Fabian Fischer - Wie sieben Jahre Regenwetter
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Der Roman Wie sieben Jahre Regenwetter beschreibt in zwei miteinander verwobenen Erzählsträngen die Schicksale zweier Familien, die sich über unterschiedliche Zeiträume hinweg in einer deutschen Kleinstadt einfinden. Der Fokus liegt dabei auf ihrem schwierigen Ankommen in einem alteingesessenen, «deutschen» Umfeld. «Der Blitz schlägt nicht zweimal an derselben Stelle ein»? In dieser Kleinstadt trifft das nicht zu.
Marta und Sepp Opitz mussten 1957 – schweren Herzens, schwanger und zusammen mit Martas Mutter – aufgrund von Schikanen und Anfeindungen ihre mittlerweile polnisch verwaltete Heimat in Oberschlesien verlassen. Sie ziehen in eine Kleinstadt in Westdeutschland, in die Nähe von Martas Bruder Günter. Die Vorfreude auf Ruhe und eine harmonische Nachbarschaft wird allerdings bereits kurze Zeit später zerstört. Nachbarn beschimpfen, mustern und beobachten sie. Gespräche bleiben meist oberflächlich. Offenere Nachbarn haben resigniert und treten kaum in Erscheinung.
Die Familie zieht sich in die eigenen vier Wände und den Garten zurück und verhält sich fortan neutral und unauffällig.
Das Vorgehen scheint zu funktionieren, bis 2013 Familie Fakhry aus Syrien in das leer stehende Haus direkt neben Familie Opitz einzieht. Die rechte und ausländerfeindliche Gesinnung mancher Nachbarn kommt erneut zum Vorschein, was sogar in einer Straftat resultiert.
Familie Opitz wird aus ihrer Neutralität gezogen. Dieses Mal schweigen sie aber nicht mehr. Sie entscheiden sich – auch, da sich nichts am Bild mancher Nachbarn ihnen gegenüber geändert hat – dazu, aufzustehen und für eine offenere Gesellschaft einzutreten.
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Sepp saß als Erster am Tisch. Er mochte zwar schon älter und optisch das Gegenteil ihres Nachbarn Karl sein, aber essen konnte er. Und Trinken natürlich auch , fügte Marta gedanklich hinzu. Sie griff nach der Kuchenschaufel und gab Sepp ein großes Stück. Dann berichtete sie ihm von ihrer Begegnung am Gartenzaun: »Ich habe vorhin mit Karl gesprochen, als ich das Unkraut jäten wollte. Er meinte, dass nebenan Syrer eingezogen wären. Und dass das vielleicht Muslime seien, weil die Frau Kopftuch trägt.« Sepp schaute sie aus einer Mischung aus Erstaunen und Desinteresse an, schluckte einen Bissen runter und frotzelte: »Das hat die Kisselbach auch immer um ihren Kopf getragen, dann ändert sich ja gar nicht so viel. Da muss ich nur aufpassen, dass ich die Frau nicht als Frau Kisselbach anspreche, wenn ich sie mal von hinten sehe. Und dann erschrecke, dass mir keine Leiche zurück grüßt, sondern die neue Nachbarin.« »Ach Sepp, du schaffst es echt immer wieder, Witze über Verstorbene zu machen. Das gehört sich nicht.« Aber lustig war es schon , dachte sie sich. Sie fand Sepps schwarzen Humor immer schon gut, auch wenn sie es nie offen zugegeben oder Witze in derselben Kategorie gerissen hätte. Sepp wusste das natürlich, weswegen er ihre Aussagen nie ernst nahm. »Und was hat er noch so erzählt, der Plotsch ? Hm, Syrer ... Ich habe gestern im Radio wieder von einem Bootsunglück vor Griechenland gehört, da sind wohl 115 Leute ertrunken. Ein Jammer, so viele Tote. Viele waren wohl aus Syrien und dem Irak oder so. Wäre das nicht sicherer, wenn sie vielleicht einfach dort blieben?