Vor allem, da sie wusste, dass ihr Mann nach wie vor fremdging. Das schien in seinen Genen zu liegen. Schon sein Vater war als der größte Schürzenjäger der Ostküste bekannt, sein Sohn stand dem in nichts nach.
»Du wolltest doch schon mal in meiner Bibliothek ein bisschen schmökern. Heute Abend wäre sie frei«, hatte er ins Telefon gelächelt.
»Isst Caroline wieder mal auswärts?«, hatte sie spöttisch wissen wollen.
»Nein, sie hat mich verlassen«, hatte er kalt geantwortet.
»Das glaub ich jetzt nicht. Hat sie sich einen Reicheren geangelt?« Denn lange Zeit war es Deborahs größte Sorge gewesen, ihr Mann könnte sie für Caroline verlassen. Sie hatte ebenfalls einen Ehevertrag unterschrieben. Bei Scheidung gab es nichts. Gleich, wie die Schuldfrage lautete.
Ben hatte nie verstanden, warum Caroline mit dem alten Frank Williams ein Verhältnis begonnen hatte. Er war tattrig, ständig lief ihm Speichel aus dem Mund. Böse Zungen behaupteten, er träumte immerzu von jungen vollbusigen Frauen.
Caroline hatte wahrscheinlich gedacht, mit dieser Affäre könnte sie ihn besonders erniedrigen. Auch seine Mutter war jahrelang die Geliebte dieses Mannes gewesen. Es hatte seinem Vater fast das Herz gebrochen, denn der hatte seine Frau aufrichtig geliebt. Allerdings wurde seine Mutter bei der Wahl ihres Ehemannes nicht um ihre Meinung gefragt. Sie war William Warden schon in jungen Jahren versprochen worden, die Familien waren seit Generationen befreundet und heirateten gegenseitig. So war das bei der Ostküstenelite. Dass seine Mutter Frank Williams geliebt hatte, interessierte keinen. Frank war ein Möchtegern, wollte groß herauskommen und man hatte ihm unterstellt, dass er mit Hilfe der jungen und hübschen Mildred Fletcher seine Ziele erreichen wollte.
Er hat es auch ohne Mom geschafft, ging Ben durch den Kopf. Frank ist ein Arbeitstier und ein gerissener Geschäftsmann. Bald ist er reicher gewesen als die Familie meiner Mutter und meines Vaters zusammen. Ob Großvater sich manchmal geärgert hat, weil er Mom nicht ihren Willen gelassen hat?
»Ben? Bist du noch da?«
»Ja, ja natürlich. Entschuldige, habe mich etwas in Träumereien verloren. Nein, im Gegenteil. Es ist der neue Trainer aus eurem Fitnessstudio, von dem alle Ladys so schwärmen«, hatte er verächtlich erklärt.
Ein erfrischendes Lachen erklang in seinen Ohren. »Na, da wird sie ganz schnell wieder angekrochen gekommen. Der hat es auch bei mir probiert. Mehr als ein kurzes Abenteuer war er mir allerdings nicht wert. War mir zu süß, zu schmeichelnd. Außerdem taugte er als Liebhaber nicht viel. Der will nur ihr Geld.«
»Davon gehe ich aus. Sie hat mir schon verkündet, dass sie die Hälfte meines Vermögens möchte.«
»Und?«
»Keinen Cent mehr als notwendig bekommt sie. Und das nur wegen Lilly.«
»Na ja, vielleicht findet sie andere Sponsoren«, hatte sie gehässig gemeint.
»Wie sieht es aus? Lust auf einen Besuch bei mir?«
»Natürlich. Schließlich war ich bis jetzt nie in deinem Heiligtum. Kannst schon mal den Champagner kalt stellen.«
Er freute sich auf sie. Auch, dass er sie in seinem Haus empfangen würde. Noch nie hatte er Damenbesuch in seinem komfortablen Heim, aus Rücksicht auf Caroline, aber vor allem wegen Lilly. Er wusste, dass Caroline ihre Liebhaber in seinem Schlafzimmer empfing, das störte ihn allerdings nicht. Die Haushälterin hatte die Aufgabe, sein Bett jeden Abend frisch zu beziehen, kurz bevor er eintraf.
Es hatte nicht lange gedauert, und Deborah hatte an der Tür geläutet. Seinen Angestellten hatte er für diesen Abend frei gegeben, also öffnete er selbst. Sie war in einem Trenchcoat und High Heels im matten Schein der Gaslaterne von der Straße auf der mittleren der drei Stufen gestanden, die zu seinem eleganten Stadthaus führten. Er hatte sie hereingebeten, doch sie war stehen geblieben.
