1 ...7 8 9 11 12 13 ...22 Meister Atkins wollte mich an Bord begleiten, um dem Kapitän Len Guy und dem Hochbootsmann ein Lebewohl zu sagen. Am Quai wartete ein Boot, das uns beide nach der Falltreppe der Goëlette beförderte, die sich bei der Ebbeströmung schon gedreht hatte.
Der erste, dem ich auf dem Verdeck begegnete, war Hurliguerly. Er warf mir einen triumphierenden Blick zu, der mir deutlich sagte:
»Na, da sehen Sie's ja! Unser Kapitän, der erst so große Schwierigkeiten machte, hat Sie schließlich doch aufgenommen. Wem anders verdanken Sie das, als der braven Theerjacke von Hochbootsmann, der Ihnen bestens gedient und seinen Einfluß nicht überschätzt hatte!«
Ob es sich so verhielt?... Ich hatte alle Ursache, das nicht ohne starke Reserve anzunehmen. Doch gleichviel; die »Halbrane« sollte jetzt die Anker lichten und ich befand mich glücklich an Bord.
Der Kapitän Len Guy erschien fast sofort auf dem Deck. Ich dachte gar nicht daran, mich zu verwundern, daß er meine Anwesenheit kaum zu bemerken schien.
Die Arbeiten zur Abfahrt hatten begonnen, die Segel waren aus ihren Hüllen genommen und Drissen und Schoten zurecht gebracht. Auf dem Vordertheil überwachte der Lieutenant das Drehen des Gangspills, und der Anker mußte bald aus dem Wasser auftauchen.
Da trat Meister Atkins an den Kapitän Len Guy heran und sagte mit verbindlicher Stimme:
»Auf Wiedersehen im nächsten Jahre!
– Wenn es Gott gefällt, Herr Atkins!«
Damit drückten sich beide die Hände. Dann faßte auch der Hochbootsmann noch kräftig die des Gastwirths vom »Grünen Cormoran«, den das Boot nach dem Quai zurückbeförderte.
Um acht Uhr, als der Ebbestrom am mächtigsten war, hißte die »Halbrane« ihre unteren Segel, nahm Halsen an Backbord, manövrierte so, um aus dem Becken von Christmas-Harbour bei einer leichten Nordbrise herauszukommen und wendete sich, auf freiem Wasser angelangt, nach Nordwesten.
Mit den letzten Stunden des Nachmittags verschwanden die weißen Gipfel des Table-Mount und Havergal, zweier Bergspitzen, die sich, die eine auf zwei-, die andere auf dreitausend Fuß über die Meeresfläche erheben.
Viertes Capitel
Von den Kerguelen nach der Prinz Eduard-Insel
Vielleicht noch nie gestaltete sich der Anfang einer Seefahrt so glücklich! Und – ein ganz unerwarteter Umstand – statt daß ich bei einer unbegreiflichen Weigerung des Kapitän Len Guy noch einige Wochen in Christmas-Harbour festgelegen hätte, führte mich jetzt ein günstiger leichter Wind weit von der Inselgruppe und bei kaum bewegtem Meere mit der Geschwindigkeit von acht bis neun Meilen in der Stunde hinweg.
Das Innere der »Halbrane« entsprach ihrem Aeußeren – überall, im Ruff wie im Volkslogis, herrschte die peinliche Sauberkeit einer holländischen Galeote.
Am Vordertheil des Deckhauses, an der Backbordseite, befand sich die Cabine des Kapitän Len Guy, der durch ein aufschlagbares Glasfenster das Deck überwachen und seine Befehle den Wachposten, die zwischen Groß- und Fockmast standen, nöthigenfalls unmittelbar ertheilen konnte. Am Steuerbord wiederholte sich dieselbe Einrichtung für den Lieutenant. Beide verfügten über ein schmales Matratzenlager, einen mäßig großen Wandschrank und hatten in jeder Cabine einen im Fußboden befestigten Tisch und eine Schwebelampe, die über verschiedenen nautischen Instrumenten, einem Barometer, einem Quecksilber-Thermometer, einem Seechronometer und über einem Sextanten hing, der aus dem Ausschnitte seines eichenen Kastens nur herausgenommen wurde, wenn der Kapitän eine Höhenbeobachtung anstellen wollte.
Zwei andere Cabinen waren in das Hintertheil des Deckhauses eingebaut, das im mittleren Theil noch einen Raum hatte, worin sich zwischen Holzbänken mit beweglichen Rücklehnen die Speisetafel befand.
Eine dieser Cabinen war zu meiner Aufnahme eingerichtet. Sie wurde durch zwei Fenster erhellt, deren eines nach der Seite des Deckhauses, das andere nach dem Hintertheile des Schiffes zu lag. Hier stand der Steuermann am Rade des Ruders, worüber sich das untere Rundholz des Gaffelsegels bis einige Fuß über die Schanzkleidung des Sternes hinaus erstreckte.
