Räuspernd stieß er die Hände in die Jeanstaschen und versuchte, den ausgebeulten Schritt zu verbergen. Warum musste dieser mürrische Kerl auch so verdammt gut aussehen, wenn er verschwitzt und dreckig war. »Meinst du, das wird heut noch was?«
Cliff setzte die Wasserflasche ab und wischte sich mit dem Handrücken über die feuchten Lippen. Er schüttelte den Kopf. »Nein. Der Schlauch ist porös und rissig, der Dichtungsring ist auch hinüber. Verdammt, ich hab Lisa gesagt, dass es so ausgehen wird.«
»Und was machen wir jetzt?«
Cliff sah ihn an und riss die Augen plötzlich auf. »Du hast ja gar keinen Hut!«
Max zuckte mit den Schultern. »Woher auch?«
»Die Sonne ist nicht zu unterschätzen«, warnte Cliff, »na ja, macht nichts, wir müssen ohnehin zurück. Ich muss die Ersatzteile bestellen.«
Max sah sich nach den Rindern um. »Wie lange wird es dauern, bis sie ankommen?«
»Ein paar Tage«¸ erklärte Cliff und räumte die Sachen zusammen. Max ging ihm sofort zur Hand, weil er nicht untätig danebenstehen wollte.
»Sollen die Rinder bis dahin aushalten?«
Cliff hob ärgerlich den Blick. »Weißt du eigentlich, wie viel so ein Rind wert ist? Natürlich werden wir sie nicht durstig hier zurücklassen! Wir holen die Pferde – und einen Hut für dich – und treiben sie runter zum See.«
*~*~*
Kaum gesagt, saßen sie schon eine Stunde später im Sattel und trieben die etwa ein Dutzend Rinder über die Weiden zu einem großen See, der von einem kleinen Wäldchen umgeben war. Wobei eher Cliff die Rinder angetrieben hatte, und Max nur in äußersten Ausnahmefällen helfen durfte.
Da er nicht gut reiten konnte, war es Max nur recht gewesen.
»Geschafft!« Max war trotzdem zufrieden mit sich, er hatte die Rinder zu Wasser und Schatten geführt, er fühlte sich fast wie ein Held.
Cliff verbarg ein Grinsen. »Dein Hut sitzt schief.«
Max richtete ihn. »Er ist zu groß.«
»Du hast die Kopfgröße eines Kindes!«, lachte Cliff.
»Wenigstens keinen Quadratschädel wie du«, konterte Max, der sich gut fühlte, weil er es zumindest geschafft hatte, an diesem Tag nichts Peinliches vor Cliff zu veranstalten. Sogar auf das Pferd hatte er es allein geschafft. Charlie schien auch dankbar darüber zu sein.
»Quadratschädel«, wiederholte Cliff schmunzelnd. »Ich merk mir das, Knochiger.«
»Knochiger!« Max stieß ungläubig den Atem aus. »Ich habe lange für diesen Adoniskörper trainiert«, behauptete er und fuhr sich lasziv über den flachen, aber ansonsten muskellosen Oberkörper.
Cliff musterte ihn neugierig. »Hast du je ein Fitnessstudio von innen gesehen?«
»Nein«, gestand Max lachend.
Cliff lachte zurück.
»Du etwa?«, fragte Max neugierig. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der vielbeschäftige Cliff die Zeit fand, ein paarmal die Woche in die Stadt zu fahren.
»Ich bin keiner von diesen Kerlen, die nur auf ihr Äußeres achten«, gab Cliff mit verkniffenen Lippen zurück, er musterte Max erneut, diesmal abschätzig. »Das ist mehr was für Stadtjungs.«
Max nahm es nicht als Beleidigung, obwohl es offensichtlich eine war, doch er hatte das Gefühl, dass Cliff allmählich auftaute und wollte dies nicht aufs Spiel setzen, indem er trotzig reagierte. Er nahm den Blick von Cliffs Profil und betrachtete mit ihm zusammen die Rinder, die zum See staksten und von dem dunklen Wasser tranken.
»Wegen Amy«, begann Max mit klopfendem Herzen, es war ihm wichtig, dass Cliff ihn nicht als Konkurrenten sah, »das darfst du nicht falsch verstehen.«
Cliff sah ihm in die Augen. »Ich verstehe ja, dass sie ihren Reiz hat, aber fass sie trotzdem nicht an.«
»Du musst dir keine Sorgen machen, dass ich sie dir wegschnappen will«, beteuerte Max, »ich … bin nämlich nicht an Frauen interessiert.« Max sah ihn vielsagend an, ihm zersprang beinahe das Herz in der Brust, als er auf Cliffs Erwiderung wartete.
In Cliffs Gesicht regte sich gar nichts, es wirkte vollkommen emotionslos, unnahbar. Zunächst glaubte Max noch, Cliff hätte ihn einfach nicht richtig verstanden, vielleicht war er zu subtil gewesen.
