Die Analyse lässt sich im Prinzip auch auf andere Arten von Beziehungen übertragen:
Belohnungen sind dann wirksam ,
- wenn sie einen starken Belohnungswert haben und
- unmittelbar und
- erst immer und dann in unregelmäßigen Zeitabständen erfolgen.
Die vorgenannten Voraussetzungen lassen sich nur begrenzt herstellen.
Belohnungen sind hingegen nicht wirksam ,
- wenn sie zu weit in der Zukunft liegen oder
- unannehmbares Verhalten zugleich von der sozialen Umwelt belohnt wird oder
- es Belohnungsalternativen in der sozialen Umwelt gibt.
(vgl. hierzu Gordon, „Die Neue Familienkonferenz“, 2000, 51ff, 64ff)
Bestrafung hingegen ist dann wirksam ,
- wenn der Bestrafungswert stark ist und
- Bestrafung unmittelbar erfolgt und
- immer erfolgt und
- unerwünschtes Verhalten nicht belohnt wird.
Auch hier lassen sich die Voraussetzungen nur schwer erfüllen.
(vgl. hierzu Gordon, „Die Neue Familienkonferenz“, 2000, 53ff, 95ff)
Wirkung von Bestrafung auf den Bestraften
Nicht so sehr die Belohnung als vielmehr die Bestrafung steht im Mittelpunkt von Überlegungen bezüglich negativer Wirkungen auf die Beziehung. Mit Bestrafung einher geht eine mangelnde Bedürfnisbefriedigung, ein Verlust von Selbstachtung und Rachegefühle (vgl. dazu Gordon, „Die Neue Familienkonferenz“, 2000, 119ff).
Bisher ist dargelegt worden, wie es sich auswirkt, wenn Sie machtbezogenes Verhalten erfolgreich anwenden, um Ihre Bedürfnisbeeinträchtigung aufzuheben. Es ist jedoch auch denkbar, dass sich Ihr Gegenüber im Machtkampf durchsetzt und die Deprivation bestehen bleibt oder Sie von vornherein klein beigeben. Dies geht dann Ihrerseits einher mit einem vermindertem Selbstwertgefühl und dem Bedürfnis, den anderen zu schädigen.
Wenngleich Gordon das machtbezogene Konfliktverhalten analysiert unter dem Gesichtspunkt seiner Wirkung und Wirksamkeit, so lehnt er primär dieses Verhalten aus wertrationalen Gründen ab und bevorzugt statt dessen eine Konfliktlösung, die weder Gewinner noch Verlierer kennt.
Neben einem machtbezogenen Handeln oder einer Unterordnung lässt sich mindestens als eine weitere Konfliktlösungsoption eine strategische Kommunikation benennen (Stiebel, David: „Wenn Reden nicht mehr weiterhilft“). Während das partnerschaftliche Beziehungskonzept dazu rät, sich offen und gleichberechtigt um gemeinsame Lösungen zu bemühen, versucht hier eine Konfliktpartei möglichst viele Informationen über die andere Partei zu bekommen und gleichzeitig auf verdecktem Weg und unter Anwendung bestimmter Handlungsprinzipien das für sie beste Ergebnis zu erhalten.
(3) Die Niederlagelose Methode der Konfliktlösung
Wenn sich nun machtbezogenes Verhalten hauptsächlich negativ auswirkt, stellt sich die Frage, wieso dann für viele Menschen machtbezogene oder gewährende Verhaltensweisen die einzigen Konfliktlösungsmethoden sind. Dies liegt möglicherweise (auch) daran, dass es auf den ersten Blick so aussieht, dass eine Lösung nur möglich ist, wenn eine der beiden Personen nachgibt.
So kann die Mutter nur die Zeitung im Wohnzimmer lesen, wenn ihr Sohn das Fernsehen im selben Zimmer leiser stellt. Oder aber das Fernsehen wird lauter gestellt, und die Mutter kann nicht lesen.
Auf den zweiten Blick stellt sich jedoch heraus, dass es eine Alternative gibt, die in einer Niederlagelosen Konfliktlösung besteht. Eine derartige Konfliktlösung vollzieht sich dabei in mehreren Schritten (Gordon, „Die neue Beziehungskonferenz“, 2002,116ff).
- Ein erster Schritt zu einer gemeinsamen Konfliktlösung besteht darin, dass beide Seiten sich über die den unvereinbaren Handlungen zugrunde liegenden Bedürfnisse im klaren werden.
