Cathrin Sumfleth
12 fette Frauen
Eine Krimödie
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Inhaltsverzeichnis
Titel Cathrin Sumfleth 12 fette Frauen Eine Krimödie Dieses ebook wurde erstellt bei
Widmung Widmung Für meine Brüder
Ich glaube nicht an Dinge, die für immer halten
Die Kartoffeln der letzten Nacht
Leute wie ich können auch anders
Zwölf fette Frauen
Erste Ermittlungen
Fuckface
Eindeutig ein echter Mensch und keine Alien Invasion
"So eine Familie ist schon etwas Gutes"
Das Problem bin eigentlich ich
"Wir hätten einige Fragen an Sie ..."
Irgendwie total auf einer Wellenlänge
Veränderung ist die einzige Konstante
Übergewicht schweißt zusammen
Yono!
Ich verschwende mein Potenzial---
... eine von diesen komplizierten Frauen
Villa Clausen
Liebesbeziehung
Dans op de Deel
Knollnase
Schmetterlingsjunge
Grenzüberschreitungen
In Zeiten der Krise ist es zuhause immer am schönsten
Mitbewohnerin
Ich wollte keine Problemerweiterung
Dächer
Der schlimmste und schönste Tag meines Lebens
Familienkonstellationen
Die Invasion
So ein Kind macht nur Probleme
One-Way Ticket nach Hinterpommern
Impressum neobooks
Für meine Brüder
Ich glaube nicht an Dinge, die für immer halten
Manchmal frage ich mich, warum man Kaffee nicht direkt kalt trinken kann. Es ist doch immer wieder aufs Neue sinnlos: Die Maschine lässt sich jeden Morgen gefühlt etwas mehr Zeit, ich schmachte und mein rechtes Augenlid zuckt regelmäßig aber unrhythmisch, während ich auf den Kaffee warte. Und auch wenn ich gerne zum Kaffee rauche, rauche ich schon, während der Kaffee kocht. Nur um etwas zu tun, während ich warte. Und dann, wenn die Zigarette zu Ende und der Kaffee fertig ist, ertränke ich ihn zur Hälfte in fettarmer Milch aus dem Kühlschrank und ruiniere sein natürliches Aroma mit drei Stückchen Würfelzucker. Ein Trauerspiel! Aber der Gedanke, dass man selbst für Eiskaffee den Kaffee abkühlen lassen muss, beruhigt mich. Eiswürfel reichen in so einem Fall nicht aus. Reichen sie eigentlich nie. Sie ergänzen eigentlich nur ein bereits kaltes Getränk. Im Stillen nicke ich mir selbst zu und setze mich raus auf den Balkon. Mit meinem halb kalten Kaffee, wobei es eigentlich auch nicht schlimm ist, wenn er komplett kalt wird.
Viele Menschen haben ein Problem mit kaltem Kaffee. Viele Menschen haben viele Probleme. Ich nicht: Als die Tasse halb leer ist, geht es meinem Auge besser und die zweite Zigarette glüht. Zigarette zum Kaffee, nackter Mann unter meiner Dusche, Sonnenschein, wohlgenährte singende Spatzen in den Bäumen, überhaupt Bäume vor dem Balkon in einer Großstadt wie Hamburg – perfekter könnte es nicht sein!
Also, mal abgesehen von meinem Outfit. Meine Mutter ist ein Fan von Nachhaltigkeit und damit meine ich nicht das Ablaufdatum von Lebensmitteln, das ist eher nicht ihr Metier. Sie kauft gern Dinge, die für immer halten. Ich persönlich glaube nicht an Dinge, die für immer halten. So wie sogar Dosenobst abläuft, das ich mir nur kaufe um selbst zu glauben, ich sei irgendwo doch ernährungsbewusst, wird alles irgendwann ungenießbar – sogar Basics. Auch wenn ich kein Fan von Basics bin. Ich kaufe permanent unkombinierbare Dinge. Aber gegen die alten Birkenstocklatschen, die meine Mutter mir vor zehn Jahren gekauft hat, kommt selbst mein Satin-negligee zur lila Jogginghose nicht an: sie sind die Steigerung von furchtbar. Aber wie es bei allem so ist, soll man ja Raum nach oben lassen. Ich beschließe, dass mein Outfit ein klassisches Beispiel dafür ist. Kleidung ist ein Gestaltungselement und das Packaging ist eben noch nicht perfekt ausgefeilt. Wobei man am Inhalt auch arbeiten könnte. Im Kopf höre ich noch meine gertenschlanke und vielfachgebärende Nachbarin sagen: „Und die Lotti, die ist jetzt schon einen Meter zehn groß!”, und ich sage: „Mensch, Mandy, toll, ja klasse!” und denke: „Scheiße, mein Hüftumfang ist ein kleiner Mensch!”
