Wir wollen einmal eine gewöhnliche Astley's-Gesellschaft an einem Oster- oder Johannisfeiertage beobachten: – Pa' und Ma', und neun bis zehn Kinder von fünf Fuß sechs Zoll bis zu zwei Fuß eilf Zoll herab, zwischen vierzehn und vier Jahren. Wir hatten gerade eines Abends unsern Sitz in einer Mittelloge eingenommen, als die nächste Loge genau von einer solchen Gesellschaft besetzt wurde, wie wir sie geschildert haben würden, wenn wir unser beau ideal einer Gruppe von Astley's-Besuchen abgezeichnet hätten.
Voran gingen drei kleine Knaben und ein kleines Mädchen, welchen Pa' – in sehr vernehmlicher Stimme unter der Logenthüre – die Anweisung ertheilte, die Vorderbank einzunehmen; dann wurden zwei kleinere Mädchen von einem jungen Frauenzimmer – augenscheinlich der Gouvernante – hereingeführt. Hierauf kamen abermals drei kleinere Knaben – gleich den ersten in blauen Jacken und dergleichen weiten Beinkleidern, mit übergeschlagenen Hemdkrägen – dann wurde ein Kind in einem langen Spitzenröckchen, das alle Zeichen des Staunens von sich gab und seine großen runden Augen so weit als möglich aufriß, über die Bänke herüber gehoben, wobei seine kleinen rothen Beinchen bedeutend zum Vorschein kamen; – endlich Ma' und Pa' und zuletzt der älteste Sohn, ein Junge von etwa vierzehn Jahren, der sich offenbar das Ansehen gab, als ob er gar nicht zu der Familie gehörte.
Die ersten fünf Minuten gingen darüber hin, den kleinen Mädchen die Shawls abzunehmen und ihre Haarschleifen in Ordnung zu bringen. Der sorgsamen Frau Mama entging es nicht, daß einer der kleinen Knaben hinter einem Pfeiler saß, wo er nichts sehen konnte: daher mußte sich die Gouvernante bequemen, hinter den Pfeiler zu kriechen und der Knabe wurde auf ihren Platz gehoben; dann musterte Pa' die Knaben und wies sie an, ihre Taschentücher einzustecken, und nachdem Ma' zuvor der Gouvernante mit Nicken und Winken angedeutet hatte, den Mädchen ihre Kleider mehr über die Schultern herab zu ziehen, erhob sie sich nun auch, um die kleine Truppe Revue passiren zu lassen – eine Inspektion, die ganz zu ihrer Befriedigung auszufallen schien, denn sie sah mit wohlgefälliger Miene auf Pa', der an dem andern Ende des Sitzes stand. Pa' gab den Blick zurück und blies mit vieler Emphase die Naslöcher auf; die arme Gouvernante aber guckte hinter dem Pfeiler hervor und suchte Ma's Augen, mit einem Ausdruck, der ihre Bewunderung für die ganze Familie aussprach. Zwei von den kleinen Knaben, die sich darüber in Erörterungen eingelassen hatten, ob Astley's Cirkus mehr als zweimal so groß als Drury Lane wäre, vereinigten sich endlich darüber, es »George« zur Entscheidung vorzulegen, worüber »George« – der kein anderer als der vorerwähnte junge Gentleman war – sehr ungehalten wurde und ihnen nicht gerade in den artigsten Ausdrücken zu verstehen gab, wie es höchst unschicklich wäre, seinen Namen mit so lauter Stimme an einem öffentlichen Orte zu rufen, worüber alle Kinder recht herzlich lachten und einer der kleinen Knaben der Meinung war, »George fange an, sich schon völlig für einen Mann zu halten,« wozu Pa' und Ma' selbst lachten. George (der einen Spazierstock trug und einen Bart zu cultiviren strebte) murmelte, »daß William stets noch in seiner Unverschämtheit bestärkt würde,« und nahm eine Miene tiefer Verachtung an, die er auch den ganzen Abend über beibehielt.
Die Vorstellung begann und das Interesse, welches die kleinen Knaben daran nahmen, war gränzenlos; Pa' interessirte sich augenscheinlich nicht minder dafür, obschon er sich – jedoch ohne Erfolg – viele Mühe gab, gleichgültig zu erscheinen. Was Ma' anbelangt, so war sie vollkommen außer sich über die Possen des Hauptcomödianten und lachte, daß die ungeheuren Schleifen auf ihrem großen Hute zitterten, worauf die Gouvernante abermals hinter ihrem Pfeiler hervorschielte und, so oft sie Ma's Blicken begegnen konnte, ihr Taschentuch vor den Mund nahm, um pflichtschuldigst ebenfalls in Lachkrämpfe auszubrechen. Als der Mann in dem glänzenden Waffenschmuck schwur, die Dame zu befreien, oder dabei unterzugehen, applaudirten die kleinen Knaben aus Leibeskräften, besonders ein kleines Kerlchen, das dem Anschein nach bei der Familie auf Besuch war und die ganze Zeit über mit einer kleinen Kokette von zwölf Jahren charmirt hatte, die ganz das Modell ihrer Mama in verjüngtem Maßstabe war. Sowohl sie, als die andern kleinen Mädchen, welche im Allgemeinen sogar mehr Koketterie besitzen, als viele ältere – waren ganz besonders erbost, als des Ritters Schildknappe die Kammerzofe der Prinzessin küßte.
