Marlene Moeschke (1894 — 1985) hatte sich von 1914 bis 1916 an der Hamburger Kunstgewerbeschule zur Bildhauerin ausbilden lassen. Im Anschluss war sie an die Kunstgewerbeschule München gewechselt und nach Erhalt eines Atelierstipendiums der Preußischen Akademie der Künste nach Berlin gegangen. Dort lernte sie auf einer Veranstaltung der Berliner Sezession im Frühjahr 1918 den Architekten Hans Poelzig kennen, den sie 1924 heiratete. Seit 1918 arbeitete Marlene Moeschke neben bildhauerischen auch an kunstgewerblichen Projekten, an Grabmalen und Möbelentwürfen. 1919 war sie maßgeblich am Umbau des Zirkus Schumann zur berühmten expressionistischen Tropfsteinhöhle für Max Reinhardt beteiligt. 1920/21 gründete sie mit ihrem Mann zusammen das Bauatelier Poelzig. 1923 wurde das erste der drei Kinder geboren. 1930 bezog die Familie das von ihr entworfene Wohnhaus in Berlin-Westend. Nach Hans Poelzigs Tod im Jahr 1936 führte Moeschke-Poelzig das Bauatelier noch einige Zeit fort, doch 1937 musste sie es auf Druck der NSDAP auflösen. Sie verkaufte ihr Wohnhaus, verließ Berlin und lebte bis zu ihrem Tod 1985 wieder in Hamburg. Über Hans Poelzig gibt es eine umfangreiche Werkschau, zahlreiche biografische Veröffentlichungen und Würdigungen. Über seine Frau ist so gut wie nichts bekannt.
Aino Aalto (1894 — 1949) wurde am 25. Januar 1894 unter dem Namen Aino Marsio in Helsinki geboren. Nach ihrem Studienabschluss 1920, begann sie ihre berufliche Karriere bei dem Architekten Oiva Kallio in Helsinki. Im Jahr 1924 wechselte sie in das Büro von Alvar Aalto. Nach sechsmonatiger Zusammenarbeit heirateten die beiden und eine lebenslange Partnerschaft begann. 1932 gewann Aino in Konkurrenz zu ihrem Mann einen Design-Wettbewerb mit den Aino-Aalto-glasses. Für diesen Entwurf erhielt sie 1936 die Goldmedaille bei der Triennale in Mailand. Diese Gläser wurden für den täglichen Gebrauch geschaffen. Mit ihrem einfachen, zeitlosen Design sind sie auch heute noch, 80 Jahre später, Teil unseres Alltags. Allerdings kommen die Designprodukte erst seit jüngster Zeit unter ihrem Namen an die Öffentlichkeit, jahrelang liefen sie u.a. als Museums-Exponate unter dem Namen des Aalto Büros. Als Designerin ist Aino Aalto in erster Linie für ihre Arbeit im Glasdesign und die Gestaltung von Innenräumen und Möbeldesign bekannt. Ihr Lebenswerk aber reichte von Architektur über Fotografie bis zu verschiedenen Bereichen der angewandten Kunst. Aino Aalto hat neben Glas-Objekten auch Keramik, Beleuchtung, Stoffe sowie einzelne Textilien konzipiert. Aino Aalto wird als bodenständige Rationalistin beschrieben mit einem starken Sinn für Stil, Farbe und einem Auge für Qualität. Ihr gradliniger Ansatz und ihr Interesse an der Vereinfachung des Alltags, halfen ihrem Mann seine manchmal hochfliegenden Pläne mit der Realität zu vereinbaren. Aino Aalto starb am 13. Januar 1949, kurz vor Ihrem 55. Geburtstag in Helsinki.
Erst seit einiger Zeit erfahren die Entwürfe der Architektin eine Würdigung. Seit die Iittala-Group unter ihrem Namen die Glasprodukte verkauft, wird endlich an die erfolgreiche Designerin namentlich erinnert.
Weniger bekannt, aber auch an der Seite von Alvar Aalto erfolgreich tätig, war seine zweite Frau, Elissa Mäkiniemi. Sie ging ihm, wie in dem genannten Buch über berühmte Architekten beschrieben wird, als geschickte Bauleiterin „zur Hand“:
Elsa Kaisa Mäkiniemi (1922 — 1994) arbeitete nach ihrem Studium in Helsinki seit 1949 als junge Architektin im Büro von Alvar Aalto. Nach dem Tod von Aino Aalto wurde sie zunächst Lebenspartnerin von Alvar Aalto. 1952 heirateten die beiden. Elsa Kaisa Mäkiniemi nahm an Wettbewerben teil, plante und koordinierte Aufträge im Büro. Nach dem Tod ihres Mannes setzte sie mit dem Architekten Harald Deilmann die von Aalto konzipierten Entwürfe, u.a. der des Opernhauses in Essen, in die Realität um. Kontinuierlich kümmerte sie sich um die Fortsetzung aller begonnenen Projekte, führte Sanierungen der Alvar-Aalto-Bauten durch und kämpfte dafür sein Erbe zu bewahren und der Forschung zur Verfügung zu stellen.
