Dinka
Der Pascha weiß viel von den Dinka zu erzählen. Die Herdenbesitzer bei den Dinka haben 300-1.500 Stück Vieh, schlachten dasselbe aber Selten des Fleisches wegen, sondern halten es einzig und allein wegen der Milch und des Blutes. Letzteres wird mit Sesamöl vermischt und als Delikatesse verzehrt. Beim Tode eines Herdenbesitzers lädt der nächste Verwandte seine Freunde ein und schlachtet vielleicht zwei Rinder für das Festmahl bei der Bestattung, sonst hört man kaum, dass ein Dinka das Vieh des Fleisches wegen geschlachtet hätte. Stirbt ein Stück Vieh eines natürlichen Todes, so verlangt der Appetit nach Fleisch, dass es verzehrt wird, ein Beweis, dass nicht das Gewissen den Dinka verhindert, seinen Magen mit Fleisch zu füllen, sondern, da die Rinder seinen Reichtum bilden, nur seine übertriebene Sparsamkeit.
Die Dinka bezeugen den Tigerschlangen und allen übrigen Arten von Schlangen große Ehrfurcht. Als einer der sudanesischen Offiziere eine Schlange getötet hatte, musste er zur Strafe vier schöne Ziegen hergeben. Sie betrachten die Schlangen sogar als Haustiere und halten sie in ihren Hütten, wobei den Tieren aber alle Freiheit gelassen wird, sodass sie hinauskriechen und auf Beute gehen können, worauf sie zurückkehren, um zu ruhen und zu schlafen. Sie waschen die Tigerschlangen mit Milch und reiben sie mit Butter ein. Man hört in fast jeder Hütte in dem Dachwerk kleinere Schlangen rascheln, die dort der Jagd auf Ratten, Mäuse usw. nachgehen.
Auf der Ostseite des Nils fand er einen Stamm, welcher eine außerordentliche Vorliebe für Löwen hatte und dessen Mitglieder sich lieber von einem Löwen töten ließen, als dass sie sich des Todes eines solchen schuldig machten. Diese Leute hatten einmal eine Grube angelegt, um Büffel und ähnliches Wild zu fangen, doch war unglücklicherweise ein Löwe das erste Opfer derselben. Als die Sudanesen dies entdeckten, wollten sie das Tier töten, der Häuptling verbot dies jedoch und bat, man möge ihm den Löwen schenken, wozu die Sudanesen gern bereit waren. Während sie neugierig zusahen, was der Häuptling mit dem Tiere machen werde, schnitt dieser einen langen, kräftigen Pfahl ab und stellte ihn schräg auf den Boden der Grube, worauf der Löwe sofort an demselben emporklomm und ins Dickicht sprang, um sich der wiedergewonnenen Freiheit zu erfreuen. Zu erwähnen ist noch, dass das edle Tier keinen Versuch machte, jemand zu verletzen, und sich wahrscheinlich viel zu sehr davor fürchtete. Man könnte eine ebenso niedliche Geschichte, wie von Androkles und dem Löwen daraus machen, wenn wir nicht in einem so wahrhatten und prosaischen Zeitalter lebten.
Das „Vogelstudium“, erklärte mir der grauhaarige Leutnant aus Kairo, sei das Entzücken des Paschas. In der Tat scheint er in allem, was Vögel oder vierfüßige Tiere angeht, ein ebenso großes Vergnügen zu finden, wie an seinen Militär- und Zivilpflichten, obwohl ich nicht bemerkt habe, dass er die letzteren vernachlässigt hätte, während das ehrfurchtsvolle, soldatische Benehmen seiner Leute in seiner Gegenwart zeigt, dass ihnen die Disziplin gut eingeprägt worden ist.