Als die Vorstellungen im Cirkus begannen, stieg die Lust der Kinder auf's Höchste, und die Begierde, das, was vorging, genau zu sehen, trug über Pa's Gravität einen so vollständigen Sieg davon, daß er sich in der Loge erhob und eben so laut, als irgend Einer, applaudirte. So oft ein Reiterkunststück vorüber war, bog sich die Gouvernante nach Ma' herum und ließ sich von den Kindern ihre munteren Bemerkungen über das, was vorgegangen war, wieder erzählen, – und Ma' bot der Gouvernante in ihrer Freigebigkeit ihr Riechfläschchen an. Die Gouvernante, schon damit zufrieden, daß man nur Notiz von ihr genommen, zog sich wieder mit verklärtem Gesicht hinter ihren Pfeiler zurück, und die ganze Gesellschaft schien äußerst glücklich zu sein, mit einziger Ausnahme des Vortrefflichsten, der im Hintergrunde der Loge stand. Zu erhaben, sich um die Kinder zu bekümmern, und zu bedeutend, als daß sich Jemand um ihn bekümmert hätte, beschäftigte er sich damit, von Zeit zu Zeit an dem Orte, wo der Bart sein sollte, zu reiben, und stand in seinem Glanz völlig allein.
Wir fordern einen Jeden auf, der zwei- oder dreimal bei Astley's gewesen und demnach im Stande ist, die Beharrlichkeit zu würdigen, mit der genau dieselben Scherze, Abend für Abend und Saison für Saison, wiederholt werden, ob er nicht wenigstens durch einen Theil der Darstellungen unterhalten worden – nämlich durch die Scenen im Cirkus.
Wir unserer Seits gestehen gerne, daß wir, wenn der Kronleuchter mit seinen Gasstrahlen herabgelassen und der Vorhang aufgezogen ist, damit die außerhalb des Kreises Sitzenden um den halben Preis auch etwas sehen, und wenn die Orangenschalen aufgelesen und die Sägespähne mit mathematischer Genauigkeit in einen vollkommenen Zirkel ausgebreitet sind, uns in dieselbe heitere Stimmung versetzt fühlen, wie das jüngste Kind, und stimmen gewiß mit in das Lachen ein, das auf des Bajazzo's gellendes Geschrei »da bin ich!« folgt, wäre es auch nur um der alten Bekanntschaft willen. Wir können uns sogar unseres früheren Gefühls von Ehrfurcht gegen den Stallmeister nicht ganz erwehren, der dem Bajazzo mit einer langen Peitsche folgt, und mit würdevoller Grazie vor den Zuschauern seine Verbeugung macht. Hier ist aber von keinem unserer untergeordneten Stallmeister in Nankinröcken mit braunen Borten die Rede, sondern von dem wirklichen Stallmeister, der die ersten Reiter während ihrer Produktionen zu Fuß begleitet, stets eine auf der Brust mit einem Tischtuche wattirte Militärsuniform trägt und in diesem Costüme unwillkürlich an einen zum Braten hergerichteten Vogel erinnert. Er ist – aber warum wollten wir etwas beschreiben, von dem keine Feder auch nur eine annähernde Idee geben kann? Jedermann kennt ihn, und Jedermann erinnert sich seiner blank gewichsten Stiefeln, seines graziösen Wesens (einige Uebelwollende sind so bösartig, es steif zu nennen), des herrlichen Kopfes mit den schwarzen über der Stirne hoch gescheitelten Haaren und des Antlitzes mit der Miene tiefsten Denkens und poetischer Schwermuth. Dazu steht seine sanfte, angenehme Stimme im vollkommenen Einklange mit seinem noblen Benehmen, wenn er sich mit dem Bajazzo abgibt, und sich herabläßt, seinen Scherz mit ihm zu treiben; und die Art, wie er sich plötzlich im wiedererwachten Gefühl seiner Würde zusammennimmt und ausruft: »Nun, Monsieur Bajazzo, ist es Ihnen gefällig sich zu erkundigen, ob Miß Woolford bald kommt?« wird Jedermann ewig unvergeßlich sein. Der edle Anstand, mit dem er dann Miß Woolford in den Cirkus einführt, und wenn er ihr in den Sattel geholfen, ihrem fee'nhaften Renner rings im Kreise folgt, kann und wird gewiß nie verfehlen, einen tiefen Eindruck in dem Busen jedes anwesenden Dienstmädchens zu hinterlassen.
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