Lilly Reich (1885 — 1947) wurde am 16. Juni 1885 in Berlin geboren. Nach dem Abitur absolvierte sie zunächst eine Lehre als Kurbelstickerin. 1908 ging sie nach Wien, um dort bei den Wiener Werkstätten zu arbeiten. 1911 kehrte sie nach Berlin zurück und trat ein Jahr darauf dem Deutschen Werkbund bei, in dessen Vorstand sie 1920 als erste Frau gewählt wurde. Nach einigen Jahren Tätigkeit als Innenraumgestalterin und Modedesignerin in Berlin und Frankfurt/M. lernte sie 1926 Ludwig Mies van der Rohe kennen. Mit ihm organisierte sie 1927 die Werkbund-Ausstellung Die Wohnung in Stuttgart/Weißenhof und die „Deutsche Bau-Ausstellung“ in Berlin. 1928 wurden Mies van der Rohe und Lilly Reich wohl vor allem aufgrund des großen Erfolgs der Stuttgarter Werkbundausstellung mit der künstlerischen Leitung der deutschen Abteilung der Weltausstellung 1929 in Barcelona beauftragt. Sie gestalteten auch hier einige Ausstellungsbereiche gemeinsam. Ende 1928 begann Mies van der Rohe mit dem Entwurf für Haus Tugendhat im tschechischen Brünn, das 1930 fertiggestellt wurde und neben dem Barcelona-Pavillon ebenfalls als eines der Hauptwerke der modernen Architektur gilt. Die Innenausstattung entstand in Zusammenarbeit mit Lilly Reich. Im Januar 1932 berief sie der dritte Bauhaus-Direktor Ludwig Mies van der Rohe zur Leiterin der Bau-/Ausbauabteilung und der Weberei am Bauhaus Dessau und später am Bauhaus Berlin, wo sie bis zur Schließung des Bauhauses im Dezember 1932 tätig war. Zusammen mit Ludwig Mies van der Rohe erhielt sie 1937 den Auftrag zur Gestaltung der Reichsausstellung der Deutschen Textil- und Bekleidungs-wirtschaft in Berlin, die dann als Abteilung Textilindustrie im deutschen Pavillon auf der Pariser Weltausstellung 1937 zu sehen war. 1939 reiste sie nach Chicago und besuchte dort Mies van der Rohe. In der Zeit des Nationalsozialismus erging es ihr wie vielen Kolleginnen: sie erhielt nur noch wenige kleine Aufträge. Nach Kriegsende wurde Lilly Reich an die Hochschule für Bildende Künste Berlin berufen. 1947 starb sie in Berlin.
Der Name des Architekten Mies van der Rohe ist in Verbindung mit der Werkbund-, der Bauausstellung in Berlin und dem Barcelona-Pavillon stets präsent, Lilly Reichs Name nicht.
Charlotte Perriand (1903 — 1999) wurde in Paris geboren. Sie studierte von 1921 bis 1925 Innenarchitektur an der Kunstgewerbeschule Union Centrale des Arts Décoratifs in Paris. Nach Ende des Studiums begann Perriand Möbel zu entwerfen. Ihre vollständig aus vernickeltem Kupfer und eloxiertem Aluminium konstruierte „bar sous le toit“ („Bar unterm Dach“), die sie für ihr eigenes Studio entwarf und die auf der Ausstellung „Salon d´Automne“ im Jahr 1927 ausgestellt wurde, erregte dabei besonderes Aufsehen. Im gleichen Jahr, im Alter von 24 Jahren, begann ihre zehn Jahre währende Mitarbeit an sämtlichen Möbel- und Interiordesign-Projekten im Atelier von Le Corbusier und Pierre Jeanneret in der Pariser Rue de Sèvres 35. 1937 verließ sie zwar das Studio, arbeitete jedoch auch danach intensiv an einzelnen Projekten der beiden mit, so z.B. an der Innenausstattung der Unité d'Habitation in Marseille. Schon 1931 hatte Charlotte Perriand begonnen sich politisch zu engagieren. Sie war der KP-nahen Association des Écrivains et Artistes Révolutionnaires (AEAR) beigetreten und mit Mitgliedern der Partei nach Deutschland, in die Sowjetunion und nach Griechenland gereist, wo sie 1933 am Kongress des international organisierten Architektenverbandes CIAM (Congress international d´architecture moderne) teilnahm. 1937 gehörte sie zur Vorbereitungsgruppe des Folgekongresses in Paris. Als Reaktion auf den Hitler-Stalin-Pakt verließ sie 1939 die Kommunistische Partei Frankreichs und reiste 1940 auf Einladung des japanischen Ministeriums für Handel und Industrie nach Japan. Ihr Aufenthalt hatte einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des japanischen Designs. Perriand organisierte Ausstellungen, bekam Aufträge in Indochina, wo sie von 1943 bis 1946 die Ausbildung von Kunsthandwerkern koordinierte, und als Architektin tätig war. 1946 kehrte sie nach Paris zurück. Sie arbeitete erneut mit Le Corbusier, Pierre Jeanneret und mit Jean Prouvé zusammen. Neben privaten Auftraggebern und dem Vertrieb von Möbeln waren es vor allem Projekte für staatliche Institutionen und Unternehmen wie Air France, die bei ihr Möbel und Einrichtungen in Auftrag gaben. Viele Projekte wie etwa die Einrichtung von 2.000 Studentenappartements in Antony bei Paris lassen zudem ihr soziales Engagement erkennen. Ende der 1960er-Jahre beteiligte sie sich am Entwurf von Hotels und Wohnungen in den französischen Alpen, bekannt unter dem Namen Les Arcs. Es sollte viele Jahre dauern, bis ihre Möbel nicht in demselben Atemzug mit Le Corbusier, sondern unter ihrem Namen als hochwertige Sammlergegenstände begriffen und weltweit als ihr Werk anerkannt wurden. Ob Le Corbusier ohne das Talent und Schaffen von Charlotte Perriand so erfolgreich geworden wäre, wissen wir nicht, Tatsache ist, dass eine weitere Frau, die sich mit Architektur beschäftigte und sie umsetzte, Le Corbusier beeinflusst hat:
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