1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 „Na, wen haben wir denn da?“, fragte der Kerl.
„Das ist Mike“, stellte Hannah ihren Freund vor.
„Der Gartenzwerg kommt wie gerufen“, sagte Mike und griff nach Klax.
„Wie lautet das Passwoooooo…“
Weiter kam er nicht. Mike hatte ihn in die Wohnung gerissen. Denn, was Klax nicht wusste, war, dass seine angehende Freundin einen bösen Fetisch für ungezogene Jungs hatte, und Mike war einer von der besonders schlimmen Sorte.
Und Klax war nur ein weiterer Name in einem noch nicht geschriebenen Wikipedia-Artikel über die Opfer des PostbotenBademeisterMüllmannMeuchelMörders vom Wannsee.
Hannah rollte mit den Augen und knallte die Tür zu.
Armer kleiner Klax.
Er würde weder Trixie noch seine Mutter je wiedersehen.
5.
Ein Jahr und viele, viele Tote später
Phill Jerkoff saß vor seinem Fernseher und tat, was Leute gemeinhin tun, wenn sie vor einem Bildschirm saßen und ihr Hirn geistig über eine Wäscheleine hing:
Er glotzte dumm drein.
Gerade lief ein Bericht über die Serienkillerin Mariam Karkuffian, die mindestens einen erwachsenen Mann und vier Kinder ermordet haben sollte. Unter anderem vielleicht auch seinen Sohn Klax, der vor einem Jahr spurlos verschwunden war. Zumindest deutete einiges darauf hin, oder es ließ sich zumindest bequem in die Handlung hineindichten.
Das Einzige, was von ihm zurückgeblieben war, war das olle Borgraumschiff, das Phill seither über eBay Kleinanzeigen für 200 € als „Raumschiff vom Mordfall Klax Jerkoff“ verkauft hatte.
Sein Sohn war in der Nacht vor einem Jahr verschwunden, hatte früh Morgens das Haus verlassen, und ward nie mehr gesehen. Er und seine Frau hatten keine Mühe gescheut, ihn zu suchen. Sie waren gleich einen Tag danach, schließlich nützte es nichts, unausgeschlafen jemanden zu suchen, runtergegangen, um nachzusehen, ob Klax vor dem Haus stand. Da war er aber nicht. Ihn anzurufen, ergab keinen Sinn, denn Klax besaß kein Smartphone, und jegliche Versuche, ihn zu suchen, wurden so lange auf später vertagt, bis die Polizei klingelte und sachkundige Beweise lieferte, dass Klax tot war und man den Mörder gefunden hatte: Mariam Karkuffian. Man hatte seine Leiche in einem ihrer Folterkeller gefunden, oder zumindest etwas, das gut seine Leiche hätte sein können. Da die Sache recht eklig und prekär war, erkannte man die naheliegendste Vermutung als absolute Wahrheit an, machte früh Feierabend und ließ den lieben Herrgott einen guten Mann sein.
Seine Frau Olga hatte Phill verlassen und ihre Tochter, deren Namen er schon längst vergessen hatte, mitgenommen.
Ihm war ein langer Bart gewachsen. Sein Haupthaar reichte ihm die Schultern herab. Er sah aus wie ein Obdachloser, der zu etwas Geld gekommen war, und roch auch so.
„Du musst es dir ansehen“, sagte eine Stimme aus dem Dunkeln.
Ihm gefror das Blut in den Adern. Sein Penis kroch innerhalb der Vorhaut zurück in seinen Körper und versteckte sich hinter seiner Blase. Da war jemand im Raum. Hatte er schon wieder die verdammte Tür offen gelassen? Wie damals, als er Klax die Nase blutig geschlagen hatte? War Klax etwa wieder da?
Wehmütig dachte er zurück an diese schönen Zeiten.
Seine Frau und seine Tochter fehlten ihm kein bisschen. Doch sein Sohn, der irgendwie unterhaltsam war und wusste, welche Biermarke er vom Kiosk bevorzugte, der fehlte ihm durchaus. Ein Gaffel Kölsch schmeckte einfach anders, wenn es ein Achtjähriger ungefragt mit dem Geld aus Mamas Brieftasche für seinen Vater kaufte, um ihn damit zu überraschen.
„Wer ist da?“, rief Phill unsicher.
„Ich bins nur“, sagte ein Mann und trat aus dem Schatten der Wand. „Der Wahnsinn.“
„Sehr witzig, Horst“, sagte Phill. „Was machst du denn hier?“
Horst Seenot war Phills Exschwager. Der Bruder seiner Exfrau, Olga. EX-KGB-Agent und inzwischen ehemaliger BND-Mitarbeiter, der sich als Kommissar oder Privatdetektiv oder jemand, der den Leuten die Socken vom Wäscheständer klaute, sein Geld verdiente. So richtig hatte Phill das nie verstanden. Hauptsächlich, weil es ihn nicht interessierte.
„Was gibt’s Neues?“, fragte Phill, der viel lieber mit einem Menschen redete, als in ein doofes Display zu schauen. Den Fernseher schaltete er aus. Ein Kunstgriff, der heutzutage leider größtenteils in Vergessenheit geraten war.
