Man mag dem 20.Jhdt. alles Üble nachsagen –nur nicht, dass es den Preis für solche Verfremdungen nicht gezahlt hätte. Keine andere Epoche kann eine so weit getrieben Expertise vorweisen in der Kunst, die Existenz von ihren vitalen Prämissen her zu vernichten.
Auf der Kehrseite werden die konstruktiven Erhaltungsbedingungen kultureller Räume sichtbar: technisch, künstlich, gestaltbar. Alles muss ausgehandelt werden, jeder und keiner will aber ein Wörtchen mitreden.
Wir sind nie revolutionär gewesen
Vor und nach 1917 tauschten oben und unten nicht die Plätze, nichts was auf dem Kopf stand wurde auf die Füße gestellt, nirgendwo wurden die Letzten die Ersten, nichts wurde umgewälzt nichts im Kreis gedreht. Vieles hat sich getan was aber eher für Paul Valerys These klingt: Die Franzosen - und eo ipso die Modernen hätten aus der Revolution eine Routine gemacht. Der wahre und wirkliche Grundbegriff der Moderne lautet nicht Revolution, sondern Explikation. Das ist für unsere Zeit der wahre Name des Werdens –dem man die herkömmlichen Modi des Werdens durch Drift, durch Nachahmung, durch Katastrophe und kreative Rekombination nachordnen oder zur Seite stellen kann.
Das gegenwärtige Zeitalter wälzt die Dinge, die Zustände, die Themen nicht um:
Es walzt sie aus. Es übersetzt das Monströse ins Alltägliche. Es erfindet Verfahren, um Unerhörtes ins Register des Realen einzubauen; es schafft die Tasten, die den Benutzern leichten Zugriff auf bisher Unmögliches erlauben. Es sagt den Seinen: Ohnmacht gibt es nicht; was du nicht kannst, kannst du lernen. Zu Recht heißt es das technische Zeitalter.
In den folgenden Kapiteln werden einige Kapitel aus der Katastrophengeschichte des 20. Jhdt repetiert um zu zeigen, durch welche Kämpfe und welche Traumata der menschliche Aufenthalt in atembaren Milieus zu einem Gegenstand expliziter Kultivierung hat werden müssen. Alle Wert-,Tugend-, Diskursethiken müssen hohl bleiben, solange sie nicht in die Klimaethik übersetzt sind. Ist der Terror der Vater der Wissenschaft von den Kulturen?
poetische einleitung luftbeben
gaskrieg oder: atmoterroristische muster
das 20. jahrdt brachte die praxis des terrorismus
das konzept des produktdesigns den umweltgedanken
daneben inkommensurable leistungen in den künsten
terrorismus stellte die interaktion
zwischen feinden auf neue grundlagen
produktdesign schleuste
den funktionalismus in die wahrnehmung
kunst brachte lebensaspekte und erkenntnisphänomene
in nicht bekannte nachbarschaften
alle drei beschleunigten die explikation
es begann am 22. April 1915 um 18.00 Uhr
chlorgase als kampfmittel der deutschen west-armee
gegen französisch-kanadische infanteriestellungen
nicht auf den körper des feindes sondern
auf dessen Umwelt zu zielen ist terror im zeitgemäßen sinn
Shakespeare „Ihr nehmt mir mein Leben,
wenn ihr mir die Mittel nehmt, wodurch ich lebe“
„moderne“ mittel
ökonomische ökologische psychosoziale
grund-bedingungen menschlicher existenz
nun vom feind her den entzug der lebensbedingungen
betreiben
der „neue“ terrorist versteht seine opfer besser
als sie sich selber
tauche opfer in unlebbares milieu
chemie gas zielt auf atmung
zentralnervöse regulierungen
temperatur tödliche strahlung
die entwicklung führte in forschung über
militärklimata giftwolkenkunde
d i e wissenschaft des 20. jhdt.
