Nirgends war mir dieser Gestank nach Schwefel aufgefallen. Nur in der Küche. Das habe ich auch Fritz gesagt.
»Seltsam«, hat er gemeint. Und dann hat er gesagt, dass er sich die Woche nochmal meldet. Den Spezialfilter hat er mir umsonst dagelassen. Nach dreißig Jahren im Schützenverein darf man ruhig mal von seinen Privilegien Gebrauch machen.
Nachdem Fritz gegangen ist, hab‘ ich das Wasser in der Küche ein weiteres Mal aufgedreht. Das Wasser ist in einer luftigen Säule aus dem Spezialfilter gekommen. Und es hat nicht mehr nach Schwefel gestunken.
Damit habe ich die Sache auf sich beruhen lassen und hab‘ mich anderen Dingen gewidmet. Zum Abendessen hab‘ ich mir eine Brotzeit mit Speck, Käse und Gewürzgurken gemacht.
-2-
Am nächsten Tag wollte ich schauen, ob Fritz‘ Spezialfilter hält, was er versprochen hat. Aber dann die Überraschung: Das Scheißding muss in der Nacht abgebrochen sein.
Die Plastikkapsel ist aufgeplatzt in einer Pfütze gelben Wassers gelegen. In der Brühe sind kleine schwarze Kügelchen geschwommen und haben sich langsam aufgelöst. Zuerst habe ich überlegt, ob es einen Rückfluss gegeben hat, aber Fritz hatte am Vortag nichts an den Ventilen oder am Abfluss gemacht. Ich muss wohl nicht sagen, dass die ganze Schweinerei nach vergammelten Eiern gestunken hat.
Da hat mich das erste Mal die Wut gepackt. Dieses scheiß Drecksteil, das Elendige.
Ich hab‘ den Fritz angerufen und ihm gesagt, dass er so schnell wie möglich vorbeischauen soll. Der hat aber gesagt, dass er keine Zeit hat und ich das Wasser in der Küche einfach nicht aufdrehen soll, bis er vorbeikommt.
Als ob ich blöde rumhocken und abwarten könnte.
Ich hab‘ sicherheitshalber einen Eimer unter den Abfluss gestellt und dann den Hahn voll aufgedreht.
Das Wasser ist einen Moment lang schwarz aus der Leitung gekommen. Aber nach drei Sekunden ist es klar geworden und hat die Sauerei in meiner Spüle weggeschwemmt. Die kleinen schwarzen Kügelchen (laut Fritz Aktivkohle) hab‘ ich mit dem Stahlschwamm wegkratzen müssen, weil sie sich schon in den Edelstahl gefressen hatten. Ich hab‘ mir Latex-Handschuhe angezogen und mich an die Arbeit gemacht. Die Nase habe ich mir mit einer Hand zugehalten. Wieder hat alles nach Schwefel gestunken.
Nach dem Putzen habe ich Schwamm und Handschuhe sofort in den Müll geworfen. Am Schluss hab‘ ich alle Fenster in der Küche aufgemacht, damit sich der restliche Gestank verzieht.
Gefrühstückt hab‘ ich im Wohnzimmer. Die Reste von der Brotzeit gestern. Das Brot ist zwar schon sauer und steinhart gewesen, aber für meinen malträtierten Magen ist es trotzdem eine Wohltat gewesen.
Als sich Fritz aber mittags immer noch nicht gemeldet hatte, hab‘ ich beschlossen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
Ich bin zwar kein Sanitäranlagentechniker, aber nichts unternehmen konnte ich ja auch nicht. Fritz hatte gestern was vom Brunnen gesagt. Dass er verunreinigt sein könnte. Ich konnte ja sicherheitshalber mal nachschauen, ob ich was erkennen konnte, hab‘ ich mir gedacht.
Ich bin in mein Auto gestiegen und bin den Kilometer gefahren.
Im Wald angekommen, habe ich gemerkt, dass ich eine Brechstange oder Schmiermittel hätte mitnehmen sollen. Die Luke des Brunnens war komplett verrostet. Der Stift, mit dem die Luke verschlossen gewesen ist, war beinahe mit dem Deckel verschmolzen. Von dem Schloss mal ganz zu schweigen.
Scheiße.
Da hab‘ ich wieder an Lisbeth denken müssen. Die hat schon vor zehn Jahren gesagt, dass wir unseren Brunnen hätten erneuern lassen sollen. Damals war mir das Geld zu schade gewesen. Das ist jetzt die Rechnung dafür.
Am Ende habe ich mir einen Stiefel ausgezogen, ihn in meine Jacke gewickelt und dann so lange auf das Schloss gehämmert, bis der Stift gebrochen ist. Doppelt Scheiße.
Aber zumindest ist die Luke offen gewesen.
Beim Aufstemmen habe ich mir das Kreuz verrenkt. Mit 67 Jahren gehen einem solche Dinge halt nicht mehr so leicht von der Hand. Aber lassen wir das. Über das Alter habe ich noch nie gejammert und ich fang‘ jetzt nicht damit an.
