Der große Saal war in rötliches Schummerlicht getaucht. Herr Huber saß an der Bar und scherzte mit der wenig beschäftigten Mitarbeiterin dahinter: „Dokterchen, kommen´s näher, habe die Ehre… und Frohe Weihnachten! Kleines Spielchen gefällig?“
Herbert erzählte ihm von seiner Misere und war erst mal froh, dass der andere nicht gleich auf die noch ausstehenden 2000 Mark Spielschulden zu sprechen kam. „Alles kein Problem, guter Doktor, Sie hab´n doch Sicherheiten… Was brauchen´se, 5000?“ „So einfach ist das?“, dachte Herbert verblüfft, offenbar glaubte hier jemand an sein Potential… Und mit etwas Glück würde er das Kapital schnell vermehren und auch den lästigen Wadenbeißer Nielsen von der Bank zufriedenstellen können, der sich schon wieder für den 8. Januar zum Gespräch angemeldet hatte. Die Zeit verging an diesem Abend wie im Fluge: Schon war die „happy hour“ und die Schummerstunde beendet, die kristallenen Kronleuchter funkelten jetzt von der Decke und die grünen Tische mit den magischen Kesseln wurden abgedeckt.
Erst ließ es sich ganz gut an, die silberne Kugel war ihm hold, schnell stand sein Saldo auf 7000 Mark und angenehme Glücksgefühl liefen ihm über den Rücken. „Jetzt könnte er eigentlich Huber die 5000 plus den ersten 2000er- Kredit zurückzahlen“, schoss es Herbert durch den Kopf – eine theoretische Möglichkeit…, die er aber genauso schnell wieder verwarf: Jetzt musste er die Glückssträhne nutzen und sein Schicksal in die Hand nehmen! Kurz darauf begann er zu schwitzen: Die Berg- und Talfahrt hatte begonnen.
Nach drei Stunden rauschhaften Spiels war er wieder auf Null und den Tränen nahe.
„Schlaf dich aus, mein Junge“, sagte der maskenhaft dauerlächelnde Huber, „wann arbeitest du wieder?“ „Am Montag nach Neujahr, meinte Herbert zerknirscht, „am 4. Januar“.
„Nun ja, da komm ich vorbei, wir finden einen Weg“, meinte Huber und rieb Daumen und Zeigefinger, als könnte er Geld herbeizaubern…
Zu Silvester tauchte Britta wieder auf; in ihrem Sportflitzer hatte sie nur eine Stunde über die mittags ziemlich leere A7 gebraucht. Sie war aufgeräumter Stimmung. Abends wollten sie doch zum Neujahrsball im Terminal am Oslokai, der war hier in der Provinz das Highlight des Winters und konnte sich fast mit den Bällen in der Hansestadt messen.
Herbert hatte eigentlich überhaupt keine Lust, durfte sich aber über die Gründe seines Stimmungstiefs nichts anmerken lassen. Außerdem hatten sie die Veranstaltungskarten schon vor zwei Monaten gekauft. Von ungeregelten Schulden durfte er Britta auf keinen Fall erzählen, so etwas kam in ihrem Weltbild nicht vor: Ihr Vater war vermögend - und Hanseat, der würde Herbert für den kompletten Versager halten, Schuldenmachen stand für den auf einer Stufe mit Mord und Totschlag!
Ihre Eltern hatten Britta zu Weihnachten einen originellen Gutschein für ein schickes Ballkleid geschenkt; am 28. Dezember war sie mit ihrer Mutter in die Mönckebergstraße gepilgert und in der teuersten Boutique fündig geworden: Ein Traum aus Seide und Chiffon! Sie freute sich wie eine Schneekönigin auf den Silvesterabend.
Und der Abend wurde auch traumhaft: Kiels beste Showbands spielten auf den Dancefloors. Herbert und Britta konnten endlich wieder Walzer und Quickstepp tanzen und all die anderen Sachen, die sie in drei Tübinger Tanzkursen gelernt hatten, die also immerhin nicht ganz umsonst gewesen waren: Sie hatten es noch drauf und schwooften, bis um Mitternacht das große Feuerwerk, das über der Innenförde niederging, alle Gäste an die Fenster und auf die Balustrade lockte.
„Prosit ´93, Schiet op ´92“, wünschte man sich allenthalben und ließ die Sektgläser klirren. Dann wurde bis in den frühen Morgen weitergetanzt. Was das Neue Jahr wohl wirklich bringen würde?
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