LORA FLYNN
LORA FLYNN
PLEASE LOVE ME
VORWORT Vorwort Über menschliche Gefühle: „Je mehr sie weggedrückt werden, desto intensiver glühen sie unter der Oberfläche. Je heftiger sie verleugnet werden, desto intensiver brechen sie sich auf irgend eine Weise Bahn.“ - Jane Austen, Verstand und Gefühl
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
DANKSAGUNG
ÜBER DIE AUTORIN
Deutsche Erstausgabe 12/2018
Copyright © 2018 by Lora Flynn,
c/o Bianca Kronsteiner, impressumservice.net,
Robert-Preußler-Straße 13 / TOP 15020 Salzburg,
AT – Österreich
Druck und Bindung: epubli – ein Service der neopubli, GmbH, Berlin
Umschlaggestaltung: Copyright © by Lora Flynn
lora.flynn@web.de
Für meine Oma,
die warmherzigste und gütigste Frau,
die ich kennen lernen durfte…
Über menschliche Gefühle:
„Je mehr sie weggedrückt werden,
desto intensiver glühen sie unter der Oberfläche.
Je heftiger sie verleugnet werden,
desto intensiver brechen sie sich auf irgend eine Weise Bahn.“
- Jane Austen, Verstand und Gefühl
Mit der flachen Hand fuhr ich über die Spiegelscheibe, die von der heißen Temperatur meiner Dusche völlig beschlagen war. Ich sah in den Spiegel und blickte zwei abgestumpften, braunen Augen entgegen. Dunkle Ringe zeichneten sich unter ihnen ab. Sie lagen in tiefen Furchen und instinktiv fragte ich mich, ob meine Augen schon immer derart leer und ausdruckslos aussahen oder ob sie erst seit Anfang der Sommerferien diesen traurigen Blick angenommen hatten.
Ich wandte mich vom Spiegel ab, da ich mein eigenes Abbild nicht mehr ertragen konnte und schlüpfte in meine Lieblingsjeans. Nach einem prüfenden Blick in den Schrank, entschied ich mich für ein schwarz-weiß gestreiftes Shirt.
Die Kleidung, die mir vor zwölf Wochen noch gepasst hatte, als wäre sie für mich maßgeschneidert worden, schlotterte nun an meinem knochigen Körper, als wäre sie mir mehrere Nummern zu groß. Ich war einmal hübsch gewesen, vor den Sommerferien um genau zu sein. Doch dann hatte mein Freund Danny sich urplötzlich nach zwei Jahren Beziehung von mir getrennt. Keine drei Stunden später war mein Dad nach Hause gekommen. Ich hatte es kaum erwarten können, mich in seine vertrauten Arme zu werfen, die mir schon von klein auf in schwierigen Zeiten Trost gespendet hatten.
Als ich allerdings in sein Gesicht geblickt hatte, wusste ich, dass etwas nicht stimmte, dass etwas passiert sein musste. Falten bildeten sich auf seiner Stirn und seine Augen waren gerötet, als hätte er geweint. Er wirkte, als wäre er zehn Jahre gealtert.
In meinem Bauch braute sich eine böse Vorahnung zusammen und mit einem Mal wartete ich nur darauf, dass er die Lippen öffnete, um mir die schlechte Nachricht zu überbringen; meine Mutter hatte einen Autounfall. Sie starb noch an der Unfallstelle.
In den letzten zwölf Wochen hatte ich mich Tag für Tag gefragt, was um alles in der Welt ich getan hatte, um so ein Schicksal verdient zu haben. Immerzu streiften dieselben Fragen durch meinen Kopf. Warum bestrafte mich das Leben auf solch üble Weise? Warum wurde Mom unserer Familie entrissen? Und warum hatte Danny sich plötzlich von mir abgewandt? Nichts war mir geblieben, außer einem tiefsitzenden Schmerz.
Allerdings gab es eine Sache, die mich von meinem grauen Alltag ablenkte. Eine Tätigkeit, durch die ich in eine andere Welt schlüpfen konnte und ohne die ich meine Sommerferien wohl nicht überstanden hätte. Mein Blick fiel auf die Ausgabe von Sturmhöhe, die auf meinem Bett lag.