« Sepp las oder hörte zwar Nachrichten, interessierte sich aber eher für den Sportteil. Die große Welt und ihre großen Krisen mied er, weswegen seine Fragen manchmal wie vom Stammtisch wirkten. »Ach, ich weiß auch nicht«, seufzte Marta. »Das ist ja auch nicht so einfach dort. Das liest und hört man doch überall. Aber ich bin da nicht so tief drin. Und was ist schon Sicherheit? Ich meine, damals bei uns ... « In dem Moment betrat Paula das Zimmer. Sie hatte bis eben einen kleinen Mittagsschlaf gehalten und sah entsprechend verknautscht aus. »Hallo, Mama, hallo, Papa. Was gibt‘s Neues? Lorenz ist noch auf dem Friedhof, der Gärtner hat wohl lange nicht mehr das Grab seiner Eltern gepflegt und nun macht er es eben selber. Wir sollen ihm aber ein Stück vom Streuselkuchen aufheben.« »Du liebe Güte, hast du mich erschreckt. Ich war gerade ganz woanders und da stehst du auf einmal in der Tür. Setz dich, hier hast du ein Stickel .« Marta war aufgrund von Paulas plötzlichem Erscheinen zwei Zentimeter vom Stuhl gerutscht und setzte sich nun wieder aufrecht hin. »Was? Aber ihr zahlt doch ein Schweinegeld, das ist ja eine Frechheit.« Sepp ärgerte es immer, wenn er über den Friedhof ging und die zahlreichen ungepflegten Gräber sah. »Wenn man nicht in der Nähe wohnt und daher die Gräber seiner Verwandten nicht selbst pflegen kann, bezahlt man einen Gärtner dafür. Und wenn man das nicht machen möchte, dann sollte man für seine Verwandten vielleicht auch kein Reihengrab aussuchen, sondern sie verbrennen und in eine Urne stecken. Ein normales Grab muss gepflegt sein, sonst zeigst du damit den anderen, dass dir die Familie nichts wert ist.« Diese Sichtweise von Sepp kannte jeder in der Familie. Er legte sie aber stets aufs Neue dar, wenn er verärgert von seinen Spaziergängen zurückkam. »Aber richtig blöd ist natürlich die dritte Option: Du zahlst ein Schweinegeld für den Gärtner und der schafft trotzdem nichts.« Marta sprach nicht gerne über den Tod oder Begräbnisse. Jeder muss irgendwann mal sterben, aber ich habe nun schon so viel Leid und Elend in meinem Leben gesehen, dass ich darüber nicht auch noch ständig am Esstisch sprechen muss , dachte sie sich dann und wechselte das Thema. »Wir haben gerade über unsere neuen Nachbarn gesprochen. Karl meinte, dass das Muslime seien!« Marta ärgerte sich unmittelbar darüber, wie seltsam sie Muslime ausgesprochen hatte. Das hatte sie gar nicht so abwertend gemeint, wie es nun wahrscheinlich rübergekommen war. »Echt? Na ja, aber warum auch nicht. Vorne im Hochhaus wohnen ja auch viele. Hat er sich echauffiert, dass die Straße dann nicht mehr so Deutsch ist?« Paula drückte beim Wort Deutsch sofort ihren Rücken gerade und schob, während ihr Gesicht finsterer wurde, die beiden Beine wie ein Soldat eng zusammen. Das Schauspiel konnte sie aber nicht lange aufrechterhalten. Sie musste ob ihrer gezogenen Schnute sofort kichern und ihr Körper erschlaffte wieder. Auch Marta grinste. »Meint ihr, die haben das Haus gekauft oder gemietet? Hat er mehr gesagt? Türken? Araber?« »Kind, du stellst aber viele Fragen. Ich weiß nur, beziehungsweise Karl weiß das von der Schappert, dass es wohl Syrer seien. Kennst du dich da mehr aus?« »Was, mit Syrern oder Syrien?