An eine Taschenlampe hatte ich gedacht. Sonst hätte ich nicht auf den Grund des Brunnens sehen können. Schon der Geruch, der mir entgegenkommen ist, hat die Sache entschärft. Das Wasser hat muffig gerochen, ein bisschen modrig sogar, und nach Mineralien. Aber gut, das war eben Grundwasser. Dafür gibt es Filter und meiner scheint, noch funktioniert zu haben. Keine Spur von faulen Eiern.
Den einzigen alten Furz, den es hier gegeben hat, war ich.
Trotzdem habe ich den Boden des Brunnes abgeleuchtet, um auf Nummer sicher zu gehen. Fritz hat gemeint, dass man Schlieren oder Algen erkennen kann, wenn das Wasser mit Düngemitteln belastet ist, aber das Wasser ist klar gewesen. Keine Verunreinigungen.
Ich habe die Luke zugemacht und sie mit dem gebrochenen Stift so gut verschlossen, wie es eben ging. Morgen würde ich kommen müssen, um ein neues Schloss dranzumachen und bei der Gelegenheit konnte ich das Wasser gleich nochmal kontrollieren. Kann sein, dass Fritz mitkommt.
Dann bin ich heimgefahren.
Und daheim hätte mich fast der Schlag getroffen.
-3-
Schon als ich die Tür aufgemacht habe, ist mir der Gestank entgegengekommen. Ich hätte fast auf die Türschwelle gereihert. Das ganze Haus hat wie scharfe Jauche gerochen. Der Geruch ist so schlimm gewesen, dass ich hab‘ husten müssen und mir Tränen in die Augen geschossen sind. Ich bin natürlich sofort zur Spüle in der Küche gerannt und hab‘ nachgesehen, was los ist.
Die Spüle war bis oben hin mit gelbem Wasser gefüllt. Hat so ausgeschaut, als hätte sich jemand in meiner Spüle erleichtert. Im Abfluss ist kein Stöpsel gewesen und trotzdem ist das Wasser nicht abgelaufen.
Lange schwarze Haare sind in der Suppe geschwommen. Lisbeths Haare. Und das, obwohl sie schon ein Jahr nicht mehr bei mir lebt.
Das ist ein Rückfluss gewesen.
Aber das war noch nicht das Schlimmste. Auch nicht der elendige Gestank. Überall, wo das gelbe Wasser mit dem Edelstahl in Berührung gekommen ist, hat es das Metall schwarz gefärbt.
Scheiß‘ die Wand an!
Da hätte nicht einmal mehr ein Stahlschwamm geholfen!
Dann habe ich überlegt: Rufe ich erst den Fritz an oder kümmere ich mich gleich selbst um die Sache?
Ich hab‘ mich für Letzteres entschieden. Vor allem, weil Fritz sich noch nicht gemeldet hatte. Auch auf dem Anrufbeantworter war keine Nachricht.
Hab‘ mir also den Scheißhauspömpel geschnappt und den Abfluss solange damit bearbeitet, bis die Brühe abgelaufen ist. Danach hab‘ ich einen Schwall Wasser hinuntergelassen, weil selbst durch den Siphon allerfeinstes Aroma gekommen ist.
Dann hab‘ ich den Stöpsel reingesteckt und noch einen Milchpack draufgestellt. Ich hab‘ gewusst, dass das nichts bringt. Hätte Abwasser von unten durchgedrückt, hätte es den Stöpsel wie einen Sektkorken knallen lassen. Milchpack hin oder her. Vorsicht ist aber besser als Nachsicht.
Dann hab‘ ich alle Fenster im Haus aufgemacht und den Fritz angerufen.
Erwischt habe ich nur seine Mailbox. Ich hab‘ ihm eine saftige Nachricht auf den AB gesprochen.
»Fritz«, hab‘ ich gesagt, »Das ganze scheiß Haus stinkt nach faulen Eiern. Dein Spezialfilter hat rein gar nichts gebracht und jetzt hab‘ ich auch noch einen Rückfluss. Der Scheiß, der da aus dem Abfluss gekommen ist, ist so aggressiv, dass er mir die ganze Spüle verhunzt hat. Schaut jetzt so aus, als hätte ich sie schwarz gestrichen. Und auch mit dem Brunnen ist nix. Ich bin heute rausgefahren und hab‘ ihn mir extra angeschaut. Das Wasser ist klar. Ruf‘ mich so schnell zurück wie’s geht.«
Nach meiner Ansage hab‘ ich kontrolliert, ob der Milchpack noch auf dem Stöpsel steht. Zu guter Letzt hab‘ ich alle Fenster bis auf das Schlafzimmerfenster zugemacht und bin ins Bett gegangen, ohne zu essen. Hätte ich etwas gegessen, hätt‘ ich’s sofort wieder hergegeben.
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