„ Und was soll man stattdessen sagen?“
„ Schwarzer?“, schlug der Graf vor.
„ Und dann ist der Schwarze kein Neger mehr? Bloß weil ich Schwarzer sage?“
„ Nein, der bleibt ja schwarz!“
„ Und warum ist Schwarzer jetzt besser als Neger?“
„ Weil das nicht diskriminiert!“
„ Was diskriminiert am Wort: Neger?“, wollte Udo wissen.
„ Vielleicht, weil das so dicht am Wort „nigger“ aus den USA ist?“, gab der Graf zu bedenken.
„ Aber das habe ich doch gar nicht gesagt - und auf Englisch schon mal gar nicht! Bin ja auch kein Ami... Und schon gar nicht aus den Südstaaten, ich komm´ ja aus Hamburg, das ist ein Nordstaat, wenn überhaupt.“
„ Nein, hast du nicht, also Nigger gesagt. Und wo ist der Kerl jetzt?“
„ Welcher?“
„ Na, der... der Neger“, grinste der Graf.
„ Du meinst den Schwarzen?“
„ Ja!“
„ Weiß nicht, weg!“
„ Meinst du denn, der hätte eine Pistole gehabt?“, fragte der Graf.
„ Nö, glaube ich nicht.“
„ Warum hast du dann damit angefangen?“
„ Weil du gesagt hast: Dunkel!“
„ Wenn ich mich richtig erinnere habe ich gesagt: Dunkel, irgendwie zwielichtig, gemein, fies... war er das?“, gab der Graf zu bedenken.
„ Nö, der hat eher recht nett ausgesehen“, lächelte Udo, „freundlich, eher so ein Onkel Tom Typ.“
„ Mensch, Udo, hör auf!“, stöhnte der Graf, „Wir sind hier auf einer „ mission “!“
„ Auf einer was?“
„ Mission! Wir haben eine Aufgabe!“
„ Ja, klar, aber siehst du hier einen einzigen, der auch nur in Frage kommen könnte?“, fragte Udo jetzt ernsthaft.
„ Nee, ehrlich gesagt, nein!“
„ Gehen wir mal wieder runter und schauen uns unten um?“
„ Ja“, aber erst einmal brauche ich ein Klo!“
„ Schon wieder die Prostata?“, fragte Udo. Der Graf nickte.
Sie gingen die Treppe in die Gleishalle hinunter und hielten sich rechts, dort ging es zu dieser supersauberen Klo-Lounge, wo man erst einmal ein Fünfzigcentstück braucht, um den Automaten mit dem Drehkreuz passieren zu können, und wehe, man hat keines... Vor allem „mit Prostata“. Früher war das Klo nicht so schön, aber man „konnte“ jedenfalls, wenn es drängte.
Als der Graf wieder herauskam sah er erleichtert aus, dann gingen sie durch die Bahnhofshalle, sie passierten den internationalen Zeitschriftenladen, die Ess-&Fress-Glitzerwelt von Gosch Sylt, wo es auch in München die „ganz frischen Fische“ gab... und gingen auf den Seitenausgang der Bahnhofshalle an der Bayerstraße zu.
Rechts lockte die Leuchtreklame vom Starbucks Coffee. Sie schauten hinein: Nur Jungvolk! „Nee“, schüttelte Udo den Kopf, „da sind nur Kids drin, da würde kein Mafiosi, der etwas auf sich hält, je einen Fuß hineinsetzen. Wenn ich Dein „dunkel, irgendwie zwielichtig, gemein, fies“ jetzt korrekt interpretieren darf! Oder darf man Mafiosi jetzt auch schon nicht mehr sagen?“
„ Doch, doch“, sagte der Graf, „ich glaube schon“, und dabei schaute er skeptisch durch die Scheibe auf das Schild, auf dem die verschieden „flavoured coffees“ angepriesen wurden. „I gitt“, schüttelte er den Kopf, „und selbst wenn..., da kriegen mich keine zehn Pferde hinein!“
Udo stieß den Grafen in die Seite, „schau mal da, ganz links“, sagte er halblaut, „aber gaaanz unauffällig!“
Der Graf schaute und sah ein paar junge Männer vor dem Eingang eines weiteren Schnellrestaurants herumlungern: Es waren sechs offenbar gut durchtrainierte Männer im Alter wohl unter dreißig Jahren. Jeder von ihnen brachte ein „Kampfgewicht“ von sicherlich 100 Kilogramm bei einsneunzig Körpergröße auf die Waage, falls es denn ernsthafte Kämpfer waren.
Sie trugen verschiedene Trainingsanzüge (meist mit den drei Adidas-Streifen) sowie Hoodies oder Strickmützen, die tief ins Gesicht und über die Ohren gezogen waren. Die Jacken spannten allesamt um die Oberkörper, so muskulös waren sie. Sie sahen aus wie durchtrainierte Kopien des Comedians Thorsten Sträter, der sich als Boxer oder „Vollkontaktkämpfer“ verkleidet hatte.
Die Männer dieser Gruppe waren ganz offensichtlich keine Reisenden, die hingen da „nur“ ab. In der Kälte trippelten sie auf den Füßen, die Hände hatten sie in Jacken- oder Hosentaschen.
Die kamen dem, was der Graf und Udo sich vorgestellt hatten, von allen anderen auf dem Bahnhof am nächsten. Gleichzeitig sahen sie so aus, als ob sie im Zweifel gar nicht erst auf eine höfliche Frage warten würden. Die würden gleich zuschlagen und zwar ordentlich. Sie sahen nicht so aus, als ob sie sich beim Kampf an Regeln halten würden, eher wie Straßenkämpfer. Bei denen hätte auch der Ernstl vom Kiosk keine Chance gehabt, glaubten Udo und der Graf.
Als Udo und der Graf sich ihnen langsam näherten und dann das Schnell-Restaurant betraten, hörten sie im Vorbeigehen an der Gruppe, dass die Männer russisch (oder so ähnlich) sprachen.
Ohne sich abzusprechen, waren Udo und der Graf straks an Ihnen vorbei gegangen, nicht etwa direkt auf die Gruppe zu. Das hätten die als Aggression verstehen können. Und dafür waren beide dann doch zu schlau!
„ Hast du die gemeint?“, fragte Udo, als sie im Restaurant waren.
„ So in etwa.“
„ Aber die waren nicht dunkel.“
„ Aber zwielichtig, gemein und fies...“
„ Ja, fandest du? Und sehr kräftig!“, war da Bewunderung in Udos Stimme? „Und vor allem, haben die Waffen zu verkaufen?“
Der Graf zuckte mit den Schultern.
„ Fragst du sie“, wollte Udo wissen, „wenn wir da wieder hinausgehen?“
„ Bin ich blöd?“, fragte der Graf zurück, „meinst du ich will mir ein paar aufs Maul hauen lassen?“
„ Ich dachte, dafür sind wir hier?“
„ Dass ich ein paar aufs Maul kriege?“
„ Nein, natürlich nicht, aber um zu fragen.“
„ Fragst du sie denn?“, wollte der Graf wissen.
„ Ich kann kein Wort russisch!“, wollte sich Udo herausreden.
„ Die können schon deutsch, wenn sie wollen“, glaubte der Graf zu wissen.
„ Dann können sie mich auch missverstehen... also, ich hole mir keine Klatsche ab.“
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