Nein, ich habe mein Geld nicht zurückverlangt. Natürlich nicht.
Ich habe die Comics Hannah gegeben und die Story von der Nürn auch. Ich hätte auf Katrin hören sollen, der Erfolg hielt sich in Grenzen. Und ich habe daraufhin die Idee mit den Socken-Comics speziell und dem Zeichnen allgemein begraben und ihnen nie mehr eine Träne nachgeweint. Dafür aber Hannah. Denn nun war der Anfangs-Schwung weg und sie hatte sich nicht verliebt.
Für alle, die es interessiert, Gozo ist die Schwesterinsel von Malta. Für alle, die es interessiert, ich fuhr hin mit der Frau, die ich liebe, Hannah. Zu meinem Bedauern liebt sie einen anderen, den sie nicht kriegt. Zu meinem Bedauern sehr. Für alle, die es interessiert, auch mich liebt eine Frau sehr, Katrin, zum meinem Bedauern hilft das kein bisschen. Katrin ist sogar meine Mitbewohnerin in der WG.
Im Flugzeug musste ich über Gott philosophieren. Wenn man sich in 10 Kilometern Höhe befindet, kommt einem alles unten nichtig und klein vor. Aus dieser Höhe kann ich verstehen, dass Gott ein liebender Gott ist, weil von hier oben alles winzig klein aussieht. Ich meine, es könnte doch sein, dass es lediglich eine Sache der Höhe des Wohnortes ist und zwar die spezifische Entfernung zur Erde. Meine Theorie bestätigt sich, als wir die Alpen überfliegen sind die Bergspitzen meinem Auge viel näher und ich kehre wieder zum Realismus zurück. Den italienischen Stiefel kann man aus 10 Kilometern Höhe in voller Breite sehen und ich finde alles da unten wieder unbedeutend. Das Essen wird serviert und ich behalte die Sichtweise bei, so ein winziges Schnitzel habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Da müsste man 5 Kilometer näher dran sein, um davon satt zu werden, aber ich bin gerade mal 5 Zentimeter davon entfernt, also bleibe ich hungrig. Hannah hat eine Vorliebe für Ingwer, sie neigt dazu, einen kleinen Spender in der Handtasche dabei zu haben, um es im Restaurant oder so stets vorrätig zu haben.
Wir landen auf dem Flughafen von Luqa auf der Hauptinsel Malta, der Taxifahrer empfängt uns, er öffnet mir die linke Tür und dann fällt mir ein, das Lenkrad sitzt rechts; hier fahren sie links. Auf Malta hat man beim Überqueren einer Straße dieses London-Gefühl, man schaut immer in die falsche Richtung und wird die permanente Angst nicht los, im nächsten Moment überfahren zu werden. Das riesige Häusermeer um Valletta herum haben wir auf Straßen umfahren, die in mir die Zuversicht keimen ließ, hier keinen einzigen tiefergelegten Wagen zu sehen. Kurz vorab, die Typen dazu gibt es dennoch zuhauf.
Auf der Fähre nach Gozo hatte ich dann die Eingebung, wie ich die ausweglose Lage überstehen konnte; ich musste den Schmerz durch einen stechenderen ersetzen: ich musste Nichtraucher werden.
Das erste, was man von Gozo sieht, ist der Hafen von Mgarr, sprich Mdscharr, und mit seinen breiten Schutzmolen derart beschützend, dass man unvermutet den Eindruck hat, nach Hause zu kommen und in eine liebevolle Umarmung hineinzulaufen. Nimmt man dazu den Anblick der oben auf den Berg thronenden, von Hunderten von Glühbirnen erleuchteten Kirche, so hat man keinen Zweifel mehr daran, dass die Katholiken viel von Inszenierung verstehen; der Eindruck ist so machtvoll, dass mir unverzüglich meine Sünden einfallen.
Malta und Gozo sind Felsen und das merkt man zu jeder Zeit. Es gibt kaum Grün, stattdessen die ganze Zeit über Staub und Steine. Wenn man Steine verkaufen könnte, wären die Malteser reich.
Wir kommen im Hotel in Marsalforn, sprich Marsalforn, an und checken ein. Die Malteser sind derart freundlich, dass man vergessen könnte, dass sie innerhalb der letzten 200 Jahre 2 Aufstände zuwege gebracht haben. Merke: freundlich und duldsam sind zwei verschiedene Dinge.
Zweiter Tag. Erbärmlich geschlafen, von Steinen geträumt. Ich war in einem amerikanischen Gefängnis, zwischen Lucky Luke, der beim Rauchen erwischt worden war und den Daltons beim Steineklopfen und wir allesamt versuchten, die zweite Strophe von „Stille Nacht“ zu singen, aber mir geht es wie jedem, ich kenne nur die erste. Als ich aufstehe meint sie, dass ich wohl eher beim Steinesägen war und geht. Katrin ist zum Tauchen hergekommen, ich will mir das Rauchen abgewöhnen.