Im Badezimmer höre ich noch immer das Wasser laufen. Ich finde es prinzipiell eigentlich nicht so gut, wenn Männer länger duschen als ich selbst. Aber was soll’s, die Sache ist ja noch recht frisch und es ist doch besser, er duscht lange als gar nicht. Und ich habe gehört, dass bei manchen Paaren dieser Fall früh genug eintritt. Ich rieche instinktiv an meiner Achsel und beschließe, es auf das Satin zu schieben. Wieso finden Menschen Satin eigentlich sexy? Klar, es ist glatt und glänzend, aber das ist irgendwie auch schon alles. Wobei das Argument „glatt” mitunter eigentlich auch gegen Satin spricht. Wem ist es noch nicht passiert, dass die eigene Satinbettdecke nachts erst vom Körper und dann vom Bett gerutscht ist? Und wenn man Satinbettwäsche im Winter benutzt, dann wärmt sie nicht. Benutzt man sie im Sommer, tut sie nichts anderes, als den eigenen Schweiß darunter zu speichern. Beides unsexy. Genauso ist es mit diesem Negligee: das Einzige, was daran schön ist, ist der Ausschnitt. Und dass ich es in meiner Größe gefunden habe. Und dass es ein Sonderangebot war. Aber das ist das Problem, wenn man nicht für Nachhaltigkeit ist. Man kauft sich nicht eine qualitativ hochwertige Sache für viel Geld, sondern 20 Sachen, die im Prinzip billiger Schrott sind, nicht lange halten und meistens auch noch Handwäsche bedeuten. Das heißt im Klartext, dass meine Maschine sie nach dem dritten Mal auf 30 Grad Waschen ohnehin zerstört. Aber da ich ja nicht für Nachhaltigkeit bin, kaufe ich mir dann relativ unbeeindruckt eine neue Billigklamotte und trage sie circa dreimal – so habe ich genügend Abwechslung und muss mich wenigstens modisch nicht langweilen. Ich bin nämlich ziemlich schnell gelangweilt. Leider äußert sich das nie in Form von körperlicher Aktion. Ich bin mehr der Typ gelangweilter Sitzer.
Bei diesem Gedanken zünde ich mir eine weitere Zigarette an. Aber dann fällt mir auf, dass ich dringend mehr Kaffee brauche. Und Deo, für den Fall, dass ich noch mal Sex haben möchte. Und eventuell ein anderes Outfit. Zumindest sollte ich diese Latschen loswerden – sie unter dem Bett verstecken oder irgendwo vergraben. Ich möchte nämlich genaugenommen nicht mal, dass der Müllmann mich mit ihnen in Verbindung bringt. Und was sollen die Nachbarn sagen? Denn hier ist es anders als in der Provinz. Hier habe ich Nachbarn.
Während ich vor meinem geistigen Auge meiner Mutter wegen meiner Kritik an den Latschen und auch meines hohen Zigarettenkonsums mahnend den Kopf schütteln sehe, denke ich gleichzeitig an den nackten, gut gebauten Exoten unter meiner Dusche und grinse in mich hinein. Auf einmal klingelt mein Handy. Geistesabwesend flöte ich ein etwas zu sehr erotisch klingendes „Hallooo” in den Hörer.
Auf einmal, Stille. Dann eine weibliche Stimme, die ich nicht kenne. Die aufgeregt in einer Sprache spricht, die ich nicht kenne. Doch! Ich kenne sie! Das ist … das ist seine Sprache. Arabisch. Ich blicke auf mein Handy, das unangerührt auf dem Tisch liegt. Und realisiere, dass ich sein Handy am Ohr habe. Schnell lege ich auf.
Eine Frau. Seine Frau! Eine Stimme in meinem Kopf sagt: „Du bist jetzt ganz rational. Du bist eine intelligente Frau Mitte, na ja, Ende zwanzig, deine Synapsen schalten gut und schnell. In deinem Leben hat bis jetzt immer alles irgendwie geklappt, und es ist wirklich, also wirklich, sehr, also sehr, sehr wahrscheinlich, dass dieser marokkanische Mann aus einer großen Familie stammt. Und Schwestern hat. Die haben immer Schwestern. Mindestens drei. Oder es ist die Frau seines Bruders. Oder seine Nichte. Ganz bestimmt. Ihr habt zwar nie darüber gesprochen. Nicht ein Wort, aber wieso auch, er spricht kaum Deutsch, dein Französisch ist eher mittelmäßig und dein Arabisch nicht vorhanden. Aber wären Dinge erwähnenswert gewesen, dann hätte er sie erwähnt. Und man lernt sich ohnehin besser langsam kennen, man muss ja nichts überstürzen. Wenn er fertig geduscht hat, dann wirst du mit ihm reden. Rational. Ganz rational.”
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