Unzählige Male hatte ich mich in den Ferien in dieses Buch geflüchtet, in eine andere Person. Eine Person, die genauso unter dem Tod eines geliebten Menschen und der verlorenen Liebe litt, wie ich. Mit schnellen Schritten ging ich zu meinem Bett und stopfte das abgenutzte Buch in meine Schultasche. Ich wollte es unbedingt dabei haben. Auf unerklärliche Weise spendete es mir Trost und ich hoffte, dass es mir auch die Kraft verlieh, den heutigen Tag zu überstehen.
Der erste Schultag nach den Ferien. Ich war nicht bereit dafür. Jede Faser meines Daseins schien sich vehement dagegen zu wehren. Und doch setzte ich einen Fuß vor den anderen und stieg die Treppe hinab. Mir blieb nichts anderes übrig, als weiter zu machen. Wie genau wusste ich jedoch noch nicht.
In der Küche angekommen waren mein großer Bruder Lukas und mein Dad Cedric bereits am Aufräumen. Sie hatten gewusst, dass ich zum Frühstück nicht erscheinen würde. Dennoch stand wie an jedem Tag in den letzten Wochen ein frisch zubereitetes Frühstück für mich bereit, das ich letztendlich doch wieder nicht anrühren würde.
Meine kleine Schwester Mia saß auf dem für sie viel zu großen Stuhl und rührte seelenruhig mit der bloßen Hand in ihrem Essen herum. Mit ihren vier Jahren konnte sie natürlich noch nicht begreifen, dass ihre Mutter nicht mehr da war, dass sie nie mehr zurückkommen würde.
Mein Blick schweifte auf den leeren Platz am Küchentisch, wo meine Mom jeden Morgen gesessen und in aller Ruhe die Tageszeitung gelesen hatte. Kurz stellte ich mir vor, sie wäre noch da. Ich stellte mir vor, sie würde noch immer an ihrem Platz am Kopfende des Tisches sitzen. Sie würde an ihrem Kaffee nippen und mir einen mahnenden Blick aus ihren strahlend blauen Augen zuwerfen, der besagte, dass ich wieder einmal zu spät dran war für die Schule.
Ich fühlte ein erdrückendes Gefühl in der Brust und schnell verdrängte ich diese Erinnerungen. Mom war nicht mehr da.
»Guten Morgen, Drea«, grüßte mein Dad mich aus müden Augen. Auch ihm saß der Schmerz noch schwer ums Herz. Jedes Mal, wenn ich ihn ansah, spiegelte sich meine eigene Trauer in seinen Augen. Schnell sah ich wieder weg und murmelte ebenfalls ein Guten Morgen.
Mein Bruder Lukas gab mir lediglich einen Kuss auf die Wange und machte sich dann auf den Weg zur Arbeit. Er und Dad führten gemeinsam unser erfolgreiches Familienunternehmen. Eine Immobilienagentur, die Dad bereits in jungen Jahren alleine aufgebaut hatte.
Schon auf der High School hatte mein Bruder fleißig in der Firma ausgeholfen und hart dafür gebüffelt, einmal in unser Unternehmen einsteigen zu können. Ich dagegen konnte dem nur wenig abgewinnen. Von klein auf vergrub ich meine Nase lieber in Büchern.
Da Dad selbstständig war, begann er erst später mit der Arbeit und konnte sich so noch um unsere kleine Schwester Mia kümmern, ehe er sie in den Kindergarten brachte. Für gewöhnlich war dies Moms Aufgabe gewesen und nur ein weiteres Indiz dafür, wie sehr sie fehlte.
»Ich muss los. Bis heute Abend«, informierte ich Dad, bevor ich mich auch schon umdrehte, um das Haus zu verlassen.
»Drea, warte!«, rief er und folgte mir zur Haustür. Ich wandte mich ihm zu, konnte mich aber nicht überwinden, ihm in die großen braunen Augen zu schauen, die meinen so sehr ähnelten.
»Ich habe dir etwas eingepackt«, er räusperte sich und ich spürte sein Unbehagen. »Ohne Frühstück bekommst du sicher Hunger bis zur Mittagspause.«
Er streckte mir eine Brotbox entgegen und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Für einige Augenblicke sagte ich nichts und starrte nur auf die Box in seinen Händen. Mir war durchaus bewusst, dass es ein Wink mit dem Zaunpfahl war. Mein Dad machte sich Sorgen um mich. Natürlich war ihm und Lukas mein Gewichtsverlust nicht verborgen geblieben.
Читать дальше