„blaukreuz“ durchdrang masken
„gelbkreuz“ beschädigte den organismus
erblindungen katastrophale nervöse dysfunktionen
atemnot höchste verzweiflung
wer das atmen nicht unterlässt
wirkt am eigenen tod mit
gaskrieg zwingt zu atmotechnischen
innovationen
klimabildende faktoren
in menschlichen aufenthaltsräumen
gerieten unter explikationsdruck
humanismus und terrorismus wurden aneinander gekettet
terrorismus verschmilzt person und sache
wird gewalt gegen menschen-umgebende sachen
ohne die personen nicht personen bleiben können
feindschaft: der wille zur auslöschung des gegners
terrorist ist wer sich die lebensbasis
des gegners erarbeitet und für die tat verwertet
nach 1918 gerieten bettwanzen singschnaken mehlmotte
kleiderlaus die landwirtschaft die reinraumschaffung
in mühlen schiffen kasernen lazaretten
schulen getreide- und saatgutspeicher
ins visier der chemiker
dem 1924 entwickelten und patentierten zyklon b
fehlte die wahrnehmungs-komponente
1939 starten gaskammerdemonstrationen
hitlers „endlösung der judenfrage“ kam mündlich kommunizierte
auf die tagesordnung ausgewählter ss-verbände
mit auftrag und eigeninitiative traten Hitlers treueste helfer
zum amoklauf der pflichterfüllung an
amok und routine das betriebsmerkmal von ausschwitz
wie dummheit auch das böse autohypnotisch
atemmanipulation wird kultursache
zunächst in den destruktivsten dimension
designerischen zugriff auf abgrenzbares mikroklimata
tod von menschen für menschen entworfen lege artis hergestellt
luftbeben
das primäre existenzmedium ist angetastet
der naivität überführt ab jetzt förmliche klimasorge
„mensch“ zum atmosphärendesign verdammt
reichweitenexplosion globalisiert kriege luft-waffe
bombadiert flächen legt teppiche unscharf wie gas
exakt genug für tödliche moralische zivilmassendestruktion
krieg offenbart seelisch vernichtbares
kernphysikalisches radioaktive materie
atompilze unsichtbare wellen
strahlenterror steigert unsteigerbar gedachtes
„rekordmarken“ der simultanauslöschungen
„hiroshimamasken“ starrten auf restewelt
die im lichtsturm entzogen
seins-zumutung am dunkelsten grenzwert.
niebemerktes niegewußtes in die manifestation gezwungen
philosphische lichtungen
soziologisches leben weben sein
machtlos naiv
immer kann nun etwas in der luft liegen
„mensch“ mißtraue den wahrnehmungen
willst du in toxischen welten überleben
paranoid sein wird erziehung
bioterror ist machbar herr nachbar
heimat keine gabe des seins
doch heimatdesign heimattechnik
heimatjuristen heimatpolitik
der „krieg“ wo ist er geblieben
er geht anders weiter
klimatisch radiophysikalisch neurophysiologisch
wetterherrschaft 2025
surrealismus gehorcht dem imperativ:
modern besetzen will symbolische
dimensionen einnehmen
sein Ziel
schöpferische prozesse explizit machen
ihre quellgebiete technisch aufzuschließen
bewußte existenz
kontexttauchen in multi-mileu-gesellschaften
lieben „taucherausrüstungen“
soziale raumkapseln physisch-mentaler-immunität
sicherungen gegen systemische risiken technischer atmosphären
der technische zugang zum anderen Element ist alleine noch offen
phobischen zirkel:
angstüberwindung durch angsterzeugende technik
doch angst liefert auch schub für den fortgang vergeblicher prozesses
vornehmer:
sie fordert grundlagenforschung innovation in permanenz
die ästhetische moderne ein verfahren der gewaltanwendung
weder gegen personen noch sachen sondern
gegen ungeklärte kulturverhältnisse
ein prozeß der kein zurück zum bisher implizit
voraussetzbaren erlaubt
denn indoors-situationen benötigen zwingend
unterstützende „luftversorgungssystem“
atembare Luft wo auch immer:
physikalisch metaphorisch
atmen-notwendigkeit soweit die lunge reicht
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