Das Feuer brannte meterhoch und viele hatten sich gesammelt. Sie redeten durcheinander und Sunny’s Augen suchten nach Skalli und Dorin. Als sie entdeckte, dass Dorin gerade von einigen Alten verscheucht wurde, lächelte sie. Wahrscheinlich hatten sie ihn beim Lauschen erwischt.
„Hallo Dorin, bringst du wieder Geheimnisse in Erfahrung?“
Dorin kam zu ihr herübergelaufen.
„Ja, ähm, hat dir Skalli das also doch noch erzählt“, rief er auf einmal sehr fröhlich.
„Was soll Skalli mir erzählt haben?“, fragte sie etwas irritiert und setzte sich auf einen Baumstamm dicht vor dem Lagerfeuer. Dorin hatte schon ganz dicht neben ihr Platz genommen und murmelte
„Ach nichts.“
Er stieß Sunny an, deutete auf einen Kobold, der einen kleinen Eimer trug und den sandigen Inhalt in das Feuer kippte, um es zu löschen. Doch es war schon zu groß, um von dem Sandhäufchen gelöscht zu werden. Der Kobold hüpfte vor Wut auf dem Eimer herum, besann sich und holte einen neuen, größeren Eimer. Diesmal war er mit Wasser gefüllt. Es schwappte immer wieder über den Rand und als der erschöpfte Kobold endlich am Feuer ankam, war er patschnass.
„Ist der nicht lustig, der kleine Kobold?“, fragte Sunny.
„Ja, dem geht alles daneben!“
Sie lachte: „Weißt du eigentlich woher die Kobolde kommen?“
Als Dorin den Kopf schüttelte, erklärte sie mit ihrer lieblichen, noch zarten Stimme: „Kobolde zu dessen Geschlecht auch schadenfrohe Berggeister, Feldgeister und Waldgeister gehören, leben in Wäldern und geistern zuweilen auch als Irrlichte durch den Wald. Allen ist gemein, dass sie sich freuen, Furcht zu verbreiten oder andere zu ärgern!“
Dorin sah sie ratlos an: „Wie sollen sie zu Irrlichtern werden, wenn sie doch Waldgeister sind?“
„Grauenhaft tückische Wassergeister gibt es auch. Alles Kobolde!“. Sie strahlte ihn an: „Aber wenn man schläft, lassen sie einen in Ruhe.“
Er lachte: „Du meinst tatsächlich, wenn man einem Unhold gegenübersteht, braucht man nur so tun, als schliefe man und er lässt einen in Ruhe?“
Sunny guckte ihn ernst an: „Ich ziehe mir auch die Bettdecke über den Kopf.“
Dorin lächelte.
„Ich würde mich ihm in den Weg stellen und zeigen, dass ich kämpfen werde. Egal, ob ich verliere, ich hätte es wenigstens versucht.“
Sunny sah auf den Boden. Sie überlegte.
„Wenn ich das von der anderen Seite her betrachte, von Gott ...“, ihr versagte fast die Stimme vor Angst von Dorin ausgelacht zu werden, weil sie Gott ins Spiel brachte. Tapfer riss sie sich zusammen und beendet ihren Satz.
„Meinst du, er hilft eher denen die Angst haben oder denen, die sowieso schon stark sind?“
Forschend sah sie in Dorin’s Gesicht. Er lachte sie nicht aus, er lächelte nicht einmal mehr. Nachdenklich schaute er sie an und wählte seine Worte mit Bedacht:
„Ich glaube selbst die, die stark scheinen, tun oft nur so.“
So saßen sie einige Zeit nebeneinander und beobachteten die Funken, die langsam in die Luft und dann in den Nachhimmel aufstoben. Der Kobold kam wieder angelaufen. Er hielt einen größeren Eimer ihn der Hand.
„Da!“
Sunny stieß Dorin an. Mit offenen Mündern sahen sie, wie Lenguja eine Prise irgendeiner Substanz in den Eimer träufelte. Er entfernte sich schnell. Der Kobold hatte es nicht bemerkt. Er stemmte zitternd vor Anstrengung den Eimer hoch und kippte den Inhalt in das Feuer. Eine Stichflamme stieg in die Luft und er zuckte erschrocken zurück. Dorin lachte, aber Sunny tat der kleine Kobold leid.
„Lenguja spielt Streiche?“, wunderte sich Sunny.