Überrascht hatte er aufgeblickt. Da hatte sie langsam den Gürtel ihres Trenchcoats geöffnet. Der war aufgeklafft. Und hatte eine hinreißende Frau in schwarzen Spitzen preisgegeben. Sie hatte die Reizwäsche getragen, die er ihr vor vier Jahren zu seinem Geburtstag geschenkt hatte, mit dem Wunsch, dass sie nur mit dieser Wäsche bekleidet in das Hotelzimmer nach New York zur intimen Feier kommen sollte.
Er hatte sie angelächelt. »Du hast es nicht vergessen.«
»Wie könnte ich«, hatte sie mit brüchiger Stimme geantwortet.
Ja, es war eine unvergessliche Nacht gewesen in New York. Fast hätte er sie damals gebeten zu bleiben, für immer. Aber wegen Lilly ...
Er hatte sie lange angeblickt, wie sie da im fahlen Licht stand und ihn herausfordernd anblickte. Doch da war noch etwas in ihrem Blick, das er nicht deuten konnte ...
So hatte er ihr die Hand entgegengestreckt, sie hatte ihre sanft in seine gelegt. Zart hatten seine Lippen ihren Handrücken berührt. Danach war sie in die Vorhalle getreten und hatte wie unbeabsichtigt ihren Mantel fallen gelassen.
»Also, wo geht´s zur Bibliothek?«, hatte sie forsch, doch immer noch leicht brüchig, gefragt.
»Wenn die Dame mir folgen möchte«, hatte er eine Verbeugung angedeutet und war vorausgegangen.
Dann war sie in der Mitte seines Heiligtums gestanden, sanft beleuchtet von seiner Leselampe.
»Du siehst zum Anbeißen aus«, hatte er geflüstert. »
»Dann beiß an«, hatte sie zurück geflüstert.
Er wollte auf sie zutreten und sie stürmisch umarmen, da hatte er sich auf seine Gastgeberverpflichtungen besonnen und für beide Champagner eingeschenkt, der in einem silbernen Sektkühler bereit gestanden hatte.
»Auf dich!« Es hatte ihm viel bedeutet, dass sie gekommen war. Sie war so herrlich unkompliziert, ein Kumpeltyp, trotzdem extrem weiblich.
Sie hatte ihr Glas in einem Zug leer getrunken. War sie nervös?, hatte er überlegt. Er war es gewesen. Denn so nah waren sie sich noch nie. Es machte einen Unterschied, ob man eine Frau im Hotel oder bei sich zu Hause empfing. Und diese Frau, das spürte er, bedeutete ihm mehr als seine sonstigen Abenteuer.
In seinem Sessel zurückgelehnt sah er sie vor sich, wie sie sich zu seinen Füßen gesetzt und ihn mit ihren Lippen fast um den Verstand gebracht hatte. Wie damals Caroline. Als er noch jung und dumm war.
Aber nun war er nicht mehr so leicht zu beeindrucken, obwohl er zugeben musste, dass es mit Deborah ein wirklicher Genuss war. Sie verstand es, einen Mann zu verwöhnen. Er schätze ihre Hingabe und Leidenschaft.
Sollte er sie heute Abend erneut einladen? Das gestern war mehr als eine leidenschaftliche Nacht. Er hatte ihr sogar angeboten, in seinem Ehebett zu übernachten.
»In deinem Ehebett?«, hatte sie überrascht gefragt und ihn dabei eigentümlich schräg mit ihren grünen Augen angesehen. Doch die Einladung angenommen. Und so hatten sie sich noch öfter in dieser Nacht geliebt. In seinem Ehebett. Im Morgengrauen hatte sie sich verabschiedet. »Danke«, hatte sie nur geflüstert und dann war sie verschwunden.
Gestern hat ihn seine Frau verlassen, dachte er erneut belustigt, diesmal allerdings bereits leicht beschwipst.
Immer noch saß er mit dem Scotch-Glas in der Hand auf seinem Lieblingssessel in der Bibliothek. Lange hatte er nach diesem Sessel gesucht. Er hatte sich einen typisch englischen Bibliothekssessel eingebildet, der einen alten Ledergeruch an sich haften hatte und in dem man auch als großgewachsener Mann versinken konnte, wenn man seine Zigarre und seinen Scotch darin genoss. Er hatte ihn durch Zufall in London bei einer Auktion gefunden und sich nach Hause schicken lassen. Seine Frau war nicht begeistert gewesen, aber die Bibliothek betrat sie ohnedies so gut wie nie. Das war sein Rückzugsort. Und der Lillys.
Wie gern kam seine Tochter schon als kleines Mädchen zu ihm in die Bibliothek und ließ sich von ihm vorlesen. Als sie klein war, saß sie auf seinem Schoß, kuschelte sich vertrauensvoll an ihn. Je älter sie wurde und somit größer, kauerte sie sich auf den Boden und lehnte sich an seine Beine. Und er las ihr vor. In letzter Zeit diskutierten sie viel miteinander, denn sie war wie er politisch interessiert und was sich zur Zeit in Amerika abspielte, war zum Fürchten.
Читать дальше