« Paula überlegte sich bereits während der Fragestellung, ob sie eine der Auswahlmöglichkeiten überhaupt bejahen könnte und verneinte das umgehend. »Mit beidem. Das, was man von Syrien in den Nachrichten hört, ist ja ganz schlimm.« Marta dachte kurz an die Videos und Bilder, die im Fernsehen gezeigt wurden. Bombardierte Häuser, Zeltstädte mit lauter Flüchtlingen, Leichensäcke. »Nein, ich kenne mich damit gar nicht aus. Ich bekomme halt was über die Nachrichten mit, so wie ihr auch, aber mehr auch nicht. Und ich verstehe auch nicht, wer da nun alles gegen wen kämpft.« »Ja egal, macht nichts«, erwiderte Marta und wollte schnell das Thema wechseln, um die Bilder aus ihrem Kopf zu bekommen. »Also es ist nicht egal, aber wir können ja eh nichts daran ändern.« »Und was machen sie hier? Sind das Flüchtlinge? Geht das dann überhaupt, sich selbst eine Unterkunft auszusuchen? Ich dachte immer, Flüchtlinge werden in irgendwelchen Containerhäusern am Stadtrand untergebracht.« Als Paula das aussprach, schämte sie sich gleich für ihre Wortwahl. Containerhäuser hätte problemlos durch Käfige ausgetauscht werden können, so wie sie es betont hatte. Hier merkte man ihre Unbeholfenheit und ihre fehlenden Erfahrungen im Umgang mit anderen Kulturen und Nationalitäten. Im Statistischen Amt, wo sie arbeitete, war die Diversität des Landes und selbst ihrer Stadt in weitem Bogen vorbeigegangen. Ob die Bewerbungen dieser Kandidaten freiwillig ausblieben oder ob im Amt bei Einstellungen darauf geachtet wurde, dass Neuzugänge eine weiße Hautfarbe haben und christlich erzogen worden sind, konnte sie nicht beantworten. Ihr fiel es nur in manchen Situationen auf, dass alle ihre Kolleginnen und Kollegen Schmidt, Fischer oder Gruber hießen und alle aus der Gegend kamen. Sie selbst, eine angeheiratete Hartmann, fiel da auch nicht sonderlich auf. Paula versuchte stets, längeren Gesprächen mit ihren Kollegen aus dem Weg zu gehen. Warum wusste sie gar nicht. Vielleicht, weil diese meist recht einseitig und belanglos verliefen. »Das wusste Frau Schappert wohl auch nicht.« Marta hatte nicht an Käfige gedacht, als ihre Tochter von Containerhäusern sprach. Bei ihr kam eher der Vergleich Besser-im-Container-als-in-zerbombten-Häusern-leben-müssen auf. Paula ärgerte sich noch immer über ihre Wortwahl und wollte daher auch lieber das Thema wechseln. »Na ja, geht uns ja auch nichts an. Hoffen wir mal, dass sie nett sind und sich gut anpassen.« Auch hier fragte sie sich aber umgehend, was sie damit eigentlich ausdrücken wollte. Aber bevor sie ihren Ausspruch revidieren konnte, mischte sich Sepp ein: »Anpassen! Du meinst, dass sie nicht nachts mit einem Maschinengewehr in die Luft schießen?« »Sepp, hast du getrunken? Was erzählst du da?« Marta legte ihr Besteck hin und richtete sich auf. Sepp schaute seine nun mit geradem Rücken und ernsten Blick schauende Frau leicht irritiert an: »Das machen die doch, wenn die sich freuen! Habe ich mal in der Zeitung gelesen. In Berlin haben sie die ganze Nacht in die Luft geschossen, weil sie irgendein Fußballspiel gewonnen haben.« Dann griff er mit der rechten Hand zur Kaffeekanne, wandte seine Augen aber nicht von Marta ab. »Reg dich wieder ab, das war doch nicht böse gemeint.« Paula beobachtete kurz, wie sich die vier Augen ihrer Eltern anstierten, fast schon durchbohrten und mischte sich nun auch ein: »Wer macht das, Papa, die Syrer?