Dann drehte der Vorabeiter den Kopf und sah wieder zum See hin. »Das solltest du hier nicht so herumposaunen«, sagte Cliff schließlich ratsam.
Max runzelte verärgert die Stirn. »Warum nicht? Ich denke, ich habe ein gutes Recht darauf, offen damit umzugehen.«
Mochte Cliff ihn deswegen jetzt nicht mehr?
»Natürlich«, warf Cliff sofort ein und blickte Max in die Augen. »Hier auf dem Land ist es jedoch etwas anderes, als in der Stadt. Wenn du offen dazu stehen willst, musst du dir bewusstmachen, dass es hier noch Leute gibt, die damit etwas … rau umgehen.«
Max verstand nicht. »Wie meinst du das?«
»Na«, Cliff leckte sich den salzigen Schweiß von den Lippen, von denen Max nicht mehr die Augen lassen konnte, »sie machen dumme Witze auf deine Kosten und gehen damit vielleicht noch etwas ignorant um. Keiner wird dir mit einer Mistgabel hinterherrennen, aber sie werden dir zunächst mit Vorurteilen begegnen. Willst du meinen Rat? Beweis erst, dass du was drauf hast, trotz deiner mickrigen Statur. Wenn sie dich als einen hart arbeitenden Mann akzeptieren, ist es ihnen egal, wen du fickst.«
Max dachte darüber nach.
»Wenn du es offenbarst, bevor du dich bewiesen hast, kannst du dich noch so sehr anstrengen, sie werden trotzdem immer nur den Schwulen in dir sehen.«
»An mir prallt einiges ab«, sagte Max mit einem Schmunzeln. »Wenn ich der Ignoranz meiner Mutter standhalten konnte und es überlebt habe, dass man mich in der Schule deshalb verprügelte, werde ich hier auch zurechtkommen.«
Cliff schmunzelte ihn für eine Millisekunde lang an, ehe es ihm gelang, das Lächeln niederzukämpfen und den Kopf abzuwenden.
»Komm«, forderte Cliff, »lass uns zurückreiten, es wartet noch Arbeit auf uns. Wir müssen den Kornspeicher ausfegen.«
Sie wendeten die Pferde und ritten nebeneinander her, attackiert von einem Schwarm brummender Mücken.
»Dann …«, Cliff sah ihn nach einer schweigsamen Weile neugierig und etwas schüchtern – was ihm gut zu Gesicht stand – von der Seite an, » … hat Amy keine Chance bei dir, oder?«
»Es sei denn, sie entschließe sich, ein Mann zu werden«, warf Max schmunzelnd ein.
Cliff lachte auf. »Sie wohl nicht, nein, aber ich kenne da andere.«
»Ehrlich? Hier auf dem ach so ignorantem Land?«, scherzte Max.
»So intolerant sind die Leute hier nicht, wenn du hart anpacken kannst«, lenkte Cliff ein, »aber wir haben hier eben eine etwas rauere Art. Manchmal.«
»Die mag ich ja so«, erklärte Max. »Rau aber ehrlich, oder nicht?«
»Manchmal«, schnaubte Cliff. Er runzelte die Stirn und kam noch einmal zögerlich auf das andere Thema zurück: »Ich meinte, du bist also nur an Männern interessiert? Du bist nicht bisexuell, oder so was?«
Max schüttelte den Kopf. »Nein, keine Sorge, deine Amy gehört dir.«
Cliff grinste geheimnisvoll, plötzlich wirkte er viel entspannter, offener.
»He, komm doch heute Abend mit in den Pub«, schlug Max dadurch mutig vor. »Amy ist auch da.« Auch wenn Max, aus Gründen, die er besser nicht genau hinterfragte, keineswegs wollte, dass die beiden sich näherkamen, nutzte er Amys Anwesenheit, um Cliff dazu zu bewegen, mit ihm ein Bier trinken zu gehen.
Max mochte Cliff, vielleicht gerade weil Cliff nur ein brummender, verschlossener Kerl war, dessen Geheimnisse es zu entdecken galt. Wo kam er her? Wie ist er aufgewachsen? Wie kam er zu seinem Job bei Tante Lisa? Wie lebte er, und was bewegte ihn?
Max war einfach neugierig und hatte sich vom ersten Augenblick an zu dem Vorarbeiter hingezogen gefühlt.
»In den Pub?« Cliff verzog abwertend sein Gesicht, die Gewitterwolke, die ihn stets umgab, verdichtete sich wieder. »Nein danke, ich schlafe lieber, um für die Arbeit morgen fit zu sein. Aber wenn du meinst, Volltrunken deinen Job meistern zu können, dann tu, was du nicht lassen kannst.« Er gab seinem Pferd die Sporen und ritt voran.
Читать дальше