Alfons Wiebe - Vom gehorsamen Kirchenschaf zum selbstbestimmten Katholiken

Meine kritische Haltung wurde auch durch mein Studium unterstützt. Ich hatte mir als Hauptfach Werken gewählt, weil ich während meiner Schulzeit gerne gebastelt hatte, aber das Fach Werken in der Missionsschule nicht erteilt wurde. Jetzt konnte ich die Möglichkeiten des Wahlfaches zur Befriedigung meines Interesses nutzen. Darüber hinaus musste ich pflichtgemäß Mathe und Deutsch belegen. Für mich stand aber ganz fest, dass ich auch die Missio erwerben wollte, um in der Schule Religion erteilen zu können. Das Fach gehörte für mich zur Erziehung einfach dazu. Bildung bestand und besteht für mich nicht nur aus Anhäufung von Wissen, sondern auch aus verantwortlichem Umgang mit ihm. Den lernte man in Religion! Deshalb meldete ich mich für das Fach bei P. Venantius an. Seine langweiligen und eintönig vorgetragenen Vorlesungen rissen mich zwar nicht vom Hocker, regten mich aber an, über Fragen der Religion nachzudenken. In meiner Arbeit zur Erlangung der Missio, deren eigentlichen Titel ich nicht mehr weiß, beschäftigte ich mich mit der Frage nach Gewissen, Schuld und Sünde. Dabei ging mir auf, dass es nicht so einfach war, wie ich es bisher aus meiner religiösen Erziehung gewohnt war, zu entscheiden, was Sünde war, dass die Umstände berücksichtigt werden mussten und dass es auf die Beurteilung des Einzel­falls ankam. Kirche konnte also nicht so einfach festlegen: Diese Handlung ist sündhaft und die nicht. Und so begann auch hier die Autorität der Kirche zu wanken.

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