« Sepp blickte nach rechts zu seiner Tochter, dachte kurz nach, was er damals eigentlich genau gelesen hatte und entgegnete dann, als er sich nicht mehr konkret erinnern konnte: »Nein, insgesamt. Keine Ahnung, Türken waren es, glaube ich. Ach, ich weiß ja auch nicht mehr.« Paula reagierte, bevor Marta ihrem Mann etwas entgegnen konnte: »Das ist doch nicht dasselbe, Papa. Und das habe ich auch eben gar nicht damit gemeint. Eigentlich weiß ich selber nicht, was ich damit ausdrücken wollte. Egal, können wir jetzt essen? Ich habe Hunger und Lorenz braucht bestimmt noch etwas. Die Nachbarn sind sicher nett und schießen nicht mit irgendwas in die Luft.« Marta schaute nun auch zu ihrer Tochter und entspannte sich innerlich wieder etwas. Ihr Mund formte sich zu einem nach oben geöffnetem Halbmond. »Ja, wir essen jetzt. Setz dich hin, hier hast du noch die Milch für den Kaffee. Und dann lasst es euch nun schmecken. Komm Herr Jesu, sei unser Gast und segne uns, was du uns bescheret hast. Amen.« »Amen«, antworteten sowohl Sepp als auch Paula, obwohl beide alles andere als gläubig waren. Aus Tradition und ihrer Frau und Mutter zuliebe beteten sie aber jedes Mal vor dem Essen. Auch Martas Religiosität hatte in den vergangenen Jahren gelitten. Nicht zuletzt, weil herausgekommen war, dass der frühere Pfarrer Dohl regelmäßig Geld aus dem Klingelbeutel entwendet hatte. Und das Geld nicht für soziale Zwecke, sondern gehobene Abendessen mit seiner Geliebten, der Hausärztin Dr. Habernack, ausgegeben hatte. Früher dagegen war Marta sehr regelmäßig in die Kirche gegangen. Die Organisation ist doch durch und durch korrupt. Aber all das widerfahrene Elend und die Entbehrungen müssen doch trotzdem zu etwas gut gewesen sein , dachte sie, um sich gleich darauf zu versichern, dass sie sich hier doch ein wirklich gutes Leben aufbauen konnten und dass doch nicht alles schlecht gewesen sei. Mit diesen Gedanken räumte sie den Tisch ab und begann, den übrigen Kuchen in den vollen Kühlschrank zu quetschen. Sepp war schon wieder im Garten und Paula oben in ihrer Wohnung, da dachte Marta noch einmal an die Situation einige Stunden zuvor, als ihre Tochter in der Küchentür stand. Sicherheit ist etwas so Großes und Vielschichtiges. Man kann sich in Sicherheit wiegen und auf einmal ist die Situation doch eine ganz andere. Man kann auf Nummer sicher gehen und verliert trotzdem. Sicher ist eigentlich nur, dass nichts sicher ist. Das war bei uns so und das war bei denen vielleicht auch so, überlegte sie und blickte durchs Flurfenster zum Nachbarhaus. Aber das geht mich nichts an. Solange man mich lässt, lasse ich auch. Ich hätte dem Karl einfach sagen müssen, dass er das vielleicht auch so handhaben müsste. Vielleicht bin ich nächstes Mal etwas schlagfertiger. Wobei, unnötig verärgern muss ich ihn ja auch nicht. Immerhin erfahre ich schon gern Neuigkeiten, da hatte Paula recht. Mit diesen Gedanken beendete sie den Ausflug in die nachbarschaftliche Gerüchteküche und widmete sich wieder ihrer Hausarbeit. Lorenz kam am frühen Abend vom Friedhof zurück. Sein Gesicht und seine Hände waren voller dunkler Erde und seine Kleidung voller Laub und Geäst. Er war nicht nur von der Zusatzarbeit genervt, sondern hatte auch gleich noch einen leichten Sonnenbrand nach Hause gebracht. Nichts Ungewöhnliches für ihn mit seiner weißen Haut, das geht echt immer so schnell , dachte sich