Als Gael aus dem Lift trat, fand sie die Kommandantin schon an Bord. Ordnungsgemäß meldete sie sich zum Dienst.
„Willkommen an Bord, nimm bitte gleich deinen Posten ein!“, wurde sie von Zaya empfangen.
Gael stellte sich hinter das Astrogationspult und startete die Testroutinen. Hologramme rasch fließender Texte und sich ständig erneuernder Grafiken flammten vor ihr auf. Gael zog sie mit den Händen zu sich heran und sortierte sie nach Größe, Farbe und Wichtigkeit.
„Botschafter Massimo und Leutnant Schneider melden sich zum Dienst!“, vernahm sie im Hintergrund. Als sie aufschaute, sah sie die Xenopsychologin Aurora Schneider pflichtgemäß salutieren, während der Botschafter gelassen lächelte.
„Willkommen an Bord!“, begrüßte Zaya die Neuankömmlinge. Bitte nehmen Sie Beobachtungsposition im Gästebereich der Brücke ein!“
Gael entschied sich währenddessen, ihre Holos umzusortieren. Statt nach Größe, Farbe und Wichtigkeit ordnete sie sie nun nach Wichtigkeit, Farbe und Größe an. Wenn sie ihre Umgebung immer sauber und aufgeräumt hielt, würde ihr das einige Karmapunkte einbringen, da war sie ganz sicher.
„Hangar 5 an Basis MAGELLAN“, hörte man eine Stimme aus einem Lautsprecher. „Mag-5 in allen Funktionen überprüft. Wir geben das Schiff frei.
„Wo ist Storm, verdammt nochmal?“, fragte Zaya.
Da niemand sonst die Antwort wusste, meldete sich der Bordcomputer ALLISTER mit seiner sonoren Stimme zu Wort. „Sie ist an Bord, in ihrer Kabine“, tat er kund.
„Was soll das, was treibt sie da?“, schimpfte die Kommandantin. „Warum ist sie nicht auf ihrem Posten?“
Neno Chung, der gut aussehende Kommunikationsoffizier, fummelte an seinem Pult herum. „Ich schaue mal, ob ich ein Bild bekommen kann“, murmelte er.
„Du weißt, dass das nicht erlaubt ist“, tadelte ihn ALLISTER entspannt.
Zaya signalisierte Neno mit einer Handbewegung, dass er das sein lassen sollte, und fluchte still in sich hinein.
Gael verstand den Ärger der Kommandantin. Fast schon gewohnheitsmäßig wurde sie von Storm bloßgestellt, und nun auch noch vor dem Botschafter. Warum ließ sie sich das immer wieder gefallen? Warum griff sie nicht härter durch? Stattdessen schluckte sie auch diesmal ihren Ärger runter und arbeitete weiter das Startprotokoll ab.
„Bordkontrolle, Leutnant Swo!“, befahl Zaya.
„Kontrollcenter läuft, Commander“, bestätigte der Bordingenieur.
„Kommandant an Astrogator: Steuerung auf Automatik.“
Gael schreckte zusammen, sie war dran. Nervös suchte sie das Steuerungsholo, das sie dummerweise im Hintergrund vergessen hatte, weil es zwar wichtig, aber blau und klein war. Da war es. „Automatische Steuerung bei CD minus 10“, antwortete sie schnell. „Raumüberwachung läuft.“
„Basis MAGELLAN an den Erkundungskreuzer Mag-5: Sie sind freigegeben zum Start.“
Die Luft im Hangar war abgepumpt worden, und über der Mag-5 öffnete sich die Schleuse.
„Fertigmachen zum Start!“, befahl Zaya. „Erste Beschleunigung!“
Wo war das Startpaneel? Und warum ließ man ALLISTER nicht diesen ganzen Mist machen? Ah, dort. Gael fuhr die Maschinen hoch. Ein automatischer Countdown zählte herunter, und dann verließ die Mag-5 die MAGELLAN. Noch kurz sah man das Mutterschiff auf dem Hauptschirm, dann war es verschwunden.
„Wir brauchen ein paar Stunden, bis wir den Planeten erreichen“, wandte sich Zaya an den Botschafter. „Wir sollten uns eine Pause gönnen.“
„Sehr schön, vielen Dank, Commander!“, antwortete der Botschafter freundlich und zog sich zurück. Die Xenopsychologin Aurora Schneider blieb allerdings auf der Brücke und kräuselte sorgenvoll ihre Stirn.