Aus der vorstehenden Wiedergabe einiger von mir aufgezeichneten Unterredungen geht hervor, dass der Pascha ein wechselvolles Leben geführt hat, das ruhigen, in der Heimat bleibenden Leuten viel wertvollen und anregenden Lesestoff bieten würde. Hoffentlich wird er sich eines Tages bereitfinden, ihnen in Buchform einige der Überraschenden Ereignisse seines Lebens in Asien und Afrika vorzulegen und ihnen in seiner eigenen angenehmen Weise die interessantesten Beobachtungen zu wiederholen, die er während seines langen Aufenthalts in einer neuen und wilden Natur gemacht hat.
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Die Tagebücher des Dr. Emin Pascha
Die Tagebücher des Dr. Emin Pascha
Ursprünglich 1919 von Dr. Franz Stuhlmann mit Unterstützung
des Hamburgischen Staates herausgegeben
https://archive.org/details/bub_gb_QYhQAAAAYAAJ/mode/1up
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Kapitel 1 – Aufenthalt in Ladó und kleinere Reisen von dort aus
Kapitel 1 – Aufenthalt in Ladó und kleinere Reisen von dort aus
8. August bis 13. November 1878
(Die erste Zeit der Tätigkeit Emin's als Gouverneur wird kurz von Schweitzer S. 146 und S. 146 und Vita Hassan I. S. 39 erwähnt.
8. August 1878, Donnerstag. Post und Briefe für Europa vorbreitet. Abends 9 Uhr kommt Dampfer „BORDÉN“ mit Gessi, der neuerdings einige siebzig Sklaven konfisziert und zwölf Mädchen aus Bór mitbringt.
9. August 1878, Freitag. Anlegung einer Ackerbaukolonie in Redjaf wird beschlossen, (Zur Unterbringung der befreiten Sklaven nach Angabe von Gessi) ebenso Konstruktion von Booten in Dufillé. Viel Regen. Ärgerliche Szenen mit Ibrahim-Bey.
10. August, Sonnabend. Regnerisch. Ganzer Tag mit Vorbereitungen für Gessi's Reise. Nachmittags sechzig Soldaten abgefahren. von Lazuka sind hundertfünf Stück Elfenbein gekommen.
11. August, Sonntag. Trübe, viel Regen. Seriba rings von Wasser umgeben, Flut noch immer im Steigen begriffen; Pelikane dicht an Umzäunung.
(Seriba ist die allgemeine Bezeichnung für eine Niederlassung Von Handelsleuten oder Sklavenjägern. Diese Ansiedlung ist felsengsartig angelegt, besteht aus Wohnhatten und Vorratshäusern und ist von einer dichten, stachligen Hecke umgeben. Seriba, Name der Handelsstationen im ehemaligen ägyptischen Sudan, so benannt nach der dichten Einzäunung von Dornenhecken, durch welche man sich gegen die nächtlichen Einbrüche wilder Tiere schützen wollte. Sie wurden anfänglich meist von europäischen Händlern aus Khartum gegründet als Stapelplätze für Elfenbein und waren mit angeworbenen Dengolanern besetzt, durch welche die Bevölkerung der Umgebung in Botmäßigkeit gebracht und zugleich Raubzuge in die Nachbarländer, namentlich zum Sklavenraub, gemacht wurden. Die Verwalter der Seriben, die Weitil, schickten das Elfenbein jährlich einmal nach Khartum, von wo beim Eintritt der Nordwinde die Schiffe mit Munition, Tauschwaren u. a. nach dem Süden abgingen.)
Post: Marquet, Hausal, Lumbroso, Pascha, Petermann (2), De Vecchi, Kaufmann, Stone-Pascha; an Gessi Sachen für Campero in Mailand. Junker's Sachen vorbereitet. Um 8 Uhr vormittags sind Gessi und Zucchinetti im „BORDÉN“ abgereist, mit ihnen Ibrahim-Bey und Gefolge. Haus arrangiert.
12. August, Montag. Früh sehr kühl, jedoch schön. „ISMAĬLIA“ nach Redjaf und Gondókoro, um Lazuka-Leute zu bringen.
Khartum
13. August, Dienstag. Der Fluss ist so hoch, dass seine Wasser in die Seriba dringen, und immer noch steigt er: Ich fürchte für Khartum.
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