Paula. Aber einschmieren sollte er sich trotzdem regelmäßig, mit seinen ganzen Muttermalen. Na ja, er ist alt genug und ich bin nicht seine Mutter. Beim Gedanken an Lorenz Mutter machte sich auch bei Paula für ein paar Sekunden ein genervter Gesichtsausdruck breit. Seine Mutter hat sich ja auch nie um die wesentlichen Dinge gekümmert, also bin ich definitiv nicht wie sie. »Hallo, Schatz. Ja, ich weiß, ich sehe aus wie ein Schwein. Und nicht nur wie eines, das sich im Dreck gesuhlt hat, sondern auch eines, was kurz in kochendes Wasser gehalten wurde. Ich geh gleich duschen. Haben wir denn noch Après-Soleil? Ich habe mich irgendwie verbrannt.« Lorenz stellte seinen Rucksack in die Ecke und begann, erst seine Schuhe und dann seine Hose auszuziehen. »Hallo, mein Liebling. Du siehst ja übel aus. Du bist echt nicht für die Gartenarbeit gemacht, du Bürohengst.« Dabei schaute Paula ihren Mann mit einer Mischung aus echtem und gespieltem Mitleid an. »Ja, wir müssten noch eine Tube im Schrank haben. Aber nächstes Mal solltest du dich vielleicht prophylaktisch mit Sonnencreme einschmieren, was meinst du? Das ist nämlich echt nicht gesund, das schreit schon regelrecht nach Hautkrebs. Irgendwann lernst du hoffentlich noch, dass du kein Latino bist.« Unbewusst schien das für Paula eine gute Überleitung zum Thema des Tages zu sein und so erzählte sie Lorenz schnell die Neuigkeiten von den Nachbarn, bevor er in der Dusche entschwinden konnte. »Das ist ja mal was, wenn das stimmt! Und nur die Schappert hat bislang mit denen gesprochen? Was haben denn deine Eltern dazu gesagt? Ich meine, erst müssen sie jahrzehntelang neben diesem Undercover-Alt-Nazi mit seiner Bulldogge von Frau leben und nun ziehen genau dort Ausländer ein. Und dann auch noch Syrer!« Bei diesem Satz malte Lorenz Anführungszeichen in die Luft, um seiner Aussage die gedachte Ironie zu unterlegen. »Herr Kisselbach würde sich im Grab rumdrehen, wenn er erfahren würde, wer in sein Haus gezogen ist. Vielleicht gezogen ist. Das finde ich echt lustig. Eine Ironie des Schicksals, wenn du überlegst, wie er damals ... « »Ja ja, wie er sich damals uns gegenüber verhalten hat. So ein richtiges Arschloch, der Typ. Wenn ich damals nicht so jung gewesen wäre, hätte ich ihm sicher die Meinung gegeigt. Widerlicher Typ. Und seine Frau war ja keinen Deut besser. Vielleicht sogar schlimmer. Bei ihm wusste man gleich, dass das ein Arschloch ist. Bei ihr dagegen hat meine Mutter ja erst Jahre später herausgefunden, wie sie gegen uns intrigiert hat. Und so nach vorne hat sie immer so freundlich getan. Wenn man sie überhaupt mal zu Gesicht bekommen hatte. Ich weiß, man wünscht keinem den Tod und das mache ich auch jetzt nicht. Da sie schon tot sind, freue ich mich einfach und denke mir, dass es die Richtigen getroffen hat. Vielleicht ein paar Jahre zu spät.« Paula hatte sich, wie immer bei diesem Thema, in Rage geredet. Lorenz wusste zwar, dass die Kisselbachs für seine Frau ein sehr sensibles Thema waren. In dieser Minute hatte er aber Paulas Reaktion unterschätzt. Er wollte ja eigentlich nur schnell duschen und die Strapazen der Grabpflege vergessen. Um Paula wieder einzufangen und das Gespräch doch lustig enden zu lassen, entgegnete er ihr: »Wenn du magst, gehe ich morgen nochmal schnell auf den Friedhof und verliere auf dem Weg zum Grab meiner Eltern, sagen wir mal auf Höhe des Kisselbach-Grabs, unseren Biomüll? Dann haben die ganzen Eierschalen und der Kaffeesatz noch einen höheren Sinn, als nur zu verrotten.