*
Als der Botschafter die Brücke wieder betrat, beugte sich die Kommandantin gerade über den Hauptschirm. Dort sah man bereits den Wüstenplaneten rotieren. Deutlich zeichneten sich die wenigen isolierten Seen auf der Oberfläche ab. Wolken gab es aufgrund der geringen Luftfeuchtigkeit kaum.
Auch Storm hatte sich mittlerweile auf die Brücke verirrt. Ihr Name stand wohl eher für einen inneren Sturm, überlegte Gael, vielleicht für ein mühsam kontrolliertes Hochdruckgebiet, das in ihrem Hirn rotierte und als Tornado ausbrechen würde, wenn man ihr nicht regelmäßig etwas gab, das sie zu Klump schießen konnte. Gael wollte nicht wissen, welcher Wahnsinnige Storm den Job als Armierungsoffizierin gegeben hatte. Okay, sie wusste es. Es war natürlich die Alte gewesen.
„Wir empfangen einen Funkspruch“, meldete Neno. „Sogar mit Bildsignal. Übersetzung läuft.“
Kurz darauf erschien auf dem Schirm ein grün geschupptes Gesicht mit einer breiten Reptilienschnauze. „Wohlstand und Gelassenheit, friedliches Wesen“, sagte es. „Eine Geschichte ich erzähle, die ist geschehen einem Vetter meiner Frau. Unbekannte sich ihm annäherten und er sie bat zu bleiben. Lebt in Frieden und Beherrschung.“
Die Brückencrew der Mag-5 sah sich verwirrt an.
„Sofort anhalten“, schrie Aurora Klein plötzlich.
Niemand reagierte.
„Astrogator, voller Gegenschub!“, befahl Zaya.
Gael schreckte zusammen. Sie verstand zwar nicht, was los war, aber sie fand die Navigationskonsole und sorgte dafür, dass die Mag-5 Fahrt verlor und im Raum stehen blieb.
„Was ist los?“, fragte Zaya an Aurora gewandt. „Warum sollen wir anhalten?“
„Weil der Skram es von uns verlangt hat“, erklärte die Xenopsychologin.
„Aber er sagte doch, dass die Unbekannten gebeten wurden zu bleiben?“
„Ja, aber da die Unbekannten sich nur näherten und nicht ankamen, ist damit fernbleiben gemeint.“
„Ah ... gut. Das habe ich jetzt gar nicht so verstanden. Aber wenn Sie meinen … Botschafter, Sie sind dran.“
Botschafter Devid Massimo sprach in das Mikrofon des automatischen Übersetzers: „Wohlstand und Gelassenheit, freundliche Bewohner von Skram! Ich, äh, möchte ebenfalls eine Geschichte erzählen: Fremde Wesen näherten sich dem Planeten Skram. Sie kamen in friedlicher Absicht und suchten Kontakt und Austausch.“ Er schaltete das Mikrofon aus und startete die Übersetzung. „Können wir das so senden?“, fragte er Aurora.
„Ich kann es Ihnen nicht sagen, Botschafter. Wir hätten viel mehr Zeit für die Erforschung der Skram-Zivilisation gebraucht.“
„Nun lässt es sich nicht mehr ändern. Wir müssen antworten. Also senden Sie es bitte, Kommandantin!“
„Funkspruch absetzten, Neno!“
Der Kommunikationsoffizier tat seine Pflicht.
Gespannt warteten sie auf eine Antwort.
Nach einigen Minuten meldete sich ALLISTER: „Drei Hyperschallraketen starten von der Planetenoberfläche.“
Jedem war klar, dass die Schutzschirme die Raketen nicht aufhalten konnten. Sie wirkten gegen Energie- und Laserbeschuss, aber nicht gegen materielle Einschläge.
Storm betätigte einige virtuelle Schalter in ihrer Holokonsole. „Alle Raketen erfasst. Werfer bereit zum Abschuss!“
„Kein Abschuss!“, befahl Zaya. „Ich wiederhole: Kein Abschuss! - Astrogator, Ausweichmanöver!“
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