Sofort ging der Fernseher von alleine wieder an.
„Verflixtes Aldi-Teil“, murmelte Phill. Ein Nachrichtensprecher flimmerte über den Schirm, über den ja gar nichts flimmern konnte, denn es war ein LCD-Bildschirm und keine Röhre, aber egal. Es klang halt so schön. Also flimmerte er, der Nachrichtensprecher.
„Die Serienmörderin Mariam Karkuffian ist heute aus der Haft in die geschlossene Psychiatrie verlegt worden. Sie wurde vor sieben Monaten von ihrem ältesten Sohn verraten, dem sie nicht erlauben wollte, auf das Konzert einer Black-Sabbath-Coverband zu gehen. Mariam ist verantwortlich für den Tod zahlreicher Kinder und sonstiger Menschen. Genaue Details und ob das alles nur von der Polizei, die keine Lust hatte, in großem Umfang zu ermitteln, so hingedreht wurde, ist uns nicht bekannt. Frau Karkuffian wird in die von Dr. Volker Bieder finanzierte und betreute Klinik in Berlin-Tegel verlegt. Dr. Bieder selbst ist Chirurg und nach eigenen Angaben Hobby-Psycho- und Proktologe. Er sagte, man müsse in den menschlichen Abgrund blicken, völlig egal, wie tiefschwarz er sei oder an welchem Ende er sich befinde, um eine Seele, die erkrankt ist, wieder zu heilen.“
„Wieso hat eine psychiatrische Anstalt einen Chirurgen?“
„Vielleicht verletzen sich die Insassen oft?“, merkte Horst Seenot an.
„Da reicht doch ein normaler Arzt, bei allem anderen: ab ins Krankenhaus. Das ist bekloppt. Man baut doch auch keinen Bestatter neben ein Altersheim, nur weil dort jemand sterben könnte.“
„Das würde sogar einen morbiden Sinn ergeben“, sagte Horst.
Recht hatte er. Phill überlegte. Der Nachrichtensprecher im Fernsehen wartete brav mit dem Weiterreden, bis die beiden Herren sich ausgesprochen hatten. „Es würde ja auch kein Kinderpsychologe“, setzte Phill erneut an, „seine Praxis neben einem Kindergarten eröffnen und Flyer an die Eltern verteilen: ‚Ist Ihr Kind schon ungeniert traumatisiert? Vertrauen Sie mir und lassen Sie es bei mir behandeln, ich werde es verwandeln und gibt es Beschwerden, wird mir was unterstellt, gibt’s zurück das Geld!‘“
„Irgendwie ergibt das auch Sinn.“
„Tut es nicht, Horst. Du warst schon immer ein schlechter Lügner.“
Der Nachrichtensprecher schaute ertappt von seinem Smartphone auf und bemerkte, dass er weiterpalavern konnte: „Ah es geht weiter. Dr. Bieder unterstellte der Serienmörderin Schizophrenie sowie bipolar zu sein und beides gleich praktisch zu einer Schizoaffektiven Störung zu vereinen. Ferner erwähnte er, Frau Karkuffian sei generell gelangweilt, antriebslos, Ich-bezogen und bestimmt auch Opfer einer Induzierten Wahnhaften Störung, welche durch den Wahnsinn eines Lebenspartners oder Ehepartners ausgelöst wird, mit der Trennung aber wieder verschwindet. Besonders Letzteres merkte Dr. Bieder als interessant an, da er mit einem Fachartikel mehr als ein Jahr auf Ärztetagungen teure Reden halten könnte. Man müsse aber sehen, was man aus der Frau alles rausschlagen könne, so seine Worte. Frau Karkuffian soll sich momentan nicht so gut fühlen, da sie von einer Mitinsassin im Gefängnis eins mit der Pinkelpfanne über den Kopf bekommen hat. Was uns hier im Sender allen furchtbar leidtut.“
„Mir nicht“, brummelte Phill.
„Der Pressesprecher der Polizei gab an, froh zu sein, aus dem Redakteursdasein beim Privatfernsehen in eine derart gute Beamtenstelle gewechselt zu haben, und merkte ferner an, dass Frau Karkuffian vehement darauf bestand, dass der Arzt Dr. Bieder schuld an ihrer Misere sei. Er habe ihr eine Gerätschaft in den Kopf getackert, die ihr Befehle schickt und welche mit einer SIM-Karte versehen ist, damit sie jederzeit erfolgreich ferngesteuert werden kann. Detaillierte Baupläne des Geräts sowie eine Kopie des SIM-Karten-Vertrags wurden nicht als Beweismittel in den Fall einbezogen, weil ein Praktikant die Kiste, in der die Sachen verstaut waren, verloren hat.“ Der Nachrichtensprecher holte Luft. „Angeblich, so mutmaßte der Pressesprecher, könne Mariam Karkuffian noch für weitere Morde verantwortlich sein. Da man momentan aber eh schon genug zu tun habe, so der diensthabende Ermittler, werde man vorerst keine Fragen mehr stellen und keine weiteren Leichen suchen. Und jetzt zum Sport!“
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