Ich gehe raus zum Meer, zur Hafenpromenade. Es weht ein starker Wind und nachdem ich mich durchgerungen hatte, jetzt meine letzte Zigarette zu rauchen, brauchte ich vier Minuten, um sie anzuzünden. Ich stehe gut 5 Meter über dem Meer, sehe begehrenden Wellen zu, die immer wieder auflaufen und immer wieder zerbrechen.
Ich schreie die Wellen an: Kommt doch ihr Weicheier und holt mich! Aber sie schaffen es nicht so hoch. Ich stehe lange da, ziehe an der Kippe und sie schmeckt nach Salz. Sie haben mich subtil unterwandert, denke ich zerknirscht, blicke gedankenverloren in die See, sehe gebannt auf eine weitere Welle, die sich aufbaut und mich knapp verfehlt. Ich will gehen, als mir auffällt, dass sie meine Schuhe gekriegt hat.
Man soll Feuer mit Feuer bekämpfen, also hole ich mir ein Bier und setze mich ans Meer. Die weißen Schaumränder im dunklen Wasser erinnern mich an Bikiniränder und ich verspüre riesige Lust auf eine intime Liaison mit dem Meer. Welcher Mann wurde je von einer Frau umspült, überall berührt – das Meer tut es. Tief eintauchen, sich wie im Weltraum in 3D bewegen, eins werden. Einst kamen wir aus dem Meer und das Gehirn hat sich in Schichten entwickelt. Die Dino-Region ist die mit den Aggressionen, sie liegt nah am Ursprung; wo liegt die Delphin-Region? Die Naiv-Spielen-Region, die Unschuldigsein-Region? Man hat herausgefunden, dass Babys im Fruchtwasser lächeln können und es auch tun. Von Wasser umschlossen, Teil eines Großen sein, keine Verantwortung, schweben, vertrauen, da würde ich auch lächeln. Mir wird klar, dass ich da sein will, wo sie ist und bestelle mir noch ein Bier und zünde mir eine Zigarette an. Am Ende sind es vier Bier und ich habe Kette geraucht, die neue Kippe an der alten angezündet – wegen dem Wind. Und das alles vor 14 Uhr.
Ich gehe nach Hause und schlafe bis sie kommt. Danach gehen wir essen, sie erzählte begeistert vom Tauchen. Anschließend ist sie ins Bett, zum Tauchen muss man um sieben aufstehen, also ist sie noch vor neun eingeschlafen.
Dritter Tag. Wir schlafen in einem Zimmer, zwei Betten. Ich habe wieder schlecht geschlafen. Ich habe geträumt, dass ich ein, bei Asterix und Obelix eingeschleuster Römer bin, der entdeckt und nun dazu verdonnert wurde, von Troubadix die Handharfe zu lernen. Ich bin hoch oben auf dem Baum und bemühe mich, Falballa in der Ferne zu beeindrucken, aber ich bin zu nervös und jedesmal, wenn ich einen falschen Ton hervorbringe, kriege ich einen alten Fisch über den Kopf gezogen, fliege herunter und ein magischer Spiegel mit Cäsar im Bild sagt „homo iactus est“ – der Mensch ist gefallen.
Heute gehe ich wandern, die Steinfelsen rauf. Gozo und Malta sind wie gesagt, Felsen mit Steinen drauf. Und darauf Staub und darauf wiederum ich. Weit oben, jetzt eine Kippe rauchen, das wär’s. Aber ich habe keine mit. Früher gab es auf Malta ausgedehnte Wälder, aber aus Holz macht man Schiffe, also wurden die Wälder abgeholzt. Auf Malta war es der Johanniter- oder auch Malteserorden, in Griechenland die Athener, in Kroatien die Venezianer, in Schottland die Briten. Seefahrernationen, die Wald vorfanden und Steinwüsten hinterließen. Hätten sie doch eine Zigarettenschachtel hinterlassen! Ich fluche und gehe runter. Im Hotel rauche ich eine, sie schmeckt nach Staub.
Ich gehe duschen und denke an die Frau, die mich liebt. Ich frage mich, ob sie auch versucht, Nichtraucher zu werden, oder, in ihrem Fall, Raucher.
Ich beschließe, nach Victoria zu fahren, der Inselhauptstadt. Da in der Gegend befinden sich die neolithischen Wohnhöhlen. Im Klartext, die letzten Spuren des Matriarchats in Europa. Deswegen bin ich hier, das Matriarchat erkunden. Mich fragen, wie wahrscheinlich Doris Köpf als Bundeskanzlerin wäre, mit Gerhard Köpf-Schröder an ihrer Seite. Ich zeige einem Einheimischen die Karte von Victoria und frage ihn, wo genau wir sind. Der Mann lächelt freundlich und sagt „In Victoria.“ Merke: freundlich und kompetent sind zwei verschiedene Dinge. Wenn du als Tourist ausgefallene Wünsche hast, bist du so aufgeschmissen, als müsste man sich vor Gericht verteidigen. Ich kann mich noch lebhaft an London erinnern, wo ich an der Tourist Information versucht habe, das Monty Python-Haus ausfindig zu machen und um seine Unkenntnis zu übertünchen, hat mir der freundliche Herr höflich von den neuen Figuren bei Madame Tussaud’s erzählt.
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