Ich will das Rauchen nicht mehr bekämpfen, ich will mein Leben bekämpfen. Ich hatte die Schwimmabsicht gut fingiert, ich habe ihr erzählt, dass ich schnorchle und mir sogar eine Brille gekauft. Jetzt beschließe ich, doch schnorcheln zu gehen. Von meinem letzten Geld kaufe ich eine Matratze, gehe zum Strand, blase sie auf und lasse sie zu Wasser gleiten. Mein Herz schlägt bis zum Hals, jetzt spüre ich keinen Schmerz mehr, jetzt spüre ich nur noch Angst. Ich spucke in die Brille und verteile sie gleichmäßig. Ich hatte mein Fingieren gut vorbereitet, ich habe mir sagen lassen, dass man gegen das Beschlagen innen Spucke auftragen muss. Ein paar Mal atme ich durch den Schnorchel, dann gehe ich in die Knie und lege mich quer auf die Matratze.
Die Brille setzt im Wasser auf und ich japse nach Luft. Ich habe gehört, dass man in der Bauchlage ruhiger atmet, das nutzen die Apnoe-Taucher aus. Aber mein Atem beruhigt sich nicht, ich bin immer noch aufgeregt. Ich sehe den Grund, die Wellenkämme teilen die Strahlen in einzelne goldene Fäden, die den Boden erhellen. Die Wellen um meinen Kopf herum blubbern aufgeregt, die Gräser am Boden rührt das kaum. Unten in der Tiefe findet Ruhe statt und ich verstehe zum ersten Mal das Bild der Seele.
In tiefem Staunen versunken betrachte ich atemlos den Boden, jetzt atme ich tief und ruhig.
Ich sehe in zwanzig Zentimeter Entfernung eine Ansammlung gelb-schwarz-gestreifter Fische, die sich in einer flach-aufrechten Rautenanordnung treiben lassen und verstehe Hannahs Begriff von „Tapetenfischen“. Ich paddle etwas weiter auf etwas Weißes zu und es ist eine wunderschöne, durchsichtige Qualle, die so elegant und anmutig im Wasser treibt, wie es sonst nur Frauen im Auge verliebter Männer tun; einfach herrlich. Ein Schwarm winziger brauner Fische schwimmt auf mich zu und ich gluckse vor Begeisterung. Ein besonders Neugieriger schwimmt noch näher auf mich zu und sieht mich von der Seite an. Er ist so wunderschön… Hannah, sage ich zu dem Fisch, ich verstehe. Du kannst gehen, ich lasse Dich ziehen. Ich werde von nun an wieder die große Liebe suchen und ich werde sie finden. Ich rauche eine und überdenke meinen Master-Plan. Ich werde mein Programmierer-Dasein aufgeben und ein Studium anfangen.
Mit dieser Erinnerung und dieser Entscheidung im Bauch gehe ich ins Hotel, ich packe die Sachen und wir werden vom Taxifahrer abgeholt. Der Fahrer erzählt, dass es auf Malta ca. 40 Ferraris gibt, die zwar nicht regelmäßig, weil es die Straßen nicht zulassen; aber zum Vorzeigen des Reichtums herumkutschiert werden. Wir haben Radio gehört und es kam Ronan Keating „If tomorrow never comes“. Ich habe mitgesummt; „Falls der Morgen niemals kommt, wird sie nie wissen, wie sehr ich sie geliebt habe.“ Und dann auf einmal summte der Fahrer mit und ich habe schlagartig aufgehört. Mir wurde klar, das ist der allerletzte Tag der Weltgeschichte, den ich ganz mit ihr verbringen werde. Ich habe mich nie zuvor so einsam gefühlt.
Ich dachte, meine Seele wäre wie die Alpen, jetzt aber war sie nur noch wie das winzige Schnitzel – und sie isst kein Fleisch. Ich dachte, meine Liebe wäre eine Befreiung, aber es war nur eine Utopie.
Im Flugzeug sehe ich wieder nach unten. Sehe Menschen, sehe Sorgen, sehe Ängste, sehe Liebeskummer. Sehe Menschen wie ich, die nicht aufhören können zu denken. Immer wieder zu wälzen und ich will nie wieder herunterkommen.
Daheim habe ich mir eine Knolle Ingwer gekauft. Mit schmeckt das Zeug nicht. Ich bin auch nicht wirklich der Meinung, dass man zu 100 Prozent das gleiche essen muss wie der Partner. Meine Zöliakie-Ex, die mit der Gluten-Unverträglichkeit, die hat auch immer was anderes gegessen. Und selbst wenn man das gleiche isst, einige sagen, am Anfang würde ich das Ingwer dazu vor Liebe essen und nach 10 Jahren würde es mir zum Hals raushängen. Das mag schon sein, aber wenn man in der Liebe auf Kleinigkeiten achtgibt und keine Unstimmigkeiten riskiert, stirbt man allein. In einer Beziehung mit Hannah wäre Ingwer ein Ausweg-Element. Ausweg-Elemente sind in einer Beziehung die, wenn sie mich z. B. verlassen würde, würde ich ab sofort ohne Ingwer essen und es wäre ein Weg zum Neuanfang. Wenn man aber zu wenig Ausweg-Elemente in einer Beziehung hat und nur Eintritt-Elemente, dann kann das am Ende sehr problematisch werden. Man stelle sich nur vor, dass beide den Kaffee auf die gleiche Art lieben. Dann würde man sich dran gewöhnen, jedes Mal zwei Tassen zuzubereiten. Und im Falle einer Trennung bei jedem nun einzelnen Kaffee an die Ex denken. Schrecklich.
Als ich nach Hause kam, sagte Katrin, dass sie verstanden habe und sie werde sich einen Neuen suchen.
Gozo heilt. Manches. Manchmal.
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