicht blöd«
Wir alle leben seit Jahren mit den Werbeslogans, dass es geil ist, geizig zu sein. Sind wir es nicht, dann sind wir doch blöd oder mittlerweile sogar saublöd. Es kommt beinahe einer Hirnwäsche gleich, diese ständige Berieselung ertragen zu müssen.
Wie geil ist es wirklich, geizig zu sein?
Wenn es so erregend wäre, wenn es so gut wäre, wenn es so logisch wäre, krankhaft sparsam zu sein oder sein zu müssen, wozu bedarf es da noch einer Werbekampagne?
Und damit sich auch kein Widerstand im Geiste regt, schießt das zweite Unternehmen im Bunde jeden kritischen Gedanken mit dem Spruch ab: „Ich bin doch nicht blöd“. Welches Menschenbild wird da verwandt? Jeder Kunde, der in einem anderen Unternehmen einkauft, ist also (sau-)blöd (dumm, schwachsinnig oder idiotisch, laut Lexikon)!
Ist es für unsere Kunden so klug, sparsam in unserem Unternehmen zu sein? Glauben Sie im Ernst, dass es einen einzigen Kunden in Ihrem Geschäft geben wird, der zu Ihnen kommt, um zu sparen? Wenn dies so wäre, dann würde dieser Kunde im Zweifel gar nicht zu Ihnen kommen, oder?
Was uns allen immer wieder passiert, ist, dass unsere Kunden sparen wollen, weil sie nicht verstanden haben, was sie an Leistungen für ihr gutes Geld bei uns bekommen. Haben es die Kunden nicht verstanden oder nicht verstehen können, weil wir das Entscheidende nicht rübergebracht haben? Dieser spannenden Frage werden wir in diesem Buch noch nachzugehen haben! Wie dem auch sei, solange der Kunde nicht verstehen kann oder darf, was er für sein gutes Geld kaufen kann, solange bleibt es immer »zu teuer«.
Vor einiger Zeit hatte ich in einem Seminar für selbstständige Kosmetikerinnen eine Teilnehmerin, die ein Kosmetik-Institut in Berlin führt. Sie berichtete von einer Kundin, die sich regelmäßig über die Preise echauffierte. »Alles sei zu teuer, sie wisse nicht, ob sie sich das noch weiter leisten könne!« Die Seminarteilnehmerin wirkte leicht entnervt und war ratlos. Sie hatte dieser Dame natürlich schon alle Vorteile der Behandlung und Ähnliches erklärt. Aber diese Dame blieb hartnäckig. Bei jedem Besuch immer wieder die gleiche Leier von der vergleichbaren Creme aus dem Drogeriemarkt!
Wir erarbeiteten folgende Lösung: Die Seminarteilnehmerin probierte beim nächsten Besuch der Kundin die Anekdote aus: »Frau Kundin, Sie haben Recht, dieses Präparat, welches wir hier anwenden, ist wirklich nicht billig. Übrigens: Ich hatte vor einer Woche, ach, was sage ich, nein, vor zwei Wochen eine Dame hier mit einer ähnlichen Haut, wie die ihre. Und die sagte mir bei der Bezahlung: „Ist aber nicht ganz billig ... Aber was soll’s, bei meiner Haut möchte ich keine Schnäppchen. Das bin ich mir wert!” …« Die jammernde Kundin erwiderte auf diese Geschichte nichts weiter, bezahlte und verließ das Geschäft.
Nach einigen Wochen erhielt ich einen begeisterten Anruf der Kosmetikerin. Die Dame sei jetzt vier Wochen nach dieser Anekdoten-Therapie wieder in ihrem Geschäft gewesen und hätte ihr ganz nebenbei erzählt, dass sie ihrem Mann gesagt hätte, dass sie doch kein Schnäppchen sei!
Niemals wird es geil oder anziehend sein,
nur für ein Schnäppchen oder
nur für ein Sonderangebot gut genug zu sein!
Von Preisschlachten und Rabattjägern
High Noon: Gary Cooper steht mit seinem Gegner vis-à-vis auf der einsamen Dorfstraße. Es ist heiß, die Sonne brennt erbarmungslos. Jetzt geht es um alles oder nichts. Schluss mit den ewigen Diskussionen …
Eines ist sicher: Der schnellere von beiden Duellanten wird überleben. Und ein Weiteres ist ebenfalls sicher: Revolverhelden sterben nie an Altersschwäche – sie sterben immer an akuter Bleivergiftung! Denn irgendwann kommt immer einer, der noch schneller zieht.
Diese Situation umschreibt sehr genau die Preiskämpfe und Rabatt-schlachten der letzten Jahre.
Читать дальше