« Paula stellte sich vor, wie das akkurat gepflegte Grab der Kisselbachs mit dem weißen Kies und dem einen langweiligen Buchsbaum aussähe, wenn dort – aus Versehen – ihr Biomüll landen würde. Der Gedanke an diesen harmlosen und doch schändlichen Angriff auf das Grab der beiden Personen, die vor allem ihren Eltern so lange das Leben zur Hölle gemacht haben, gefiel ihr sehr gut. Lorenz sah Zustimmung in Paulas Augen, zwinkerte ihr einmal zu und entschwand dann splitterfasernackt im Badezimmer. Der weitere Abend verlief weitgehend unaufgeregt. Nachdem Lorenz geduscht und die beiden nach dem Abendessen ihre Lieblingsdokumentation auf DVD weitergeschaut hatten, machten sie sich langsam bettfertig. Seit dem Gespräch mit Lorenz hatte sie nicht mehr an die neuen Nachbarn gedacht. Auf dem Weg ins Bett kam Paula allerdings am Flurfenster vorbei, aus dem sie – hinter Gardinen und einer großen Pflanze versteckt – gut das Nachbarhaus beobachten konnte. In ein paar Zimmern im oberen Stock brannte noch Licht, allerdings sah sie niemanden dort umherlaufen. Syrer. Wie die wohl hierhergekommen sind? Und wieso genau hierher? Was die wohl gerade machen? Es war zwar nicht allzu spät, aber Paula merkte, dass sie von den ganzen Fragen leicht benebelt wurde. Was geht dich das eigentlich an? Wahrscheinlich haben sie eben auch ferngesehen und sich gefragt, was die dicke Deutsche gegenüber so macht , sagte sie zu sich in Gedanken und öffnete die Schlafzimmertür. Lorenz war schon eingenickt und lag leise schnarchend auf der Seite. Er hatte, wie immer, ihr Nachttischlicht angemacht. »Damit du den Weg ins Bett findest«, hatte ihr das Lorenz dann immer erklärt, wenn sie sich über die zusätzliche Arbeit aufregte. »Damit du nicht das Licht ausmachen musst und sofort einschlafen kannst«, entgegnete ihm dann Paula. Der Nutzen für beide lag klar auf der Hand, weswegen sich keiner ernsthaft beschwerte. Bevor Paula die Lampe ausschaltete, dachte sie noch ein letztes Mal an die neuen Nachbarn. Wieso beschäftigt dich das eigentlich so sehr? Dass ins Haus am Wendehammer hinten letztes Jahr auch neue Nachbarn eingezogen waren, hatte sie, hatte ihre Familie erst zwei Monate später erfahren. Ihre Mutter hörte davon erst in einem Gespräch mit Frau Schappert, als diese einen unbekannten Namen mit dem neuen Vorsitz in der Gartenkolonie in Verbindung brachte. »Die Wendlandts? Die sind doch im Juni hierhergezogen. Wollten nicht mehr bei den Eltern von Frau Wendlandt wohnen, sondern etwas Eigenes haben. Wohnen direkt neben Frau Seubert. Sie sind in das Haus der Seipels gezogen. Hatte ich das noch nicht erzählt? Na ja, ist ja auch nichts Besonderes, sie sind ja nur zehn Kilometer weggezogen!«, hatte Frau Schappert die Situation kurz und knapp kommentiert. Die neuen Nachbarn dagegen stufte Frau Schappert wohl als eine besondere Situation ein. Das wurde dadurch deutlich, dass sie gerade einmal einen Tag nach deren Einzug gebraucht hatte, um die halbe Nachbarschaft darüber zu informieren. Ziemlich verschroben, die Schappert. Aber das ist ja nichts Neues , dachte sich Paula. Dann schlief sie, fertig vom Tag, sehr schnell ein.
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