Das Bedürfnis der Mutter besteht darin, die Zeitung zu lesen, und das Kind möchte das im Fernsehen Gesagte gut verstehen. Nun wird deutlich: Die gleichzeitig ausgeführten Handlungen, Zeitung im Wohnzimmer lesen und lautes Fernsehen im selben Raum, führen zwar dazu, dass die Bedürfnisse der Mutter und des Kindes sich nicht gleichzeitig erfüllen lassen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie sich nicht mittels anderer Handlungen befriedigen lassen (siehe nächste Konfliktlösungsstufe).
- Nachdem Sie und Ihr Konfliktpartner sich über Ihre Bedürfnisse im klaren sind, können Sie gemeinsam überlegen, welche Handlungen möglich sind zur gemeinsamen Bedürfnisbefriedigung. Sie sollen beide in dieser Phase spontan alle Lösungseinfälle zulassen, ohne dass jeweils von der Gegenseite hierzu eine Bewertung abgegeben wird.
So könnten von der Mutter die Vorschläge kommen:
Das Kind setzt einen Kopfhörer auf.
Die Sendung wird zu dem Zeitpunkt des Lesens der Zeitung aufgezeichnet.
Das Kind könnte vorschlagen:
Die Mutter liest in einem anderen Zimmer.
Die Mutter liest die Zeitung zu einem Zeitpunkt, wo das Kind nicht fernsieht.
Die Mutter steckt sich Ohrstöpsel in die Ohren.
- Die Lösungen werden einer Bewertung unterzogen. Es werden alle die Lösungen nicht weiter berücksichtigt, die von einer der beiden Seiten abgelehnt werden.
So lehnt die Mutter es ab, die Zeitung zu einem Zeitpunkt zu lesen, wo das Kind nicht fernsieht. Ebenfalls möchte sie die Zeitung nicht in einem anderen Zimmer lesen.
Das Kind möchte seinerseits nicht, dass die Sendung aufgezeichnet wird.
- Von den verbliebenen Lösungen einigen sich beide Parteien auf eine. Dabei kann die Einigung auch aus einer Kombination verschiedener Lösungen bestehen.
So einigen sich die Mutter und das Kind darauf, dass sie abwechselnd Ohrstöpsel und Kopfhörer tragen.
- Es kann sein, dass die Lösung noch der weiteren Planung zu ihrer Durchführung bedarf. So muss eventuell noch festgelegt werden, wer wann was macht.
Es sind ggf. noch Ohrstöpsel und Kopfhörer zu kaufen. Mutter und Kind einigen sich darauf, dass die Mutter die Ohrstöpsel kauft, hingegen beide gemeinsam den Kopfhörer.
- Nach einiger Zeit der Erprobung der Lösung kann eine gemeinsame Erfolgsbewertung durchgeführt werden, ggf. mit dem Ergebnis der Lösungsänderung.
Zur Demonstration der Niederlagelosen Methode der Konfliktlösung möchte ich Ihnen einen Konflikt aus der Hausaufgabenbetreuung darstellen:
Georg unterbricht den Betreuer öfters in Gesprächen, die dieser mit anderen Schülern führt. Da er dies als störend empfindet, beschließt er, bei einer günstigen Gelegenheit einmal mit Georg zu sprechen. Eine solche Gelegenheit ergibt sich, als er nach Beendigung der Schülerhilfe mit Georg nur noch alleine im Raum ist.
Betreuer: Georg, ich würde gerne mit Dir etwas besprechen. Hast Du noch ein wenig Zeit?
Georg zögernd: Ich weiß nicht: Worum geht es denn?
Betreuer: Du möchtest erst einmal wissen, was ich mit Dir besprechen möchte.
Georg: Ja, was ist es denn?
Betreuer: Ich erlebe öfters, dass Du mich im Gespräch mit anderen Schülern unterbrichst. Mir ist das gar nicht recht, weil ich etwas abklären möchte, oder die Schüler mit mir, und das ist dann nicht gut möglich.
Georg: Ich habe eben oft Fragen bei den Hausaufgaben.
Betreuer: Es ist für Dich wichtig, dass Deine Fragen beantwortet werden.
Georg: Deshalb bin ich ja auch da.
Betreuer: Aber genauso wichtig ist es für mich, dass ich mit anderen Schülern Dinge in Ruhe abklären kann. Wir können ja vielleicht einmal gemeinsam überlegen, ob wir nicht eine Lösung finden können, die sowohl Dich als auch mich zufriedenstellt.
Georg: In Ordnung.
Betreuer: Fällt Dir irgendetwas ein?
Georg: Wenn ich eine Frage habe, könntest Du mir sagen, wann Du Zeit für mich hast. Du könntest mir auch meine Frage sofort beantworten, und dann kannst Du in Ruhe Dein Gespräch weiterführen.
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