Sie erinnerte sich daran, dass er ihr entgegengekommen war, als sie morgens die Jungen mit Nieswurz zum Niesen bringen wollte. Hatte er ihren Streich auf den Dorfältesten umgelenkt? Die Stimme von Dorin riss sie aus ihren Gedanken.
„Weißt du noch, wie am Lagerfeuer die Geschichte vom Pilz erzählt wurde und Skalli vor lauter Ekel Pickel bekommen hat?“
„Du bist gemein, Dorin!“
Sie rutschte vom Baumstamm und drängte sich zwischen andere Wichtel, sodass er nicht folgen konnte.
„Was habe ich denn gesagt?“, rief er hinter ihr her, doch sie reagierte nicht. Die Hitze des Feuers wurde immer größer und einige suchten sich einen anderen Platz, oder drehten die kräftigen Rücken zum Feuer. Skalli stieß ihn in den Rücken und setzte sich neben ihn. Beide rammten sich freundschaftlich die Ellbogen in die Seite und starrten Sunny hinterher. Sie drehte sich um, sah beide nebeneinandersitzen und kam zurück.
„Ich habe dich gerade gesucht“, rief sie fröhlich.
Lächelnd ließ sie sich neben Skalli plumpsen. Alle drei schauten unverdrossen in das Feuer, bis ihre Gesichter von der Hitze ganz heiß und rot waren.
„Puh, ich kann nicht mehr“, rief Sunny.
Dorin ärgerte sich, dass ihm nichts zum Erzählen einfiel und setzte wieder sein finsteres Gesicht auf.
„Dorin?“, lächelte Sunny.
„Was machst du immer für ein ernstes Gesicht?“
Doch er zuckte nur die Schultern. Ihm wollte einfach nichts Gescheites einfallen.
„Ich liebe die Geschichten am Lagerfeuer“, rief Sunny glücklich. Beide beobachteten sie von der Seite.
„Und ich liebe die Geschichten der Alten“, sagte Dorin endlich.
„Sie erzählen immer gegenseitig alte, geheime Begebenheiten, voller Gefahren und Mystik.“
Dorin war froh endlich ein Thema gefunden zu haben und wollte gerade genauestens von seinen nächtlichen Wanderungen berichten, als ein Mann aufstand und einen brennenden Ast aus dem Feuer nahm.
„Pscht! Es geht los“, raunte Sunny, als der Mann den brennenden Ast hochhielt. Die Gespräche verstummten und endlich erkannte Sunny auch die Gestalt, die von etwas berichten wollte.
„Hagahn.“
Sie murmelte den Namen fast ehrfürchtig, während seine kräftige Stimme über den Platz scholl.
„Lange schon habe ich die Sterne beobachtet. Ich habe den Wind betrachtet und das Zerren des Windgottes an unseren Fellen.“ Langsam bückte er sich und nahm ein Blatt vom Boden auf.
„Dieses Blatt habe ich getrocknet.“ Er nahm ein anderes Blatt auf.
„Ein anderes Blatt, aber noch frisch gepflückt!“
Nun hielt er beide Blätter in den Händen. Mit einer schnellen Bewegung warf er beide in die Luft. Das Getrocknete stob durch die Wärme des Feuers in die Luft, während das Andere schwerfällig hinunterfiel und von den Flammen verschlungen wurde.
„Dies habe ich entdeckt.“
Er schaute in die Runde. Die Gesichter der Frauen und Kinder, der Alten und der Krieger zeigten keine Regung.
„Ich weiß, ihr habt euch etwas Großes vorgestellt, wenn ich ein Lagerfeuer entzünden lasse! Manch einer wird sich an das Spiel der Frau Gnus erinnern, die uns erfreute, als sie eine schöne Melodie auf ihren Musikstöcken hervorbringen konnte.“
Erneut schaute er in die Runde.
Ja, es stimmte. Sunny war enttäuscht über die Darbietung, aber es schickte sich nicht dies zu zeigen. Jeder, der am Lagerfeuer etwas den anderen zeigen wollte, war stolz darauf und hatte das recht sich mitzuteilen. Es wurde geachtet, denn es war ein Erfolg desjenigen, der sprach. Oftmals war es ein rein persönlicher Erfolg, der für die anderen nur von wenig nutzen war. Die Stimme Hagahn‘s riss sie aus ihren Gedanken.
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