Meine Cabine maß acht zu fünf Fuß. An die unvermeidliche Beschränkung auf einem Seeschiffe gewöhnt, brauchte ich weder mehr Raum, noch eine reichlichere Ausstattung desselben. Diese bestand hier aus einem Tische, einem Wandschranke, einem Rohrlehnstuhle, einer Toilette auf Eisenfüßen und einer Lagerstatt, über die sich wohl der weniger fügsame, magerste Passagier beklagt hätte. Jetzt handelte es sich ja aber nur um eine kurze Ueberfahrt, da mich die »Halbrane« an Tristan d'Acunha absetzen sollte. Ich bezog also die enge Cabine, die mich nur vier bis fünf Wochen lang beherbergen sollte.
Beim Fockmast und nahezu in der Mitte war die Küche angebracht, die außerdem durch kräftige Seisinge festgehalten wurde. Noch weiter nach vorn lag, mit einer kleinen Treppenkappe, die mit einer großen Wachsleinwanddecke verhüllte Luke, von der aus eine Leiter nach der Mannschaftswohnung und dem Zwischendeck hinabführte. Bei schlechtem Wetter wurde dieser Eingang hermetisch abgeschlossen, so daß auch kein übergenommenes Wasser eindringen konnte, wenn die Wogen sich an den Wangen des Fahrzeugs brachen.
Die acht Mann der Besatzung hießen: Martin Holt (Segelmeister). Hardie (Kalfatermeister); Rogers, Drap, Francis, Gratian, Burry und Stern (Matrosen von fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Jahren). Alle Engländer von den Küsten des Aermel- und des St. Georges-Canals, waren sie tüchtige und erfahrene Seeleute und unter einer eisernen Hand von bemerkenswerth guter Disciplin.
Hier sei aber gleich hinzugefügt, daß der Mann mit außergewöhnlicher Energie, dem sie auf ein Wort, auf einen Wink gehorchten, nicht der Kapitän der »Halbrane« war, sondern deren zweiter Officier, der damals im zweiunddreißigsten Jahre stehende Lieutenant Jem West.
Ich habe bei meinen vielen Reisen über verschiedene Oceane nie einen so stählernen Charakter getroffen. Jem West war auf dem Meere geboren und hatte von Kindesbeinen an nirgends anders verweilt, als auf einem von seinem Vater geführten Frachtschiffe, auf dem überhaupt seine ganze Familie wohnte. So lange er lebte, hatte er nie andere Luft geathmet, als die des Canals, des Atlantischen oder des Stillen Weltmeers. Lag das Schiff still, so betrat er das Land auch nur nothgedrungen in dienstlichen Angelegenheiten, die mit Hafenbehörden oder Händlern zu erledigen waren. Mußte er von einem Schiff auf ein anderes übergehen, so trug er seinen Leinensack dahin, ließ aber dabei kein Wort fallen. Ein Seemann mit Leib und Seele, machte sein Beruf sein ganzes Leben aus. Segelte er nicht thatsächlich, so fuhr er doch in Gedanken umher. Nachdem er Schiffsjunge, Leichtmatrose und Vollmatrose gewesen war, wurde er Schiemann (d. i. Aufseher über Segel und Pumpen), dann Hochbootsmann und schließlich Lieutenant auf der »Halbrane«, wo er unter dem Commando des Kapitän Len Guy nun schon seit sechs Jahren die Stelle des zweiten Officiers einnahm.
Jem West hatte nicht einmal den Ehrgeiz, noch höher steigen zu wollen; ein Vermögen zu sammeln, lag nicht in seiner Absicht, so betrieb er auch weder den Einkauf noch den Verkauf von Frachtgut. Solches ordentlich zu verstauen – ja, denn eine sachgemäße Frachtvertheilung ist die erste Bedingung für gutes Segeln eines Schiffes. Im Uebrigen verstand sich Jem West wie kaum ein anderer auf alles, was zur Navigation gehört, auf die Herstellung der Takelage, die beste Ausnützung der Segelwirkung, das Manövrieren bei jeder Gangart, auf die Maßregeln beim Landen und beim Vorankergehen, auf den Kampf gegen Wind und Wetter, die Beobachtung der Länge und Breite, kurz, auf alles, was die wunderbare Maschine, die man ein Segelschiff nennt, anging.
Seinem Aeußeren nach erschien der Lieutenant als mittelgroß, eher mager, ganz Nerv und Muskel, von kräftigen Gliedern, mit der Behendigkeit des Akrobaten; dazu hatte er das Seemanns-Auge, das sehr weit und ausnehmend scharf sieht, sonnengebräuntes Gesicht, kurzes, steifes Haar, bartlose Wangen und Kinn, regelmäßige Züge, einen Energie verrathenden Ausdruck und eine Unerschrockenheit und Körperkraft, die ihres Gleichen suchten.
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